Lipoprotein(a): Wann messen, wie behandeln?
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Ist es notwendig, bei Patienten außer LDL-C und Triglyceriden auch die Plasma-Konzentration von Lp(a) zu bestimmen? Und was soll man wie tun, wenn die Werte von der Norm abweichen, also zum Beispiel erhöht sind? Antworten auf diese Fragen geben Annika Reuser und Professor Dr. Ulrich Laufs (Universitätsklinikum Leipzig) sowie ihr kardiologischer Kollege Professor Dr. Wolfgang König vom Deutschen Herzzentrum in München in einem aktuellen Zeitschriftenbeitrag. Hier ihre Antworten in aller Kürze: Lipoprotein(a) ist, wie die Autoren erklären, ein wichtiger Risikofaktor für Gefäßkrankheiten und Aortenstenose, der proatherogen und proinflammatorisch wirkt. Die Lp(a)-Plasmakonzentration sollte daher einmalig im Leben bei allen Menschen bestimmt werden, insbesondere bei Personen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Schwierig ist allerdings die Therapie bei erhöhten Lp(a)-Werten. Denn aktuell verfügbare Lipidsenker zeigten wenig Effekt auf die Lp(a)-Serumkonzentration. Hoffnungen setzen Wissenschaftler auf eine neue Substanzklassen, die so genannten RNA-Hemmer, mit denen der Lp(a)-Wert um 80–90 Prozent reduziert werden könne. Daten zu einem solchen Molekül sind gerade auf auf dem Kongress der „American Heart Association“ vorgestellt worden.
Kardiovaskuläres Risiko steigt mit dem Lp8A)-Wert
Wie Reuser und ihre Kollegen erklären, erhöht Lipoprotein(a) das kardiovaskuläre Risiko in Abhängigkeit von seiner Serumkonzentration, indem es nicht nur proatherogen, sondern auch proinflammatorisch wirkt. Während die proatherogene Wirkung vermutlich auf die LDL-ähnliche Struktur zuzuführen sei, werde der proinflammatorische Mechanismus unter anderem auf die hohe Konzentration an oxidierten Phospholipiden zurückgeführt. Aufgrund der Homologie des apoA mit Plasminogen werde zusätzlich eine prothrombotische Wirkung diskutiert. Da genetische Daten keine Assoziation von Thrombosen mit Lp(a) zeigten, sei dieser Aspekt weiter Gegenstand aktueller Forschung. Es sei noch unklar, ob erhöhte Lp(a)-Serumkonzentrationen mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen und Aborten assoziiert seien. Gesichert sei dagegen, dass bei Personen mit einer Lp(a)-Erhöhung außer den Inzidenzen der koronaren Herzkrankheit, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und des ischämischen Schlaganfalls auch das Risiko für eine Aortenklappenstenose erhöht sei,
Lipoprotein(a) ist den Autoren zufolge in der Allgemeinbevölkerung asymmetrisch verteilt. Ein Großteil der Bevölkerung habe einen niedrigen Lp(a)-Spiegel mit Werten < 75 nmol/l bzw. < 30 mg/dl. Allerdings sei in Untersuchungen bei jeder/ jedem Dritten eine Serumkonzentration oberhalb dieser als optimal einzustufenden Grenzwerte festgestellt, worden, insbesondere bei Menschen der hispanischen Ethnie und Menschen dunkler Hautfarbe. 20 Prozent der Bevölkerung hätten Lp(a)-Werte > 50 mg/dl. Ab diesem Wert von 50 mg/dl (125 nmol/l) steige das kardiovaskuläre Risiko an. Dabei gelte, je höher die Lp(a)-Konzentration ist, umso mehr nehme auch das kardiovaskuläre Risiko zu, unter anderem für tödliche kardiovaskuläre Ereignisse.
Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC)/European Atherosclerosis Society (EAS) von 2019 empfehlen daher, Lp(a) bei jedem Menschen einmal im Leben zu bestimmen, um Risikopersonen identifizieren zu können. Insbesondere Patienten mit frühzeitigen kardiovaskulären Ereignissen und deren Familien- angehörigen 1. Grades werde ein Screening auf Lp(a)- Erhöhung empfohlen.
Therapie-Optionen bei erhöhtem Lipoprotein(a)-Wert
Da es aktuell keine zugelassene medikamentöse Therapie zur Senkung des Lp(a) gebe, werde angestrebt, alle anderen kardiovaskulären Risikofaktoren zu minimieren, erklären die Kardiologen weiter. Dazu zählten Nikotinstopp und regelmäßige körperliche Bewegung. Außer der antihypertensiven und antidiabetischen Therapie stehe eine „konsequente Absenkung der LDL-C- Serumkonzentration zur Reduktion des Lipid-bezogenen Risikos im Vordergrund“. Das Ziel dieser Maßnahmen sei die Senkung des globalen vaskulären Risikos; der Lp(a)-Wert werde hierdurch allerdings nicht wesentlich beeinflusst und müsse daher auch nicht kontrolliert werden.
Bisher zugelassene orale Cholesterinsenker zeigten wenig Wirkung auf die Lp(a)-Werte. PCSK9-Antikörper könnten Lp(a)-Spiegel um 20–30 % senken. Zur Lp(a)-Senkung stehe aktuell weiterhin nur die Lipoprotein-Apherese zur Verfügung. Nach einer solchen Apharese komme es allerdings umgehend zu einem Wiederanstieg der Lp(a)-Werte. Bei wöchentlicher Apherese könne daher im Mittel über die Zeit nur eine Senkung des Spiegels um 30–35 % erreicht werden. Randomisierte Studien zur Wirksamkeit der Lipoprotein-Apherese auf klinische Endpunkte gebe es außerdem nicht. Und: Als Voraussetzung für die Erstattung muss die Zustimmung der regionalen Apherese-Kommission vorliegen. Diese basiere auf dem Nachweis einer progredienten arteriellen Gefäßerkrankung unter optimaler Risikoeinstellung einschließlich LDL-C-Senkung.
Neue Therapien in Sicht
Hoffnungen setzen Lipidforscher nun auf Substanzen, die auf mRNA-Ebene in den Leberzellen angreifen und die Lp(a)-Produktion verhindern. Zu den weit fortgeschrittenen Entwicklungen zählen laut Reuser und ihren Kollegen Antisense-Oligonukleotide (ASO), welche als komplementäre einzelsträngige Moleküle die mRNA des apoA binden und somit deren Abbau induzieren. Ein Beispiel ist das ASO Pelacarsen, das subkutan appliziert wird und bei wöchentlicher Injektion von 20 mg den Lp(a)-Spiegel um im Mittel 80 % senkt; getestet werde es in der Endpunktstudie HORIZON.
Ähnlich wie ASO wirkten auch die Small-interfering mRNA (siRNA), doppelsträngige Moleküle, die, wie die Autoren weiter erklären, komplementär die Lp(a)-Ziel-mRNA binden, wodurch letztere abgebaut werde. Ein Beispiel für ein solches Molekül ist Olpasiran, zu dem aktuell Daten aus dem Studienprogramm OCEAN auf dem Kongress der „America Heart Association“ in Chicago vorgestellt wurden und zugleich im „New England Journal of Medicine“ erschienen. An der randomisierten und placebokontrollierten Dosisfindungsstudie nahmen Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung und einer Lipoprotein(a)-Konzentration von mehr als 150 nmol pro Liter teil. Die Patienten erhielten nach dem Zufallsprinzip eine von vier Dosen Olpasiran (10 mg alle 12 Wochen, 75 mg alle 12 Wochen, 225 mg alle 12 Wochen oder 225 mg alle 24 Wochen) oder ein entsprechendes Placebo, das subkutan verabreicht wurde. Primärer Endpunkt war die prozentuale Veränderung der Lipoprotein(a)-Konzentration vom Ausgangswert bis Woche 36.
Bei den 281 eingeschlossenen Patienten betrug die mittlere Lipoprotein(a)-Konzentration bei Studienbeginn 260,3 nmol pro Liter, die mittlere Konzentration von Lipoprotein niedriger Dichte lag bei 67,5 mg pro Deziliter. Bei Studienbeginn nahmen 88 Prozent der Patienten ein Statin, 52 Prozent Ezetimib und 23 Prozent einen PCSK9-Hemmer. Nach 36 Wochen war die Lipoprotein(a)-Konzentration in der Placebogruppe um durchschnittlich 3,6 % gestiegen; die Olpasiran-Therapie hatte die Lipoprotein(a)-Konzentration dagegen in einer dosisabhängigen Weise signifikant und erheblich gesenkt (70, 5 % mit der 10-mg-Dosis, 97,4 % mit der 75-mg-Dosis, 101,1 % mit der 225-mg-Dosis, die alle 12 Wochen verabreicht wurde, und 100,5 % mit der 225-mg-Dosis, die alle 24 Wochen verabreicht wurde). Die Gesamthäufigkeit der unerwünschten Ereignisse war in den Studiengruppen ähnlich. Die häufigsten durch Olpasiran bedingten unerwünschten Ereignisse waren Reaktionen an der Injektionsstelle, vor allem Schmerzen.
Wie Reuser und ihre Mitautoren betonen, sind allerdings noch einige Jahre Studienlaufzeit erforderlich, um belastbare Informationen zu Sicherheit und Wirksamkeit zu erhalten. Bei positiven Studienergebnissen werde eine Zulassung auf den Einschlusskriterien der Studien beruhen, d. h. die Substanzen würden vermutlich primär für Patienten mit sehr hohem Risiko erstattet werden.
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