Lerndefizite durch die COVID-19-Pandmie betragen etwa ein Drittel eines Schuljahres
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Eine Metaanalyse von 42 Studien aus hauptsächlich westlichen Ländern kommt zu dem Schluss, dass während der COVID-19-Pandemie zwischen Mai 2020 und Mai 2022 erhebliche Lerndefizite entstanden sind. Diese entsprechen etwa dem Pensum eines Drittel Schuljahres, und es gibt keine Hinweise, dass die Verluste wieder aufgeholt werden.
Hintergrund
Eine der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie waren Schulschließungen und andere Einschränkungen des Lehrbetriebs. Deren Auswirkungen auf die Lernfortschritte der Schüler sind noch nicht genau bekannt und wahrscheinlich auch regional unterschiedlich.
Design
Vorab registrierte systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse zur Bestimmung des Ausmaßes von Lerndefiziten bis 2,5 Jahre nach Beginn der COVID-19-Pandemie (zwischen Mai 2020 und Mai 2022). Als Lerndefizit wurde dabei sowohl die Verzögerung beim erwarteten Erwerb von Lehrstoff gewertet als auch der Verlust von bereits erworbenem Wissen und Fähigkeiten. Sekundär wurde gefragt, ob die Lerndefizite sich zwischen verschiedenen sozialen Hintergründen, dem Alter, Geschlecht, den Lerninhalten oder Ländern unterscheiden.
Ergebnisse
- Die Literatursuche hatte ursprünglich 5153 Treffer ergeben, davon konnten letztlich 42 Studien in 15 Ländern verwertet werden. Die Zahl der erfassten Schätzungen pro Land schwankte zwischen 2 (Schweiz, Kolumbien, Brasilien, Mexiko, Südafrika) über 9 (Deutschland, Schweden) bis hin zu 58 (Großbritannien) und 149 (USA).
- Das Risiko für Verzerrungen wurde in 15 % der Studien als gering bewertet, bei 30 % als moderat, bei 25 % als ernsthaft („serious“) und bei 30 % als kritisch. Letztere Studien wurden in der Meta-Analyse nicht berücksichtigt.
- Die Effektgröße der 42 Studien (Cohen´s d) variierte zwischen – 0,65 und 0,07. Der (gewichtete) Mittelwert lag bei – 0,14 Standardabweichungen und hatte ein 95%-Konfidenzintervall von – 0,17 bis – 0,10. Dieser Verlust entspricht etwa 35 % des Pensums eines Schuljahres, rechnen die Autoren vor.
- Eine grafische Darstellung der geschätzten Lerndefizite über die Zeit „legt nahe, dass die Defizite früh in der Pandemie entstanden sind, und seitdem [die Lücken] weder geschlossen wurden noch wesentlich zugenommen haben.“ Die Bemühungen von Kindern, Eltern, Lehrern und der Politik, sich auf die veränderten Umstände einzustellen, waren zwar erfolgreich beim Verhindern weiterer Defizite, sie konnten sie aber nicht rückgängig machen, heißt es weiter.
- Etwa 60 % aller Schätzungen ergaben, dass Ungleichheiten zwischen Kindern mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem Hintergrund zugenommen haben, ca. 30 % fand keine Unterschiede, und nur 9 von 211 Schätzungen fanden eine Abnahme bei der Ungleichheit. „Dies galt sowohl für Mathematik als auch für das Lesen, in Grundschulen und weiterführenden Schulen, zu jedem Zeitpunkt der Pandemie, und unabhängig davon, wie der sozio-ökonomische Hintergrund gemessen wurde.“
Klinische Bedeutung
Die vorliegende Metaanalyse hat die Lerndefizite bilanziert, sie trifft aber keine Aussagen über die relative Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen. Die Frage, ob und wie die Verluste möglicherweise kompensiert werden können, könnte in prospektiven Vergleichsstudien adressiert werden.
Finanzierung: Carlsberg Foundation; Leverhulme Trust; Swedish Research Council for Health, Working Life and Welfare; Nationale Forschungsagentur (Frankreich), Université Paris Cité IdEx.
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