Lauterbach will mehr Digitales und die Chirurgen-Gesellschaft mehr Genderparität
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Gesundheitsminister Karl Lauterbach macht mobil; die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen soll endlich Flügel erhalten - insbesondere der elektronischen Patientenakte. Jeder Krankenversicherte soll, so Lauterbachs Versprechen, im nächsten Jahr eine elektronische Patientenakte bekommen. „Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück“, sagte Lauterbach. „Das können wir nicht länger verantworten.“ Er wolle nun „ein 20-jähriges Versprechen einlösen“, so Lauterbach diese Woche in der Bundespressekonferenz.
Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist Deutschland in der Tat alles andere als „Spitze“; seit Jahrzehnten werde versucht, „flächendeckende digitale Gesundheitsakten einzuführen, damit Ärzte, Forscher und Unternehmen auf Behandlungsdaten zurückgreifen können. Bisher existiert diese Akte aber nur für einen sehr kleinen Teil der Patienten“, heißt es im „Handelsblatt“. Lauterbach müsse nun gelingen, was keinem seiner Vorgänger gelungen sei - und er müsse Widerstände brechen, die sich bereits ankündigten. Sonst lande auch er in der Digitalisierungs-Falle.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) begrüßt einer Mitteilung zufolge Reformvorschläge für die Notfallversorgung, die die „Kommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ der Bundesregierung entwickelt hat. So schlägt die Kommission unter anderem vor, eine integrierte Leitstelle (INL) als Weiterentwicklung der Notfall-Hotlines 112 und 116117 mit telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung sowie Integrierter Notfallzentren (INZ) einzuführen. INZ sollen nach den Plänen der Regierungskommission an rund 420 Krankenhäusern der Notfallversorgungsstufen 2 und 3 aufgebaut und vom jeweiligen Krankenhaus gemeinsam mit der regionalen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) betrieben werden. Die DGIM sieht laut ihrer Mitteilung in den Vorschlägen der Regierungskommission für die Notfallversorgung „ein wirksames Konzept, um Patientenströme sinnvoll und nach medizinischen Qualitätskriterien in die richtigen Versorgungsstrukturen zu leiten und so die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten“. Von einer demnach schnelleren Versorgung würden vor allem die Patientinnen und Patienten profitieren.
Der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrates Professor Ferdinand Gerlach hält die Vorschläge der Kommission offenbar für weniger gelungen, wie ein Interview mit der „Presseagentur Gesundheit“ deutlich macht. Seiner Ansicht nach handelt es sich lediglich um „ein Bruchstück einer umfassenden Reform der Notfallversorgung“. Gerlach: „In unserem Gutachten, in dem wir den Begriff der Integrierten Notfallzentren erstmalig prägten, haben wir betont, dass die Zentren tatsächlich integriert sein müssen. In ihnen soll die bestehende Mauer zwischen den Sektoren eben nicht unverändert stehen bleiben. Wir wollten die Zentren zu eigenständigen Einrichtungen mit eigener Rechtsform und Finanzierung machen, die von Krankenhäusern und KVen gemeinsam betrieben werden. Die Regierungskommission, in der kein einziger Niedergelassener vertreten ist, schaut mit der Krankenhausperspektive darauf und schlägt faktisch vor, dass die Krankenhäuser den Hut aufhaben. Das halte ich für falsch.“
Der Trend der letzten Jahre in der ambulanten Versorgung setzt sich weiter fort: Die reine Zahl an niedergelassenen Ärztinnen, Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist zwar nach Köpfen gestiegen – die Ressource Zeit bleibt aber nach wie vor knapp. Die Arztzahlstatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für das Jahr 2022 weist zudem aus: Der Frauenanteil in der ambulanten Versorgung liegt erstmals bei über 50 Prozent.
Laut Bundesarztregister nahmen im vergangenen Jahr 185.298 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Gegenüber 2021 hat sich die Anzahl von Ärzten und Psychotherapeuten nach Köpfen um 1.962 erhöht – ein Plus von 1,1 Prozent (bei Ärzten plus 0,4 Prozent, bei Psychologischen Psychotherapeuten plus 4,1 Prozent).
Die überwiegende Mehrheit der Niedergelassenen ist nach wie vor „klassisch“ in der eigenen Praxis tätig. Allerdings wählen Ärzte und Psychotherapeuten zunehmend flexiblere Arbeitsformen und entscheiden sich für eine Anstellung oder eine Teilzeitbeschäftigung statt eines vollen Versorgungsauftrags in eigener Niederlassung. Die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte lag 2022 bei 46.109. Das ist seit 2012 ein Plus von 141 Prozent. In Teilzeit waren im vergangenen Jahr 57.793 Ärzte und Psychotherapeuten tätig (2021: 53.483) – seit dem Jahr 2012 eine Steigerung von 285 Prozent.
Bei einzelnen Fachgruppen wie Nervenärzten (plus 1,9 Prozent), Kinder- und Jugendpsychiatern (plus 1,8 Prozent), Augenärzten (plus 0,4 Prozent), Kinderärzten (plus 0,3 Prozent) und Psychotherapeuten (plus 0,2 Prozent) sind Zuwächse zu verzeichnen. Die Zahl der Hausärzte sank leicht (minus 0,3 Prozent). Der Frauenanteil bei Ärzten und Psychotherapeuten wächst kontinuierlich. 2022 erreichte er erstmals über 50 Prozent – nach wie vor am höchsten ist er bei den Psychologischen Psychotherapeuten (76,8 Prozent). Ein Trend ist unverkennbar: Je jünger Ärzte und Psychotherapeuten sind, desto höher ist der Frauenanteil. Das Durchschnittsalter der Ärzte und Psychotherapeuten ist fast gleich geblieben (54,2 im Jahr 2022 und 54,1 im Jahr 2022).
Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) will, wie sie mitteilt, „verstärkt Signale für mehr Genderparität setzen. Namensgebung, Kongressvorsitze, Führungspositionen –was die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft bereits geändert hat und noch anstoßen will, erläutert DGCH-Generalsekretär Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen. Aus Sicht des Chirurgen ist Genderparität erforderlich, um erfolgreich Nachwuchs gewinnen und die chirurgische Versorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Die 1872 in Berlin gegründete Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) zählt zu den ältesten medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Heute vereint sie unter ihrem Dach zehn chirurgische Disziplinen. Aktuell gehören etwa 6000 Mitglieder der DGCH an. „Davon sind 17 Prozent weiblichen Geschlechts“, erläutert Thomas Schmitz-Rixen. Diese Quote sei ausbaufähig, der Proporz verbesserungswürdig. „Vor diesem Hintergrund haben wir beispielsweise unsere Jahrestagung von ‚Deutscher Chirurgen Kongress‘ in ‚Deutscher Chirurgie Kongress‘ umbenannt“, erläutert Schmitz-Rixen. Aber auch personell solle die Geschlechterparität auf dem kommenden Kongress (26. bis 28. April 2023 in München), stärker sichtbar werden. „Alle kongressbeteiligten Fachgesellschaften, Verbände, Sektionen und Arbeitsgemeinschaften sind aufgefordert, die Vorsitze der Sitzungen gendergerecht 1:1 zu besetzen“, so Schmitz-Rixen. Solche Signale seien auch notwendig, um in der Nachwuchsgewinnung erfolgreich zu sein. Denn im Studienfach Humanmedizin sehe die Zukunft überwiegend weiblich aus: Mit 64 Prozent waren rund zwei Drittel aller Immatrikulierten im Wintersemester 2021/2022 Frauen.
Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat vor wenigen Tagen Dr. Andreas Gassen erneut zum Vorstandsvorsitzenden und Dr. Stephan Hofmeister wieder zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden gewählt. Neu im Führungsteam ist Dr. Sibylle Steiner. Sie st seit 2008 bei der KBV. Bis 2013 leitete sie die Abteilung Arzneimittel. Von 2013 bis 2023 war sie Dezernentin im Dezernat Ärztliche und veranlasste Leistungen. Zwischenzeitlich leitete sie außerdem die bereichsübergreifende Corona-Pandemie-Task Force. „Dass wir in Deutschland trotz aller Probleme über eines der weltweit leistungsfähigsten Gesundheitssysteme verfügen, ist nicht nur, aber sehr stark dem ambulanten System mit niedergelassenen Praxen zu verdanken. Das hat sich insbesondere auch bei der Bewältigung der Corona-Pandemie gezeigt. Und dieses System gilt es weiter zu entwickeln und zukunftsfest zu machen“, sagte sie.
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