Üblicherweise nutzt die Bundestagsopposition Haushaltsdebatten zur Generalabrechnung mit der Regierung. Bei der Abstimmung über den Einzelplan 15 Gesundheit am 2. Juni ist das nicht anders. Die CDU/CSU hält dem zuständigen Minister Prof. Karl Lauterbach (SPD) seine Versäumnisse vor. Mit 64,4 Milliarden Euro beschließt das Parlament den bisher größten Gesundheitsetat in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der Minister kann nur Corona. Und das nicht mal besonders gut. Diesen Vorwurf muss sich Lauterbach quasi seit Amtsantritt anhören. Die Abschlussdebatte zum Etat 2022 seines Ressorts bildet da keine Ausnahme. „Wann kommt das GKV-Finanzierungsgesetz? Wann kommt das Gesetz zur Triage? Wann kommt das neue Gesetz, mit dem wir die Digitalisierung voranbringen?“, will der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge, wissen. Er höre immer nur große Worte, auf die nichts folge. „Ich weiß nicht, ob es gut ist, vom Angstminister zum Ankündigungsminister zu werden.“ Vor ihm teilt sein Fraktionskollege Prof. Helge Braun aus: Der Einzelplan 15 lasse alle wesentlichen Zukunftsfragen unseres Gesundheitssystems unbeantwortet. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses spricht nicht nur das für 2023 prognostizierte GKV-Defizit von 17 Milliarden Euro an, sondern auch die Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung und der Krankenhäuser. Stephan Pilsinger (CSU) bilanziert ätzend: „Null Gesetzentwürfe zur nachhaltigen Gestaltung unseres Gesundheitssystems sind einfach zu wenig, Herr Minister.“ Auch dessen Führungs- und Kommunikationsstil lasse zu wünschen übrig, meint Pilsinger: „Er geht seinen Beamten aus dem Weg, kommt fast nie in den Gesundheitsausschuss und hat seinen Pressesaal in das TV-Studio von Markus Lanz verlegt.“ Es sind die altbekannten Vorwürfe, die jetzt auch im Umfeld des BMG lauter werden.
Corona macht den Haushalt fett
Lauterbach findet: „Das ist ein Haushalt der Krise: der Pandemiekrise, der Krisen im Gesundheitssystem.“ Ursprünglich waren für sein Ressort 52,6 Milliarden vorgesehen und das waren bereits 2,7 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Dietrich Monstadt (CDU) gibt dem Minister sogar recht, aber: „Er ist vor allem ein Haushalt der Krise Ihres Hauses.“ Der Großteil der zusätzlichen Ausgaben ist allerdings pandemiebedingt: Fast die Hälfte, 30 Milliarden Euro, geht allein für Bundesleistungen an den Gesundheitsfonds zur Kompensierung der durch Corona verursachten Belastungen drauf – ein Anstieg um 8,3 Milliarden Euro. Darin enthalten sind unter anderem die Kosten für Corona-Tests (3,9 Milliarden Euro). Die Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser wachsen um 1,1 auf 5,7 Milliarden Euro an. Die Impfstoff-Beschaffung kostet den Steuerzahler 7,1 Milliarden Euro, ein Plus von 830 Millionen Euro. Für den Corona-Pflegebonus wird eine Milliarde Euro ausgegeben.
Pflegeversicherung kommt ohne Finanzhilfe nicht aus
1,2 Milliarden Euro fließen in den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung für durch die Pandemie verursachte Belastungen. Wie aus dem Regierungsentwurf hervorgeht, schlagen die Ausgaben für Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung mit 2,1 Milliarden Euro zu Buche (2021: 84,9 Millionen Euro). Für die Prävention und die Gesundheitsverbände sind 8,5 Milliarden Euro in den Regierungsentwurf eingestellt gegenüber 14 Milliarden Euro 2021. Darin enthalten sind auch noch einmal 6,3 Milliarden Euro als Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen Corona (2021: 8,9 Milliarden Euro) und 1,9 Milliarden Euro als Zuschüsse zur Bekämpfung des Virus (2021: 4,1 Milliarden Euro).
Immerhin stellt der "Ankündigungsminister" Lauterbach sechs Punkte für eine Corona-Herbststrategie in Aussicht. Ein neues Infektionsschutzgesetz werde kommen, vulnerable Gruppen sollen besser behandelt werden, ein neues Testkonzept stehe an. Medikamente gegen Corona sollen effektiver eingesetzt werden. Außerdem verspricht Lauterbach eine Verbesserung der Datenlage. Kernpunkt ist aber ein Impfkonzept. Für alle Varianten, die auftreten könnten, soll es das passende Vakzin geben. Aber: „Das wird auch dazu führen, dass wir Impfstoff vernichten müssen“, so Lauterbach. Ein Impfregister, wie von der Union per Antrag gefordert, erwähnt er nicht.
Cannabis, Präventionsplan, gematik
Die Ampelvertreter heben noch diverse Schlaglichter des Einzelplans hervor. „Mit dem Nationalen Präventionsplan bringen wir Maßnahmenpakete auf den Weg, die im Bereich Sucht, Einsamkeit, Wiederbelebung, Zahngesundheit der alten Menschen wichtige Maßnahmen möglich machen“, kündigt Dr. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, an. 200.000 Euro sind für diesen Plan im Haushaltsentwurf veranschlagt. Seine Fraktionskollegin, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, macht sich für die Cannabis-Legalisierung stark. Für diese seien eine Million Euro für „begleitende Maßnahmen“ eingestellt. Svenja Stadler (SPD) spricht die Umwandlung der gematik an: „Wir investieren eine Million Euro für den Aufbau einer digitalen Gesundheitsagentur. Die soll nicht nur Daten sammeln, sondern auch Möglichkeiten bieten, besser vorbereitet zu sein.“ Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist der FDP eine Herzensangelegenheit, betont zumindest ihr Obmann im Haushaltsausschuss Karsten Klein. „McKinsey hat errechnet, dass uns die Digitalisierung im Prozess 42 Milliarden Euro Entlastung bringen könnte. Ob das am Ende generiert werden kann oder nicht, ist eine andere Frage.“
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise