Krebsvorsorge in Wellen: International verändert Corona die Inanspruchnahme der Screenings
- Dr. Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
International sind die Raten an Krebs-Früherkennungsuntersuchungen durch die Corona-Pandemie eingebrochen. Am stärksten ausgeprägt war der Rückgang zwischen März und Mai 2020 (1). Zum Teil gab es Einschränkungen von Seiten der Kliniken, aber auch die Nachfrage und die Wahrnehmung von Terminen durch Patienten waren geringer (2). Ein Screening-Niveau wie vor der Corona-Pandemie ist nicht erreicht, auch nicht in Deutschland (3). Befürchtet wird, dass Neudiagnosen fortgeschrittener Tumoren, die durch ein Screening vermeidbar gewesen wären, zunehmen werden und die Krebssterblichkeit steigt.
Hintergrund
In den ersten Monaten der COVID-19-Pandemie war die medizinische Versorgung in vielen Regionen der Welt eingeschränkt, vor allem bei Untersuchungen oder Therapien, die als medizinisch nicht dringlich bewertet wurden. Betroffen waren zum Beispiel die HIV-Prävention und -Diagnostik. Im Bereich der Onkologie ging das Screening zurück, Operationen wurden verzögert oder Fraktionierungsschemata der Radiotherapie verändert. Das galt auch für Deutschland (2). In einem systematischen Review mit Metaanalyse ist nun untersucht worden, wie sich die Situation weltweit entwickelt hat (1).
Design
- Einschlusskriterien: internationale Beobachtungsstudien und Analysen aus Krebsregistern, sofern sie eine aussagekräftige Zahl von Untersuchungen vor und in der SARS-CoV-2-Pandemie (Januar 2020 bis Oktober 2020) einschlossen
- Studienregionen: USA und Kanada, Südamerika mit Brasilien, Mexico, Peru und Uruguay, Europa mit Italien, Frankreich, Großbritannien und der Türkei
- Ausgewählte Studien: 39 Studien zu Screenings auf Mammakarzinome, Kolorektalkarzinome und Gebärmutterhalskrebs
Hauptergebnisse
- Mammakarzinom: Bei den Brustkrebsscreenings gab es zwischen Januar und Oktober 2020 einen Rückgang um 46,7 % in der Ära von COVID-19 im Vergleich zu den letzten Jahren davor.
- Im April 2020 betrug der Rückgang sogar 74,3 %.
- Ab Juni 2020 bis zum Oktober lag der Unterschied noch bei -13 % im Vergleich zur Vor-Corona-Ära.
- Kolorektale Karzinome: Die Screeninguntersuchungen zum Darmkrebs (Test auf okkultes Blut im Stuhl, immunchemischer Test an Fäzes, Kolonoskopie) reduzierten sich um 44,9 % im Vergleich zur Ära vor COVID-19 und speziell die koloskopische Diagnostik um 52,5 %.
- Europa hatte mit –52,4 % den stärksten Rückgang bei der Darmkrebsvorsorge zu verzeichnen (alle Arten von Screenings auf Darmkrebs).
- Auch hier war das Maximum im April 2020 mit –69,3 %.
- Zwischen Juni und Oktober 2020 gab es immer noch ein Minus von 23,4 % im Vergleich zur präpandemischen Ära.
- Zervixkarzinom: Bei der Früherkennung des Zervixkarzinoms wurde insgesamt ein Rückgang um 51,8 % verzeichnet mit einem Maximum im März 2020 (-78,8 %).
- Zwischen Juni und Oktober betrug der Rückgang noch circa 18 %.
Klinische Bedeutung
International sind die Raten bei den Krebs-Früherkennungsuntersuchungen mit der ersten weltweiten SARS-CoV-2-Welle ab Mitte Februar bis Mai/Anfang Juni 2020 stark eingebrochen. Zwar wurden Screenings ab der 2. Jahreshälfte 2020 wieder stärker in Anspruch genommen, sie erreichten aber nicht das Niveau vor der Corona-Pandemie. Es gab damit keine Nachholfeffekte. Das internationale Studienteam rät zu Kampagnen, um die Menschen über die Bedeutung der Screenings zu informieren. Es müsse mit wiederansteigenden Raten fortgeschrittener und nicht heilbarer Krebserkrankungen gerechnet werden, vor allem bei den kolorektalen Karzinomen.
Einer Sonderanalyse der DAK-Gesundheit zufolge wurden nach einem starken Abfall der Screenings 2020 im ersten Halbjahr 2021 in Deutschland wieder circa 12 % mehr Screenings durchgeführt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Besonders stark war die Zunahme beim Brustkrebs-Screening. Insgesamt lag die Inanspruchnahme von Krebsvorsorgeuntersuchungen 2021 dennoch mit einem Minus von 12 % unter dem Niveau vor Corona von 2019.
Finanzierung: öffentliche Mittel
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