Krebs-Kranke: Suizid-Risiko trotz vieler Fortschritte weiterhin erhöht
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Die Diagnose Krebs ist für die Betroffenen meist extrem belastend. Die Folge sind psychische Störungen, insbesondere Depressionen. Und trotz vieler Fortschritte in der Onkologie haben Krebs-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein weiterhin deutlich höheres Risiko für einen Suizid. Diese bestätigt nun eine Metaanalyse von Forschern um Michael Heinrich vom Universitätsklinikum Regensburg und Privatdozentin Dr. Dr. Corinna Seliger-Behme vom Universitätsklinikum Heidelberg. Sie empfehlen daher psychoonkologische Unterstützung als frühen und festen Bestandteil der Therapieplanung. Die Ergebnisse der Metaanalyse sind im Fachmagazin „Nature Medicine“ erschienen.
Das Team um Heinrich und Seliger-Behme hat 28 Studien mit rund 22 Millionen Tumor-Kranken ausgewertet. Die Berechnungen ergaben ein fast zweifach erhöhtes Suizid-Risiko der Krebs-Patienten (standardisierte Mortalitätsrate 1,85; 95 % CI, 1,55-2,20). Das Risiko steht der Metaanalyse zufolge in engem Zusammenhang mit verschiedenen Risikofaktoren wie Prognose der Krebserkrankung, Krankheitsstadium, Zeit seit der Krebsdiagnose, Familienstand oder Wohnort. „Patientinnen und Patienten mit einer prognostisch besonders ungünstigen Krebserkrankung und solche, deren Krebsdiagnose weniger als ein Jahr zurücklag, zeigten in unserer Studie ein 3,5 bzw. 3-fach erhöhtes Suizid-Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Ein auffällig hohes Suizid-Risiko war zudem bei Krebs-Patienten in den USA im Vergleich zu europäischen Krebs-Patienten zu beobachten“, so Corinna Seliger-Behme in einer Mitteilung der Universitäten. „Eine mögliche Erklärung kann in der nicht flächendeckend vorhandenen gesetzlichen Krankenversicherung in den USA gesehen werden. Eine Krebserkrankung ist für amerikanische Patienten daher besonders häufig mit hohen finanziellen Belastungen verbunden und einem erschwerten Zugang zu Hilfsangeboten wie einer psychologischen Beratung“, erklärt Professor Dr. Dr. Michael F. Leitzmann, Direktor des Instituts für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg.
Auch der Familienstand hat Auswirkungen: Verheiratete Krebs-Patienten wiesen eine niedrigere Suizid-Sterblichkeit auf als unverheiratete alleinlebende Krebs-Patienten. Ein Partner kann offenbar eine Stütze bei der Bewältigung einer Krebsdiagnose sein.
Wichtig für die Suizid-Prävention ist eine psychoonkologische Begleitung, die Wege aufzeigen kann, mit Ängsten und Belastungen umzugehen und neue Perspektiven zu entwickeln. „Ein Suizid kann häufig verhindert werden, wenn entsprechende Gedanken offen angesprochen werden und frühzeitig eine psychoonkologische oder sogar psychotherapeutische Betreuung eingeleitet wird. Der Zugang zu professioneller psychoonkologischer Begleitung und Nachsorge sollte daher ein integraler Bestandteil jeder Krebstherapie sein“, sagt Oberarzt Dr. Till Johannes Bugaj, Leiter des psychoonkologischen Beratungsdienstes am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg.
Erhöhtes Risiko für Selbstverletzungen
Wie wichtig eine psychologische Betreuung von Tumor-Kranken ist, zeigt auch eine weitere Studie, die ebenfalls im Fachmagazin „Nature Medicine“ erschienen ist. Wai Hoong Chang und Alvina G. Lai vom University College London haben für diese Studie Krankenakten von rund 460.000 Menschen mit 26 verschiedenen Krebsarten ausgewertet. Depressionen waren mit einer Prävalenz von fünf Prozent die häufigste psychische Störung bei Krebs-Kranken. Patienten, die eine Chemotherapie, Strahlentherapie und Operation erhielten, hatten die höchste kumulative Belastung durch psychische Störungen. Auch die Chemotherapie allein war mit hohen Raten psychischer Störungen verbunden; Patienten mit „Kinasehemmern", die oft weniger Nebenwirkungen haben - hatten die niedrigsten Raten.
Alle psychischen Erkrankungen waren mit einem erhöhten Risiko für Selbstverletzungen verbunden, wobei das höchste Risiko innerhalb von 12 Monaten nach der Diagnose der psychischen Erkrankung zu beobachten war. Etwa ein Prozent der Gruppe hatte sich nach der Diagnose selbst verletzt; am häufigsten war dies bei Patienten mit Hirntumoren, Prostatakrebs, Hodgkin-Lymphom, Hodenkrebs und Melanom.
Bei Patienten, die sich selbst verletzten, war die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 12 Monaten nach der Selbstverletzung an einer unnatürlichen Todesursache zu sterben, fast sieben Mal höher als bei Personen einer Kontrollgruppe (Hazard Ratio 6,8). Etwa ein Viertel der Krebs-Patienten hatte der Studie zufolge eine pschsche Störung durch Drogenmissbrauch. Die psychischen Probleme, einschließlich des Drogenmissbrauchs, nahmen im Laufe der Zeit keineswegs ab, sondern sogar noch zu, auch noch Jahre nach der Diagnose.
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