„Krankes“ Fettprofil: ein Maßstab zur gezielten Ernährungsumstellung?

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten. Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten.

Von Dr. Jürgen Sartorius

Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes unterscheiden sich offenbar im Lipidom von Menschen, die diese Krankheiten nicht haben. 69 verschiedene Lipide kämen bei Erkrankten vermehrt vor, berichten Wissenschaftler vom Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam im Fachjournal „Circulation“.

Da sich das Vorkommen einiger dieser Lipide durch eine geeignete Ernährungsumstellung positiv verändern lässt, sehen die Autoren um Dr. Fabian Eichelmann auch Möglichkeiten zur Anwendung ihrer Erkenntnisse für die Prävention.

Diese Erkenntnisse basieren auf Daten der Kohortenstudie European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC), die regelmäßig Gesundheitsdaten und Blutproben von 27.548 Personen im Alter von 35-65 Jahren erfasst, die in der Gegend um Potsdam leben. Eichelmann und seine Kollegen nutzten die Studiendaten, um zwei krankheitsspezifische Fallgruppen zu bilden.

Patientengruppen aus der EPIC-Kohorte

In der ersten Fallgruppe waren 551 Patienten mit primären kardiovaskulären Erkrankungen (CVD, tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall). Die 2. Fallgruppe bestand aus 775 Patienten mit Typ-2-Diabetes. Beiden Fallgruppen wurden aus der EPIC-Kohorte jeweils in Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Sozialstatus angepasste Teilnehmer als Kontrollgruppe zugeordnet.

„Diese Arbeit beleuchtet interessante molekulare Mechanismen, die dazu beitragen könnten, die physiologischen bzw. pathophysiologischen Vorgänge im Lipidstoffwechsel in Bezug auf das Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiter aufzuklären“, kommentiert der Ökotrophologe Prof. Nicolai Worm (München).

69 Lipide mit kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes assoziiert

In Blut und Gewebe kommen ernährungsbedingte und endogen erzeugte Fettsäuren in freier Form oder als Teil komplexer Lipidmoleküle vor. Zusammen stellen sie das Lipidom des jeweiligen Gewebes dar.

Die Forschungsgruppe um Eichelmann analysierte das Blutplasma der Probanden mittels Hochdurchsatz-Spektrometrie. Von den 940 humanen Fettsäuren, die sie fanden, unterschieden sich 69 zwischen Personen mit und ohne kardiovaskuläre Erkrankungen bzw. Typ-2-Diabetes.

Acht der 69 Lipide kamen sowohl bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen als auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes vermehrt vor. Nur bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen häufiger waren 49 Lipide und nur bei Patienten mit Typ-2-Diabetes in größerer Fülle vorhanden waren 12 Lipide.

Jede Erkrankung hat spezifische Lipide

Mit beiden Erkrankungen in Verbindung gebracht wurden Monoacylglycerine und FS16:0 und FS18:0 (gesättigte Fettsäuren) in Diacylglycerinen. Cholesterinester, freie Fettsäuren und Sphingolipide waren dagegen weitgehend CVD-spezifisch. Mehrere (Glycero-) Phospholipide gingen mit Typ-2-Diabetes einher. Die meisten dieser Lipide, die in den Patientengruppen vermehrt nachgewiesen wurden, waren kurzkettiger und gesättigt (z.B. FS16:0) oder enthielten nur wenige Doppelbindungen.

Von einigen der so ermittelten Lipide zeigte eine weitergehende Untersuchung, dass ihr Vorkommen durch eine geeignete Ernährungsumstellung positiv verändert werden konnte.

Präventiver Effekt durch Modifikation der Fettaufnahme?

Eichelmann und seine Kollegen werteten Blutanalysen aus einer früher durchgeführten randomisiert-kontrollierten Diät-Interventionsstudie (Dietary Intervention and VAScular Function, DIVAS) aus. Darin wurde die Wirkung einer isoenergetischen Ernährung auf 19 risikoassoziierte Lipide untersucht. Hier waren 2 der Lipide mit beiden Erkrankungen assoziiert, während 12 nur mit CVD und 5 nur mit Typ-2-Diabetes in Verbindung standen.

In der DIVAS-Studie verzehrten 113 gesunde Teilnehmer über 16 Wochen entweder eine Ernährung, die reich an gesättigten Fettsäuren (Kontrolle), oder aber reich an einfach ungesättigten Fettsäuren (z.B. FS18:1) aus Raps- und Olivenöl war oder eine mit Distelöl angereicherte Mischung aus einfach ungesättigten Fettsäuren und mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren.

DIVAS zeigt potenziell günstige Wirkung der Ernährungsumstellung

Die Auswertung der DIVAS-Daten zeigte: 17 der 19 risikoassoziierten Lipide können durch eine Ernährung, die reich an ungesättigten Fettsäuren ist, in eine Richtung beeinflusst werden, die mit einer potenziell günstigen Wirkung auf das langfristige kardiometabolische Risiko einhergehen könnte.

So verringerte zum Beispiel die an einfach ungesättigten Fettsäuren reiche Ernährung den Diacylglycerin-Spiegel (FS16:0) um 0,4 (95%-KI 0,5-0,3) SD-Einheiten und erhöhte den Triacylglycerin-Spiegel (FS22:1) um 0,5 (95%-KI 0,4-0,7) SD-Einheiten.

„Allerdings bleibt dabei unklar, welche der verschiedenen detektierten Lipide für die genannten Erkrankungen tatsächlich Relevanz besitzen. Im Endeffekt handelt es sich bei den Ergebnissen nur um Assoziationen, die prinzipiell kausale Ableitungen verbieten“, relativiert Worm die Zusammenhänge.

Das Ergebnis der Analyse lässt Raum für Interpretation

Eichelmann und Kollegen schließen aus diesen Ergebnissen allerdings durchaus, dass mit der gezeigten Modifikation der Fettaufnahme das Risiko für kardiometabolische Erkrankungen positiv verändert werden könnte. Sie sprächen dafür, dass „der Ersatz gesättigter Fettsäuren durch ungesättigte Fettsäuren ein potenzielles Mittel zur Primärprävention von Krankheiten sein könnte“.

Worm dagegen hält es nicht für angebracht, aus diesen Daten konkrete Ernährungsempfehlungen abzuleiten: „Relevant sind nur Effekte einer solchen Ernährungsintervention auf klinisch harte Endpunkte.“ Und er konstatiert: „Die gesundheitlichen Auswirkungen eines Lebensmittels sind viel komplexer als die von einzelnen Nährstoffen. Die Struktur und Interaktion aller enthaltenen Nähr- und bioaktiven Wirkstoffe beeinflussen Absorption, Verdauung und Stoffwechsel.“

Ernährungsempfehlungen besser auf Basis ganzer Lebensmittel?

Der Münchner Ökotrophologe und Autor von Ernährungsratgebern erklärt, dass in Lebensmitteln mit natürlicherweise höherem Gehalt an gesättigten Fettsäuren deren Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko durch Interaktionen mit begleitenden Inhaltstoffen der Lebensmittel-Matrix moduliert werde, die ihrerseits das Risiko beeinflussten.

„Deshalb sollten die Forschungen eher in Richtung von Lebensmittel-basierten Empfehlungen vorangetrieben werden, da sie pragmatischer und einfacher umsetzbar sind“, betont er.    

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Medscape.de.