Kostenfaktor Evidenz
- Presseagentur Gesundheit (pag)
- Im Diskurs
Alle wollen evidenzbasierte Entscheidungen in der Therapie. Aber diese haben ihren Preis. Auf dem Berliner Forum der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wird darüber diskutiert, wie mittels Leitlinien mehr Evidenz in die Versorgung kommen kann. Weitere Themen am 27. April sind gesetzliche Register und das Forschungsdatenzentrum.
Der finanzielle und personelle Aufwand für die Erarbeitung hochwertiger Leitlinien ist enorm und übersteigt zunehmend die vorhandenen Ressourcen selbst großer Fachgesellschaften. Über 3.000 Personen sind ehrenamtlich in der Leitlinienerstellung aktiv, berichtet Dr. Monika Nothacker, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der AWMF. Allein die Erstellung der S3-Leitlinien koste 30 Millionen Euro im Jahr. Seit 2020 stellt der Innovationsfonds für die Entwicklung und Implementierung von Leitlinien jährlich fünf Millionen Euro zur Verfügung. „Die mit am besten angelegten fünf Millionen im Innovationsfonds“, findet der Vorsitzende des Innovationsausschusses Prof. Josef Hecken. Aber diese Summe gehört zu den kleineren Ausgabenposten der Innovationsfonds-Fördersumme von insgesamt 200 Millionen Euro jährlich.
Mehr Sicherheit durch gute Leitlinien
Mit mehr Leitlinienwissen sollen Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit ausgebaut und in Therapiegebiete vorgestoßen werden, in denen es heute keine oder nur Leitlinien mit niedriger methodischer Legitimation gibt. „Diese Finanzierung nimmt natürlich keinen Einfluss auf die fachlichen Inhalte der Leitlinien“, betont Hecken. Bislang seien in zwei Auswahlrunden 41 von 62 beantragten Projekten ausgewählt und mit 12,7 Millionen Euro gefördert worden. Zwei Schwerpunkte sind seltene Erkrankungen mit 15 Projekten sowie die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei komplexen Behandlungsbedarfen mit acht Projekten. Die Fachgesellschaften seien „froh und dankbar“ über die Förderung aus dem Innovationsfonds, sagt Nothacker, „aber es ist nicht die Mehrheit der Aufwände, die gefördert werden“.
Damit Ärzte die Leitlinien lesen, müssen sie Hecken zufolge „auf Knopfdruck“ sehen, was der letzte Stand bei den europäischen und deutschen Leitlinien ist. Bei der nächsten Förderbekanntmachung soll darum ein Projekt zur Digitalisierung von Leitlinien unter Federführung der AWMF ausgeschrieben werden.
BfArM will „Enabler“ werden
Im Laufe des Sommers soll nach einigen Verzögerungen das Forschungsdatenzentrum (FDZ) an den Start gehen, verkündet Prof. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Bisher sei der Zugang zu den Daten stark reguliert gewesen. „Hier schalten wir jetzt völlig um“, man sehe sich nicht mehr nur als „Gatekeeper“ sondern als „Enabler“. In diesem Geiste soll die neue Einrichtung „nutzerfreundlich für die Forscher“ werden. Die Nutzung der Informationen wird akademischen Zentren vorbehalten bleiben. Die Industrie soll laut Broich „erst mal außen vor“ bleiben. Auch das BfArM selbst könne nicht einfach auf die Daten zugreifen, sondern müsse mit wissenschaftlichen Einrichtungen kooperieren. Bis bei der Entwicklung des FDZ skandinavische oder britische Standards erreicht werden, werde es noch fünf bis sechs Jahre dauern.
Register dürfen keine Datenfriedhöfe werden
Mit vier gesetzlichen Registern ist Deutschland aus Sicht des stellvertretenden AWMF-Präsidenten Prof. Hennig Schliephake „nicht schlecht aufgestellt“. Die bürokratischen Hürden für eine Nutzung und Auswertung der Daten seien derzeit allerdings noch so hoch, „dass die Gefahr besteht, dass hier riesige Datenfriedhöfe entstehen, deren großes Potenzial für die Gesundheitsforschung ungenutzt bleibt“. Um eine unabhängige Finanzierung der klinischen Forschung zu gewährleisten, schlagen die Fachgesellschaften einen Fonds der nationalen Gesundheitswirtschaft vor.
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