Kolorektalkarzinom bei älteren Menschen: Immer Chemo?

  • Jim Kling
  • Medizinische Nachrichten
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Zwei neue Studien deuten auf die Grenzen der adjuvanten Chemotherapie bei älteren Erwachsenen mit Kolorektalkarzinom im Stadium 3 hin. In einer multizentrischen Machbarkeitsstudie der Phase II ergab sich eine Abschlussrate von 67,3 %, während eine prospektive Studie ergab, dass der Abschluss mit einem verbesserten krankheitsfreien Überleben assoziiert war. Beide Studien wurden kürzlich auf dem ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2023 vorgestellt.

In HiSCO-04 stellten japanische Forscher fest, dass von 64 älteren Patienten mit Kolorektalkarzinom im Stadium 3A, die sich einer adjuvanten Chemotherapie unterzogen, 53 % die Behandlung mit einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens abschlossen. Patienten, die eine adjuvante Chemotherapie abschlossen, wiesen ein besseres krankheitsfreies Überleben auf (p = 0,03), während das Überleben bei denjenigen, die keine adjuvante Chemotherapie erhielten, niedriger und bei denjenigen, welche die adjuvante Chemotherapie abbrachen, am niedrigsten war.

„Die Ergebnisse zeigten, dass eine adjuvante Chemotherapie für ältere Patienten nicht immer empfohlen wird und dass Patienten, welche die Behandlung abschließen können, möglicherweise eine bessere Überlebensprognose haben. Die Ergebnisse geben jedoch keinen Aufschluss darüber, welche Patienten die Chemotherapie nicht abschließen können, und es wird notwendig sein, Patienten zu identifizieren, die eine Chemotherapie nicht vertragen“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. Dr. med. Manabu Shimomura, Assistenzprofessor für gastroenterologische und Transplantationschirurgie an der Graduate School of Biomedical and Health Sciences der Universität Hiroshima in Japan.

In die Studie, die zwischen 2013 und 2021 durchgeführt wurde, wurden 214 Patienten (99 Männer und 115 Frauen im Alter von 80–101 Jahren) aufgenommen, deren Krebserkrankung im Stadium 3 war (27 Fälle 3A, 158 Fälle 3B und 29 Fälle 3C). Für insgesamt 41 Patienten kam eine Chemotherapie nicht infrage. Von den übrigen Patienten erhielten 65 eine adjuvante Chemotherapie und 108 keine adjuvante Chemotherapie.

Das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren betrug 63,6 %, das Gesamtüberleben nach 3 Jahren 76,9 % und das rezidivfreie Überleben nach 3 Jahren 63,1 %. 36 Patienten starben an ihrem Kolorektalkarzinom, und 30 Patienten starben aufgrund anderer Ursachen. In 58 Fällen kam es zu einem Rezidiv, und während des 42,5-monatigen Nachbeobachtungszeitraums wurden sekundäre Krebserkrankungen in 17 Fällen beobachtet.

Es gab nur wenige Berichte über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, aber einige Fälle von Behandlungsabbrüchen waren auf unerwünschte Ereignisse zurückzuführen.

In einer zweiten Studie namens HiSCO-03, die von Dr. Shimomuras Gruppe vorgestellt wurde, unterzogen sich 65 Patienten (davon 33 Frauen) einer kurativen Resektion und erhielten fünf Zyklen Uracil-Tegafur und Leucovorin (UFT/LV).

Die Abschlussrate von 67,3 % wies eine 95 %-KI-Untergrenze von 54,9 % auf, womit die vordefinierten Schwellenwerte von 75 % für die Abschlussrate und 60 % für die Untergrenze unterschritten wurden. „Basierend auf den Ergebnissen einer früheren Studie (ACTS-CC, Phase III) haben wir den erwarteten Wert der UFT/LV-Therapie bei Patienten über 80 Jahren auf 75 % und den Schwellenwert auf 60 % festgelegt. Da die Zielaltersgruppe der vorherigen Studie 75 Jahre oder jünger war, kamen wir aus den Ergebnissen der aktuellen Studie zum Schluss, dass die UFT/LV-Therapie bei Patienten ab 80 Jahren weniger gut vertragen wird als bei höchstens 75-jährigen Patienten“, sagte Dr. Shimomura.

Die Rate des Behandlungsabschlusses war bei Männern höher als bei Frauen (77,6 % gegenüber 57,2 %; p = 0,06), ebenso wie die Rate eines Leistungsstatus von 0 gegenüber 1 oder 2 (74,3 % gegenüber 58,9 %; p = 0,10). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Anorexie (33,8 %), Diarrhö (30,8 %) und Anämie (24,6 %). Die mediane relative Dosisintensität betrug 84 % für UFT und 100 % für LV.

Herausforderungen bei der Behandlung älterer Patienten

Ob und wie ältere Patienten mit einem kolorektalen Karzinom behandelt werden sollten, ist nicht eindeutig. 20 % der Patienten mit einem kolorektalen Karzinom in den Vereinigten Staaten sind über 80 Jahre alt, aber laut Experten sollte jeder Fall einzeln beurteilt werden.

In einer Übersichtsarbeit zur Behandlung des Kolorektalkarzinoms bei älteren Erwachsenen aus dem Jahr 2015 schrieben Dr. Dr. med. Monica Millan vom Universitätsklinikum Joan XXIII im spanischen Tarragona und ihre Kollegen, dass die physiologische Heterogenität und Begleiterkrankungen die Behandlung älterer Patienten mit Kolorektalkarzinom erschwert.

„Alter an sich sollte kein Ausschlusskriterium für eine radikale Behandlung sein, aber es wird viele ältere Patienten geben, die Standardtherapien nicht vertragen oder nicht gut darauf ansprechen. Diese Patienten müssen vor dem Vorschlag einer Behandlung ordnungsgemäß beurteilt werden, und es sollte ein maßgeschneiderter, individualisierter Ansatz in einem multidisziplinären Umfeld angeboten werden“, schrieb Dr. Millan, Fachärztin für kolorektale Chirurgie.

Die Autoren schlagen vor, dass ältere Patienten in gutem Zustand ähnlich wie jüngere Patienten behandelt werden könnten, aber es bestehen weiterhin Unsicherheiten darüber, wie bei gebrechlichen älteren Erwachsenen mit Komorbiditäten vorzugehen ist.

„Die meisten älteren Krebspatienten dürften andere Prioritäten außer einfach der Verlängerung ihres Lebens haben. Umfragen haben ergeben, dass ihre größten Anliegen darin bestehen, nicht leiden zu müssen, ihre Beziehungen zu Angehörigen und Freunden zu stärken, geistig wach zu bleiben, anderen nicht zur Last zu fallen und das Gefühl zu erlangen, dass ihr Leben vollendet ist. Der Behandlungsplan sollte umfassend sein: krebsspezifische Behandlung, symptomspezifische Behandlung, unterstützende Behandlungsmodalitäten und Versorgung am Lebensende“, schrieben sie.

Die U.S. Preventive Services Task Force empfiehlt für Männer und Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren ein Screening auf Kolorektalkarzinom, während ein Screening für Patienten zwischen 76 und 85 Jahren hingegen nur von Fall zu Fall und auf Grundlage des allgemeinen Gesundheitszustands, der Screening-Vorgeschichte und der Präferenzen des jeweiligen Patienten durchgeführt werden sollte.

Die Inzidenzraten für Kolorektalkarzinom sind seit Mitte der 1980er Jahre rückläufig, weil das Screening von Erwachsenen ab 50 Jahren zugenommen habe, lässt die American Cancer Society verlauten. Ebenso sind die Mortalitätsraten von 29,2 % im Jahr 1970 auf 12,6 % im Jahr 2020 gesunken – was hauptsächlich auf das Screening zurückzuführen ist.

 

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf mdedge.com veröffentlicht.