Kognitive Beeinträchtigungen bei beatmeten Intensivpatienten nach früher Mobilisierung halbiert

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Funktionell unabhängige Patienten, die auf der Intensivstation mechanisch beatmet werden müssen, profitieren von einer möglichst früh einsetzenden Mobilisierung in Form einer Physio- und Ergotherapie. Patienten, die median ab 1,1 Tagen nach der Intubation übten, hatten nach 1 Jahr zu 24 % kognitive Beeinträchtigungen. Die regulär versorgten Patienten wurden erst nach 4,7 Tagen mobilisiert und waren 1 Jahr nach der Klinikentlassung zu 43 % kognitiv beeinträchtigt.

Hintergrund

Patienten, die mechanisch beatmet werden müssen, erleiden häufig lang anhaltende kognitive Beeinträchtigungen. Weil es dagegen bisher keine anerkannte Behandlung gibt, haben die Autoren der aktuellen Studie erkundet, ob eine frühe Mobilisierung kognitive Beeinträchtigungen und andere Behinderungen reduzieren kann.

Design

Unizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie mit Paralleldesign mit 200 Patienten, die auf der Intensivstation der University of Chicago behandelt wurden. Sie waren im Durchschnitt etwa 56 Jahre alt und zu 57 % männlich. Einschlusskriterien waren, dass die Teilnehmer anfänglich funktionell unabhängig waren (Barthel-Wert > 70) und weniger als 96 Stunden mechanisch beatmet worden waren, die Beatmung jedoch erwartungsgemäß noch mindestens 24 Stunden fortgeführt würde. Die Randomisierung erfolgte auf Frühmobilisierung mittels Physio- und Ergotherapie ab dem Zeitpunkt, wo die Sedierung unterbrochen wurde, oder die übliche Versorgung mit beiden Therapien nach Maßgabe der versorgenden Ärzte. Primäres Studienziel waren die per Montreal Cognitive Assessment gemessenen kognitiven Beeinträchtigungen 1 Jahr nach der Entlassung aus der Klinik, außerdem Muskelschwäche, funktionelle Unabhängigkeit und Lebensqualität.

Ergebnisse

  • Nach einem Jahr konnten 89 % der Patienten hinsichtlich ihrer Kognition getestet werden. In der Interventionsgruppe waren median 1,1 Tage zwischen der Intubation und der ersten Therapiesitzung verstrichen, unter der Standardversorgung waren es 4,7 Tage.
  • Kognitiv beeinträchtigt waren nach einem Jahr 24 % der früh mobilisierten Patienten, gegenüber 43 % mit der üblichen Versorgung. Die Differenz von – 19,2 Prozentpunkten hatte ein 95%-Konfidenzintervall von -32,1 bis – 6,3 und war statistisch signifikant (p = 0,0043).
  • Die Differenz hatte sich bereits bei der Entlassung aus der Klinik gezeigt. In der Interventionsgruppe hatte die Rate kognitiver Beeinträchtigungen 54 % getragen, unter der Standardbehandlung waren es 69 % (p = 0,029).
  • Eine, in der Intensivstation erworbene, Schwäche fand sich nach einem Jahr bei 14 % der regulär versorgten Patienten, dagegen bei keinem der Frühmobilisierten (p = 0,0001). Auch die physische Komponente der Lebensqualität war mit median 52,4 gegenüber 41,1 bei den Frühmobilisierten signifikant besser (p < 0,0001).
  • Keine signifikanten Unterschiede gab es nach 1 Jahr beim Anteil der Patienten, die funktionell unabhängig waren (65 vs. 62 %; p = 0,66) und bei der mentalen Lebensqualität (55,9 vs. 55,2; p = 0,98).
  • Während es bei der Standardversorgung in 38 Therapiesitzungen keine Nebenwirkungen gab, waren es bei den Frühmobilisierten 7 Ereignisse in 696 Therapiesitzungen. Darunter waren 3 hämodynamische Veränderungen und 2 Fälle von Atemnot, die zum Abbruch der Therapie zwangen.

Klinische Bedeutung

Die Befunde „betonen eindeutig die Wichtigkeit, Verzögerungen beim Beginn der Mobilisierung zu vermeiden“, so die Autoren. Die Frühmobilisierung könne die erste bekannte Intervention sein, um langfristige kognitive Beeinträchtigungen nach mechanischer Beatmung auf der Intensivstation zu verbessern. Die aufgetretenen Nebenwirkungen erforderten allerdings weitere Untersuchungen.

Finanzierung: Keine.