Kinder mit HIV aus der Ukraine: intensiver Versorgungsbedarf

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten. Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten.

Kernbotschaften

Die HIV-Prävalenz ist in der Ukraine deutlich höher als in Westeuropa, so dass mit Kriegsflüchtlingen zunehmend auch HIV-positive Schwangere und Kinder mit HIV in Deutschland behandelt werden. Die meisten Kinder mit HIV haben bereits in ihrem Herkunftsland eine effektive antiretrovirale Therapie erhalten. Schwangere mit positivem HIV-Status oder neu diagnostizierter Infektion sollten engmaschig betreut werden, auch, um eine Transmission auf das Kind zu verhindern.

Hintergrund

Die HIV-Prävalenz ist in der Ukraine vergleichsweise hoch, auch unter den osteuropäischen Ländern. In der Altersgruppe der 15-49jährigen Menschen der Ukraine sind 1 % HIV-positiv, im Nachbarland Moldau zum Beispiel 0,8 % (1, 2). Durch den Krieg sind die in der Ukraine aufgebauten HIV-Therapie- und -Präventionsprogramme zunehmend gefährdet oder schon lückenhaft, da Versorgungsstrukturen und Lieferketten unterbrochen sind (3). Mehr als 1 Million Flüchtende aus der Ukraine sind seit Februar 2022 in Deutschland registriert worden, mehr als 350.000 von ihnen Kinder. An der Universitätsmedizin Charité Berlin sind Forscherinnen und Forscher der Frage nachgegangen, wie HIV-infizierte Kinder in der Ukraine versorgt waren und ob sie Koinfektionen haben (4). Auch die Umstände einer vertikalen Transmission durch eine geflüchtete Schwangere werden berichtet.

Design

  • Fallserie von HIV-infizierten Kindern aus der Ukraine an der Universitätsmedizin Charité Berlin
  • detaillierte Analyse des Infektions- und Imfpstatus und Eruierung des psychosozialen Unterstützungsbedarfs

Hauptergebnisse

  • Zwischen Februar und November 2022 wurden 14 HIV-infizierte Kinder aus der Ukraine behandelt. Das Durchschnittsalter lag bei 14,5 Jahren.
  • Ursache aller Infektionen war eine Mutter-zu-Kind-Übertragung.
  • Die meisten Kinder (12/14) hatten bereits in ihrem Herkunftsland eine effektive antiretrovirale Therapie erhalten mit einem Dolutegravir-basierten Regime, zum Teil als Einzeltablette.
  • Die Viruslast lag bei den behandelten Kindern < 50 Viruskopien/ml und die mediane CD4-Zellzahl betrug 900/μl (100-1650/μl)
  • Es gab keine Hepatitis-B- oder C-Koinfektionen und keine Tuberkulose.
  • Bei den meisten Kindern war der Impfstatus unbekannt. Kein Kind hatte IgG-Antikörper gegen Hepatitis A und -B und die wenigsten gegen Masern, Mumps und Röteln. Hier bestand Nachholbedarf.
  • Ein Großteil der Kinder (10/14 Kinder) waren Waisen oder Halbwaisen und benötigten intensive psychosoziale Unterstützung.
  • Bei einer schwangeren Frau wurde eine HIV-Infektion neudiagnostiziert. Sie erhielt eine antiretrovirale Behandlung, hatte aber offenbar Adhärenzprobleme. Bei der Geburt in einer anderen Klinik war ihr HIV-Status nicht bekannt. Beim Kind wurde im Alter von 2 Monaten eine symptomatische HIV-Infektion diagnostiziert mit einer Viruslast von 1,1 Mio Kopien/ml.

Klinische Bedeutung

Durch eine vergleichsweise hohe HIV-Prävalenz in der Ukraine kombiniert mit einer lückenhaften Transmissionsprophylaxe schwangerer Frauen - teilweise wegen fehlenden HIV-Testmöglichkeiten - muss mit mehr pädiatrischen infizierten Patienten gerechnet werden. In einer Fallserie der Charité Berlin hatten die meisten HIV-positiven Kinder in ihrem Heimatland eine effektive antiretrovirale Therapie erhalten. Häufig ist eine intensive Betreuung erforderlich.

HIV-positive schwangere Frauen sollten möglichst engmaschig betreut werden, um eine vertikale Transmission zu verhindern.

Dass das Transmissionsrisiko durch antiretrovirale Prophylaxe und Maßnahmen wie elektive Sectio caesarea und Stillverzicht minimiert werden kann, belegen nicht zuletzt Zahlen aus Deutschland: Die HIV-Übertragungrate von Mutter zu Kind ist inzwischen auf <1 % gesenkt worden (5).