Ketamin hilft depressiven Patienten, negative Einstellungen zu überwinden

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

In einer kleinen Studie mit überwiegend schwer depressiven, behandlungsresistenten Patienten erzielt Ketamin weniger gute Ergebnisse als frühere Untersuchungen. Die Forscher fanden allerdings neue Hinweise auf den Wirkmechanismus, der sich grundlegend von dem anderer Antidepressiva unterscheidet: Offenbar führt Ketamin dazu, dass positive Informationen leichter aufgenommen werden als negative, sodass die Geisteshaltung insgesamt optimistischer wird.

Hintergrund

Ketamin, das als Narkosemittel aus der Notfallmedizin bekannt ist, wird in jüngster Zeit vermehrt wegen seiner antidepressiven Eigenschaften untersucht, die bereits bei subanästhesistischen Dosen binnen kurzer Zeit auftreten. Die Autoren der aktuellen Arbeit fragten nach dem Wirkmechanismus, insbesondere, inwiefern die halluzinogene, also „bewusstseinserweiternde“ Nebenwirkung die negative Einstellung der Patienten im Sinne eines „belief-updating“ beeinflusst.

Design

Beobachtungsstudie mit einem Fall-Kontroll-Design, bei der die Prüfärzte gegenüber der Behandlung nicht verblindet waren. Eingeschlossen wurden 56 Patienten (Durchschnittsalter 52,3 Jahre; 52 % männlich) mit behandlungsresistenten Depressionen oder Bipolarer Krankheit und einem Wert von mindestens 20 (Durchschnitt 37,1) auf der Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS).

Die Patienten in der experimentellen Gruppe erhielten 3 Ketamin-Infusionen binnen einer Woche. 24 Stunden vor der ersten Infusion sowie jeweils 4 Stunden nach der 2. und 3. Infusion wurden der MADRS bestimmt und ein Test gemacht, der in standardisierter Weise Veränderungen bei den Erwartungen bzw. der geistigen Einstellung der Patienten erfasste. Beispielsweise wurden sie gefragt, wie hoch sie die Wahrscheinlichkeit einschätzen, an Krebs zu erkranken. Die Kontrollgruppe erhielt kein Ketamin und wurde 2-mal bezüglich MADRS und des „belief-updating“ untersucht.

Ergebnisse

  • Die MADRS-Werte nahmen schnell und signifikant binnen 4 Stunden nach der Ketamin-Infusion ab (z = 3,33; P = 0,001). Auch eine Woche danach waren die Werte noch signifikant niedriger als zu Beginn der Studie (z = 4,1; P < 0,001). Ein klinisches Ansprechen erreichten aber nur 5 von 26 Patienten, und es gab nur eine Remission. Das ist weniger als in anderen Ketamin-Studien und wird von den Autoren neben der hohen Krankheitslast damit begründet, dass der Messzeitpunkt 4 Stunden nach der Infusion lag, während das stärkste Ansprechen in anderen Studien nach 24 Stunden erreicht wurde.
  • Nach einer einzigen Gabe von Ketamin waren die Patienten signifikant optimistischer bezüglich der Ergebnisse der Therapie als die Kontrollen. Im Detail veränderten sie ihre Erwartungen stärker, wenn sie gute Nachrichten erhielten. Adjustiert für Alter und Ausbildung ergab sich ein ß-Wert von – 0,91 bei einem 95%-Konfidenzintervall von – 1,58 bis – 0,24 (P = 0,008).
  • In einem Computermodell zeigte sich, dass obiger Effekt mit asymmetrischem Lernen verbunden war, nämlich mit einem Wert von 0,51 beim Erlernen guter Nachrichten gegenüber 0,36 für schlechte Nachrichten.
  • Im Einklang mit früheren Studien fanden die Forscher eine signifikante positive Korrelation zwischen der erwarteten Wirksamkeit der Therapie und einem verbesserten klinischen Gesamteindruck nach einer Woche (r = 0,63; p = 0,004).

Klinische Bedeutung

Die Studie trägt zum besseren Verständnis des Wirkmechanismus von Ketamin bei depressiven Patienten bei. Solche Einblicke in die Effekte schnell wirkender Antidepressiva könnten womöglich ausgenutzt werden, um bessere Ansprechraten zu erreichen, schreiben die Autoren.

Finanzierung: Agence Nationale de la Recherche.