Keine Zunahme pathologischer Alzheimer-Diagnosen trotz vermehrter Tau-Ablagerungen

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Menschen, die in den Jahren 1905 – 1930 geboren und sehr alt wurden zeigten bei der Autopsie kaum Unterschiede bei neurodegenerativen Pathologien. Eine Ausnahme war die Dichte der Ablagerungen des Tau-Proteins (neurofibrilläre Tangles), die in den späteren Geburtsjahren deutlich größer war. Die Häufigkeit, mit der pathologisch eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde, war aber in dem Untersuchungszeitraum mit etwa 65 % gleich geblieben.

Hintergrund

Der Anteil alter Menschen an der Bevölkerung nimmt weltweit zu, und damit voraussichtlich auch die Häufigkeit von Demenzen und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Die statistische Erfassung beschränkt sich dabei bislang im Wesentlichen auf die Zahl der Diagnosen. Mögliche Veränderungen der zugrunde liegenden Neuropathologien wurden dagegen kaum systematisch erforscht

Design

Analyse der Autopsiedaten von 1554 Verstorbenen der Geburtsjahrgänge 1905 – 1929 (67 % Frauen, medianes Alter 90 Jahre) aus 2 US-amerikanischen Langzeitkohorten („Religious Order Study“ und „Rush Memory and Aging Projekt“). Sie wurden gewonnen in den Jahren 1997 bis 2022 und erstrecken sich somit über 25 Jahre. Die vollständige neuropathologische Untersuchung umfasste neben der globalen Erscheinung charakteristische Moleküle wie Tau und Lewy-Körperchen, Gefäßveränderungen und Infarkte, und wurde standardisiert nach 4 Geburtsepochen statistisch ausgewertet.

Ergebnisse

  • Die Prävalenz pathologischer Diagnosen der Alzheimer-Demenz zeigte keine Unterschiede zwischen den Geburtsjahrgängen und lag zwischen 62 und 68 %.
  • Die durchschnittliche Ausprägung der globalen Alzheimerpathologie zeigte ebenfalls keine Unterschiede. Allerdings war die Dichte der Ablagerungen des Moleküls Tau (neurofibrilläre Tangles) in den späteren Geburtskohorten größer, nämlich altersstandardisiert 1,53 für die Jahrgänge 1905 – 1914 gegenüber 1,87 für die Jahrgänge 1925 – 1930 (P = 0,01).
  • Bei anderen neurodegenerativen Pathologien fanden sich keine Veränderungen über die Zeit.
  • Hinweise auf eine Verkalkung sowohl größerer als auch kleinerer Gefäße wurde im Laufe der Zeit „dramatisch seltener“ festgestellt. So fand sich eine moderate bis schwere Atherosklerose bei 54 % der zwischen 1905 und 1914 Geborenen, während es bei den Jahrgängen 1925 – 1930 nur 22 % waren.

Klinische Bedeutung

In der Diskussion geben die Forscher zu bedenken, dass in ihren Kohorten möglicherweise überdurchschnittlich gesunde Menschen erfasst wurden, was die Generalisierbarkeit der Befunde einschränken könnte. Sie heben hervor: Altersstandardisiert stehen der Zunahme der neurofibrillären Tangles keine häufigeren klinischen Demenzdiagnosen gegenüber. Dies sei ein Indiz für eine zumindest teilweise verbesserte Resilienz gegenüber der Pathologie. Den klaren Rückgang krankhafter Gefäßveränderungen deuten sie als Beleg für die Verbesserung mehrerer vaskulärer Risikofaktoren auf Bevölkerungsebene, ohne diese jedoch explizit zu benennen.  

Finanzierung: National Institute on Aging.