Kardiale Dekompensation: 18 Monate Telefonnachsorge senkt Sterblichkeit noch nach 10 Jahren

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Bei Patienten mit kardialer Dekompensation ist eine 18 monatige telemedizinische Betreuung nach stationärer Therapie noch 10 Jahre später mit einer geringeren Sterblichkeit und besserer Lebensqualität assoziiert im Vergleich zu gematchten Patienten ohne telefonische Nachbetreuung. Das ergibt eine Studie aus Deutschland und sie belegt, dass sich solche Langzeitwirkungen unter den Bedingungen des deutschen Gesundheitssystems erzielen lassen.

Hintergrund 

Fast 4 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Herzinsuffizienz. Die Erkrankung ist der Hauptgrund für Krankenhauseinweisungen. Mit jeder kardialen Dekompensation verschlechtert sich die Prognose deutlich. Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten hat mindestens 5 Begleiterkrankungen, und so ist die Prävention weiterer schwerer kardialer Ereignisse häufig schwierig und nicht effektiv. Um das Entlassmanagement und die Nachsorge zu verbessern, ist im Jahr 2001 in Würzburg das Interdisziplinäre Netzwerk Herzinsuffizienz (INH) implementiert worden. Kardiologen und Psychologen haben für und mit Hochrisiko-Patienten, das telemedizinische Überwachungs- und Versorgungsprogramm HeartNetCare-HF entwickelt. Jetzt liegen Daten zur Effektivität nach 5 und 10 Jahren vor (1).

 

Design

  •  Studienform: prospektiv randomisierte, kontrollierte Parallelgruppenstudie (E-INH-Studie)

  • Studienintervention: Programm HeartNetCare-HF des Universitätsklinikums Würzburg zusammen mit 7 nicht universitären Kliniken der Region zur telefonischen Nachbetreuung von Herzinssuffizienzpatienten, zunächst 1 Mal wöchentlich, dann mit individuell angepasster Frequenz bis zu 18 Monaten

  • Interventionsziele: Anleitung der Patienten durch spezialisierte Pflegekräfte zur 

    • Selbstüberwachung von Blutdruck, 

    • Puls, 

    • Erkennen von Herzinsuffizienzzeichen wie Wassereinlagerungen in den Knöcheln, 

    • Abfragen der Ergebnisse des Selbstmonitorings und 

    • Optimierung der medikamentösen Therapie gemeinsam mit Hausärztinnen und -ärzten.

  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 1.022 (29 % weiblich, 71 % männlich) mit stationärer Therapie wegen akuter Herzinsuffizienz und einer Ejektionsfraktion < 40 % vor Entlassung aus der Klinik (Druchschnittsalter: 70 Jahre)

  • Randomisierung: 1 : 1 in den Interventionsarm zusätzlich zur üblichen Versorgung (n = 509) und in die Kontrollgruppe mit Standardversorgung ohne telemedizinische Nachbetreuung (n = 513)

Hauptergebnisse

  • Persönliche ärztliche Nachuntersuchungen gab es während der telemedizinischen Nachsorge alle 6 Monate und dann 36, 60 und 120 Monate nach Klinikentlassung.

  • Der primäre Endpunkt, die Zeit bis zum Tod und/oder zur Rehospitalisierung, unterschied sich zwar nicht signifikant zwischen beiden Studienarmen.

  • Die Sterblichkeit jeglicher Ursache jedoch war in der früher mit HeartNetCare-HF betreuten Gruppe signifikant geringer als unter Standardnachsorge. 

  • Die Gesamtsterblichkeit betrug nach 5 Jahren 41 % in der Interventionsgruppe und 47 % im Kontrollarm (p = 0,040). Nach 10 Jahren lag sie bei 64 % in der früheren Interventionsgruppe und bei 70 % in der Kontrollgruppe (p = 0,019).

  • Auch die kardiovaskuläre Mortalität war nach 60 und 120 Monaten im Interventionsarm niedriger als im Kontrollarm (25 % vs. 31 % und 33 % vs. 40 %; p = 0,043).

  • Zudem gab es im Langzeitverlauf weniger Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz nach 18, 36 und 60 Monaten (-25 %, - 29 % und -30 % vs. Kontrolle).

  • Bei allen Studienvisiten war die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei den mit HeartNetCare-HF betreuten Patientinnen und Patienten besser als in der Kontrollgruppe.

Klinische Bedeutung

Unter den Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitssystems gibt es erstmals Evidenz, dass durch eine zeitlich limitierte telemedizinische Betreuung eine Lebensverlängerung und -verbesserung im Langzeitverlauf erzielt, resümieren die Autorinnen und Autoren (2): „Die E-INH-Studie zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltig der Effekt einer zeitlich begrenzten multidisziplinären telemedizinisch unterstützten Intervention sein kann.“ 

Besonders auch bei eingeschränkter Erreichbarkeit oder regionaler Verfügbarkeit von medizinischem Personal, bei ans Haus gebundenen Patientinnen und Patienten oder in Pandemiezeiten könnten modulare, bedarfsadaptierte Programme wie HeartNetCare-HF zu mehr Versorgungsgerechtigkeit und -sicherheit beitragen.

Finanzierung: öffentliche Mittel, u.a. BMBF