Künstliche Intelligenz für Augenärzte steht erst in den Startlöchern
- Dr. Angela Speth
- Konferenzberichte
"Künstliche Intelligenz wird in der Medizin als Heilsbringer gehandelt, gerade für ein so innovatives Gebiet wie die Ophthalmologie", sagte Dr. Peter Heinz bei einer Online-Konferenz der Stiftung Auge. Allerdings müsse man noch Wasser in den Wein gießen, denn noch seien einige Hindernisse zu überwinden. So passieren in der Bildauswertung etwa beim Screening auf diabetische Retinopathie noch häufig Fehler. Zudem lassen sich die Algorithmen bisher nur auf eine einzelne Erkrankung fokussieren, nicht auf mehrere gleichzeitig. Auch die Abrechnung über die gesetzlichen Krankenkassen steht noch aus.
Bilder vom Augenhintergrund zu beurteilen gehört für viele Ophthalmologen zu den täglichen Aufgaben. Deshalb wird Künstliche Intelligenz daraufhin trainiert, ihnen diese Arbeit zu erleichtern, indem sie hilft, Befunde effizienter zu erheben. Das könnte die Behandlung verbessern und die Abläufe in der Praxis beschleunigen. Damit eröffne sich zugleich ein Ausweg, um den drohenden Personalmangel bei steigender Zahl von Augenerkrankungen zu bewältigen, erklärte Heinz, der als Facharzt für Augenheilkunde im oberfränkischen Schlüsselfeld sowie als Vorstandsmitglied der Stiftung Auge tätig ist.
Die Delegation von Aufgaben stößt an Grenzen
Die Erwartungen richten sich vor allem auf die Verknüpfung von KI mit der digitalen Fotografie, der Optischen Kohärenztomografie oder der Heidelberger Retina-Tomographie. "Diese bildgebenden Verfahren sind für KI-Anwendungen geradezu prädestiniert, denn sie liefern exakt reproduzierbare hochauflösende Bilder selbst kleinster Strukturen, die nach speziellen Kriterien analysiert werden können", erläuterte Heinz. Algorithmen eignen sich, einen ersten Befund zu erstellen oder Veränderungen zu bestimmen, etwa ob vermehrt Blut und Flüssigkeit in der Netzhaut austreten. Das gelingt durch einen detailgenauen Vergleich der aktuellen mit früheren Aufnahmen. Ärzte brauchen dann die Angaben und Vorschläge der KI nur noch zu überprüfen.
Noch allerdings hinkt die Wirklichkeit den Wunschvorstellungen hinterher, denn noch ist auf diesen Assistenten kein Verlass. So ergab eine Studie zum Screening auf diabetische Retinopathie an einer diabetologischen Schwerpunktklinik, dass die KI etwa 40 Prozent der Bilder wegen deren mangelhaften Qualität entweder nicht auswerten konnte oder falsche Ergebnisse lieferte.[1]
Ähnliches berichtet der britische National Health Service von fotografischen Reihenuntersuchungen bei Diabetes-Patienten. Besonders unzulänglich waren die Resultate, wenn altersbedingte Oberflächenveränderungen und Linsentrübungen die Bildqualität beeinträchtigten.[2]
Noch ist Künstliche Intelligenz ein "Fachidiot"
Einen Grund für die Schwächen der KI sieht Heinz darin, dass die Programmierer ihre Algorithmen an ausgewählten Probanden testen, meistens jungen Menschen mit klarer Hornhaut und Linse. In der Arztpraxis lasse sich allerdings die Irrtumswahrscheinlichkeit drücken, da man hier die Pupillen mit Mydriatika erweitern und folglich schärfere Aufnahmen anfertigen könne, so Heinz.
Einen weiteren Nachteil der KI sieht er in der Spezialisierung auf ein bestimmtes Krankheitsbild. So übersieht eine auf diabetische Retinopathie geeichte KI etwa Tumoren, atherosklerotische Veränderungen, Schäden durch Bluthochdruck oder am Sehnerv. Gerade bei Diabetes sind aber Begleiterkrankungen verbreitet. „Das Allroundtalent gibt es bei der KI noch nicht, daher kann man vor einer unkritischen Anwendung nur warnen. Der Arzt ist unersetzlich, weil er einen Überblick über alle Parameter besitzt und isolierte Befunde in die Gesamtschau einfügen kann“, betonte der Augenexperte.
Krankenkassen bezahlen bisher nicht
Weiterhin hat sich der Fortschritt, den die KI verspricht, noch nicht in der Gebührenordnung der gesetzlichen Krankenkassen niedergeschlagen. Nicht einmal die Abrechnung für digitale Fotos des Augenhintergrundes oder der vorderen Augenabschnitte ist vorgesehen, geschweige denn KI-Leistungen. Der Einsatz von OCT ist auf wenige Indikationen beschränkt.
Aus all diesen Gründen wird bisher hauptsächlich in Studien mit KI gearbeitet. Doch bis die Software-Pakete auch in den Augenarztpraxen nützliche Hilfe leisten, sei es nur eine Frage der Zeit. Heinz resümiert: „Die Gebührenordnung sollte schleunigst angepasst werden, denn die Forschung schreitet mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran.“
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