Jeder achte Patient bringt multiresistente Darmbakterien mit ins Krankenhaus
- Andrea Hertlein
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaft
Jeder achte Patient, der in ein Krankennhaus aufgenommen wird, trägt multiresistente ESBL-produzierende Enterobakterien in sich. Dies konnten Wissenschaftler des InfectoGnostics Forschungscampus Jena in einer Beobachtungsstudie an 1334 Patienten belegen, die jüngst im Fachjournal PLOS One publiziert wurde. Infektionen mit den eigenen ESBL-Erregern blieben zwar laut Studienergebnissen noch ein Ausnahmefall, allerdings zeigten die Forscher, dass die Erreger ihre Resistenzgene an andere Krankenhauskeime weitergeben könnten.
Hintergrund
Während in den vergangenen Jahren vor allem gram-positive Erreger wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) im Vordergrund der Debatte um Antibiotikaresistenzen in Kliniken standen, ist neuerdings eine Zunahme multiresistenter ESBL-produzierender Enterobakterien zu beobachten. Diese sind in der Lage, die Extended Spectrum Beta-Lactamase (ESBL) – ein bakterielles Enzym – zu bilden und damit verschiedene Antibiotika zu inaktivieren. Kliniken müssen daher schon seit einigen Jahren immer häufiger zu Reserve-Antibiotika greifen.
ESBL-bildende Bakterien kolonisieren vor allem über die Nahrungsaufnahme den gesunden Darm. Die Kolonisierung selbst ist nicht gefährlich, solange die Betroffenen gesund sind. Bei schweren Operationen oder Immunschwäche können die Keime jedoch zu Infektionen führen.
Design
In einer prospektiven Kohortenstudie testete ein Team um Dr. Oliwia Makarewicz vom InfectoGnostics Forschungscampus Jena 1334 Patienten auf ESBL-produzierende Darmkeime: zunächst bei der Aufnahme in der Klinik, dann nach Abschluss der Behandlung und – falls möglich – ein weiteres mal sechs Monate nach dem Klinikaufenthalt.
Hauptergebnisse
Bei jedem achten Patienten (12,7 Prozent) konnten bei Aufnahme in die Klinik ESBL-produzierende Enterobakterien nachgewiesen werden; bei knapp 90 Prozent der Keime handelte es sich um E. Coli-Bakterien. Patienten aus Altenpflegeheimen waren besonders betroffen: Hier trug fast jeder vierte Patient (23,8 Prozent) die multiresistenten ESBL-Keime bei der Klinik-Einweisung in sich. Trotz dieser hohen Kolonisierungsrate traten Infektionen mit dem eigenen ESBL-Keim während des Krankenhausaufenthalts äußerst selten auf, heißt es in der Mitteilung des InfectoGnostics Forschungscampus Jena. In der Studie infizierte sich lediglich ein einziger Patient mit dem eigenen Erreger. Die Analyse ergab weiterhin, dass die Vielfalt der Enterobakterien-Stämme viel höher war als die Anzahl der Plasmide. Bei sieben Patienten konnte die Übertragung des jeweiligen Plasmids über verschiedene Arten hinweg beobachtet werden.
Klinische Bedeutung
Die Ergebnisse der Studie zeigten, wie weit verbreitet ESBL-bildende Bakterien bereits heute in der Bevölkerung sind. Die geringe Zahl an Infektionen in der Klinik sei allerdings noch kein Grund zur Entwarnung, erläuterte Studienleiterin Dr. Makarewicz: „Einerseits ist die Anzahl der tatsächlichen Infektionen in Abteilungen wie der Onkologie, Geriatrie oder der Intensivstation ungleich höher, da dort hauptsächlich Risikopatienten mit geschwächtem Immunsystem behandelt werden. Andererseits konnten wir in unseren Analysen erneut zeigen, dass die Erbinformationen für Multiresistenzen über Plasmide auch auf andere Bakterienarten im Darm übertragen werden.“ Man müsse davon ausgehen, dass solche Kolonisierungskeime die Resistenzen an Krankenhauskeime weitergeben können, warnte Dr. Makarewicz.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise