Jede 5. Klinikleistung ambulantisieren

  • Presseagentur Gesundheit (pag)
  • Im Diskurs
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Ambulant, wann immer es geht – dieser Trend soll jetzt konsequent umgesetzt werden. Das Flaggschiff der Krankenhausmedizin, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), macht dazu einen ersten Aufschlag. Auf ihrem Krankenhausgipfel am 16. März reißt der Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß Eckpunkte für eine Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen an. Das ist ganz im Sinne des Ampelkoalitionsvertrags.

 

Bis zu 20 Prozent der bisher vollstationär erbrachten Leistungen könnten Kliniken auch ambulant erbringen, stützt sich Gaß auf internationale Studien. Auf Basis eines vom IGES Instituts angefertigten Gutachtens könne ein Katalog an stationsersetzenden Leistungen definiert werden, „bei denen die Krankenhäuser zukünftig nach medizinischen Aspekten selbst entscheiden, ob sie diese Leistungen klinisch-ambulant oder stationär erbringen“. Und egal wie die Kliniken agierten, die Krankenkassen rechneten die Leistungen gleich ab. Dadurch verringere sich das Konfliktpotenzial zwischen Kliniken auf der einen Seite und Krankenkassen und Medizinischem Dienst auf der anderen Seite, meint Gaß. Grundlage soll zunächst das Fallpauschalensystem sein, das aber durch ein Hybrid-DRG-System abgelöst werden könne.

 

Niedergelassene mit einbinden

Für die Pflegekräfte erhofft sich der DKG-Vorstand eine Entlastung, die auch dem Personalmangel entgegenwirke. Die Patienten wiederum müssten auch nach komplexen Eingriffen keine Nacht im Krankenhaus verbringen. Die Vertragsärzte will die DKG miteinbinden. Gaß: „Wir öffnen die Krankenhäuser mit ihrer hochwertigen medizintechnischen Infrastruktur für die intensivere Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und bauen damit die Barrieren zwischen den Sektoren spürbar ab.“ Es müssten allerdings ambulante Behandlungsstrukturen und Prozesse an den Krankenhäusern aufgebaut werden. Von den Ländern erhofft sich die DKG Investitionsbeteiligung, zum Beispiel durch den Aufbau somatischer Tageskliniken.

 

BMG will Ambulantisierungspotenzial heben

Gaß‘ Worte hallen im weiteren Verlauf des Krankenhausgipfels nach. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Prof. Edgar Franke, der für seinen verhinderten Chef, Prof. Karl Lauterbach, (beide SPD) einspringt, hält in seinem Vortrag fest: „Wir müssen das Ambulantisierungspotenzial wirklich heben.“ Deswegen wolle die Ampel die Sektorengrenzen aufweichen und Hybrid-DRGs definieren. In der nachfolgenden Diskussion spricht sich auch der CSU-Bundestagsabgeordnete und Mediziner Stephan Pilsinger für einen Wandel aus. „Wir können uns die starren Sektorengrenzen nicht mehr leisten.“ Aus seiner Zeit als Arzt kann er sich an „Absurditäten“ erinnern, in denen man Patienten extra über Nacht im Krankenhaus gelassen habe, damit diese als stationäre Fälle gelten. Gaß beruhigt ihn: „Die Zeiten sind vorbei. Das macht überhaupt keinen Spaß mehr,“ sagt er flapsig angesichts der „Prüforgien“ der Medizinischen Dienste.

 

DRGs bleiben – aber nicht alle

Eine Reform des DRG-Systems ist in der Mache, kündigt Franke an. Um diese und andere Fragen zu klären, soll eine Regierungskommission eingesetzt werden, über deren Besetzung auch die Gipfelteilnehmer spekulieren. Grundsätzlich wolle man am System festhalten, gewisse Bereiche wie beispielsweise die Geburtshilfe oder die Pädiatrie könnten jedoch ausgegliedert werden, so Franke. Gerade in unterversorgten Regionen im Osten sei die Situation für diese beiden Bereiche prekär, berichtet Petra Grimm-Benne (SPD), Gesundheitsministerin in Sachsen-Anhalt. Sie hofft, dass diese künftig zur Grundversorgung gezählt und durch Vorhaltekosten finanziert werden. Doch nicht nur die Finanzierung bereitet ihr Kopfschmerzen, sondern auch der Personalmangel, etwa in der Pädiatrie. „Wir überlegen gerade, dass wir bestimmte Rotationen einführen“, lässt sie wissen. So sollen Kinder- und Jugendärzte aus beispielsweise Unikliniken auch in der Peripherie eingesetzt werden, schildert sie ein geplantes Projekt. Pilot- und Modellprojekte sieht Gaß mit einer gewissen Skepsis, dienten sie doch dazu, das jetzige System zu umgehen. „Das kann nicht vernünftig sein“ meint er.

Die große Krankenhausstrukturreform hat die Ampel ebenfalls auf dem Schirm, wie Franke wissen lässt. Die will auch Pilsinger. „Ich möchte eine flächendeckende Grund- und Regelversorgung, aber nicht Spezialisierung in jedem Kuhdorf“, sagt er.