Impfskepsis: Europäische Ärzte können noch viel mehr unternehmen

  • Drishti Agarwal
  • Medizinische Nachrichten
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Die Medizin lehrt uns: „Impfungen retten Leben“. Sie sind jedoch nur so gut wie die Impfakzeptanz. Seit es Impfungen gibt, gibt es auch Impfskepsis, doch der Begriff ist während der COVID-19-Pandemie viel stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Dorit Nitzan, ehemalige Regionaldirektorin für Notfälle bei der Weltgesundheitsorganisation in der Region Europa, sagt dazu: „Es braucht einen langfristigen Ansatz zum Aufbau und Erhalt von Vertrauen. Wir müssen einen Weg finden, dies auf organisierte Weise zu tun“. Sie plädiert dafür, dass Ärzte das Vertrauen nutzen, das sie in der Allgemeinheit genießen, um eine strategischere Rolle als Impfbefürworter einzunehmen.

Wir wissen, dass medizinischen Fachkräften vertraut wird, denn aus einer in 140 Ländern durchgeführten Umfrage von Wellcome Global Monitor geht hervor, dass 73 % der Befragten einem Arzt oder einer Pflegekraft mehr vertrauen würden als anderen. In Teilen Europas, Nordamerikas und Australiens lag dieser Anteil bei bis zu 90 %.

5 Faktoren für eine schlechtere Impfrate

Nitzan, die derzeit das Master-Programm für notfallmedizinische Vorsorge und Gefahrenabwehr an der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel leitet, hat fünf Faktoren identifiziert, welche die Impfrate beeinträchtigen:

  • Vertrauen: Mangelndes Vertrauen in Impfstoffe, Gesundheitssysteme und politische Entscheidungsträger
  • Nachlässigkeit: Die Auffassung, dass das Krankheitsrisiko gering ist, was paradoxerweise von der Wirksamkeit von Impfstoffen bei der Reduzierung dieses Krankheitsrisikos herrührt
  • Bequemlichkeit: Schwierigkeiten beim Zugang zu Impfdiensten
  • Kommunikation: Falsche Vorstellungen in Bezug auf Impfstoffe und ihre möglichen Nebenwirkungen
  • Kontext: Wissenslücken, die mit Gerüchten, Mythen und unbegründeten Bedenken gefüllt werden

Ohne den historischen Kontext von Krankheiten wie Polio, Masern oder Keuchhusten und deren mögliche Folgen zu kennen, könne es für einige Menschen schwierig sein, wirklich zu verstehen, wie wichtig Impfungen sind. Eine abwartende Haltung, mangelndes Vertrauen in die Regierung und Skepsis gegenüber der Geschwindigkeit der Impfstoffentwicklung, wie sie bei den COVID-19-Impfstoffen aufgekommen ist, sind zusätzliche Faktoren, welche die Akzeptanz beeinflussen.

Strategien gegen Fehlinformationen und Verschwörungstheorien

Wie Nitzan zu verstehen gibt, untergräbt ein weiterer maßgeblicher Faktor, nämlich die Geschlossenheit von Impfgegnern, das öffentliche Vertrauen weiter, da in diesen Gruppierungen durch Fehlinformationen und Verschwörungstheorien ein starkes Gemeinschaftsgefühl mit großer Solidarität geschaffen wird. Die emotionale und soziale Unterstützung in diesen Gruppen verstärkt die Impfskepsis und macht es schwierig, dagegen vorzugehen. 

In einem Webinar der europäischen Zweigstelle der World Organization of Family Doctors (WONCA Europe) mit dem Titel „From Vaccination Hesitancy to Health – Bridging the Gap“ sagte Nitzan, dass Hausärzte das Vertrauen nutzen sollten, das sie in der Gemeinschaft genießen, um die Impfrate mit den folgenden wirkungsvollen Strategien zu steigern:

  • Kommunikation und Aufklärung: Ärzte sollten die Bedenken ihrer Patienten aktiv ansprechen, evidenzbasierte Informationen bereitstellen und Mythen sowie Fehlinformationen aus dem Weg räumen. Es kann viel bewirken, wenn sie sich die Zeit nehmen, um Patienten über die Sicherheit, Wirksamkeit und den Nutzen von Impfstoffen aufzuklären.
  • Einfühlsamkeit und Verständnis: Es kann zu fruchtbareren Gesprächen führen, wenn sie sich in die Sorgen ihrer skeptischen Patienten einfühlen und diese auf mitfühlende und unvoreingenommene Weise ansprechen. Mittels motivierender Gesprächsführung können Ambivalenzen aufgelöst und Bedenken detaillierter hinterfragt werden.
  • Zusammenarbeit und gesellschaftliches Engagement: Ärzte können spezifische Bedenken ansprechen und Interventionen an die einzigartigen Bedürfnisse der Gemeinschaften in ihrem Einflussbereich anpassen, indem sie aktiv mit Führungspersonen und wichtigen Gemeindeorganisationen zusammenarbeiten.
  • Bequemer Zugang zu Impfstoffen: Die Zugänglichkeit wird verbessert, indem Impfdienste in die Grundversorgung integriert, mobile Kliniken organisiert und Sprechstunden verlängert werden. Weitere Schranken können abgebaut werden, indem Patienten proaktiv über verfügbare Impfzentren informiert und sie bei der Terminvereinbarung unterstützt werden.
  • Mit gutem Beispiel vorangehen: Ärzte müssen als Impfbefürworter auftreten. Indem sie offen über ihre eigenen Erfahrungen mit Impfungen sprechen, können sie in ihren Patienten Vertrauen wecken.

Darüber hinaus müssen Gesundheitsbehörden die Impfstoffsicherheit aktiv überwachen, sodass unerwünschte Ereignisse nach der Immunisierung rasch erkannt und untersucht werden können. Dies ermöglicht nicht nur rechtzeitige Maßnahmen, sondern beschwichtigt auch Leute, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Impfstoffen haben. Die transparente Kommunikation der Ergebnisse einer solchen Überwachung der Impfstoffsicherheit ist zudem entscheidend, um das öffentliche Vertrauen zu verbessern.