Im Interview: Jede vierte Frau und jeder siebte Mann berichtet über Gewalt in der Partnerschaft

  • Michael Simm
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Mehr als 7000 Menschen wurden in England nach Gewalterfahrungen in der Partnerschaft gefragt. Dabei lag die Lebenszeitprävalenz über 20 %. Jene mit Gewalterfahrung hatten nahezu 3-Mal häufiger im Jahr danach einen Selbstmordversuch unternommen, als Probanden ohne Gewalterfahrung.

Hintergrund

Gewalt in der Partnerschaft ist als Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen anerkannt. Die Datenbasis zum Zusammenhang mit selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität ist jedoch schmal.

Design

Untersuchung zur Assoziation zwischen Gewalt in der Partnerschaft über die Lebenszeit und über ein Jahr hinweg einerseits, und suizidalen Gedanken, Selbstmordversuchen und selbstverletzendem Verhalten andererseits. Die Grundlage dafür waren Interviews mit 7058 Personen ab 16 Jahren in England im Rahmen der Adult Psychiatric Morbidity-Umfrage 2014.

Ergebnisse

  • In der gewichteten Analyse hatten 21,4 % der Probanden im Laufe ihres Lebens Gewalt erfahren.  Unter den Frauen waren es 27,2 % und bei den Männern 15,3 %.
  • Aufgeschlüsselt nach der Art der Gewaltausübung waren es bei Frauen bzw. Männern:
    • Emotional 19,6 / 8,6 %
    • Körperlich 18,7 / 9,3 %
    • Ökonomisch 8,5 / 3,6 %
    • Sexuell 3,7 / 0,3 %
  • Bezüglich der ethischen Zugehörigkeit waren die Befunde „unklar“.
  • Die Lebenszeitprävalenz für innerpartnerschaftliche Gewalt war höher bei Studienteilnehmern, die zur Miete wohnten oder in benachteiligten Wohngegenden.
  • Unter den 44 Teilnehmern (0,6 %) die im Vorjahr einen Selbstmordversuch unternommen hatten, hatten 49,7 % über Gewalterfahrung in der Partnerschaft berichtet. Bezogen auf das Vorjahr waren es 23,1 % (34,8 % der Frauen und 9,4 % der Männer).
  • Nach Adjustierung für demographische und sozioökonomische Faktoren sowie Widrigkeiten über die Lebenszeit (gemäß der Liste bedrohlicher Erfahrungen) waren die Chancenverhältnisse OR mit/ohne Gewalterfahrung für
    • einen Selbstmordversuch im Vorjahr 2,82 (95%-Konfidenzintervall 1,54 – 5,17),
    • selbstverletzendes Verhalten im Vorjahr 2,20 (95%-KI 1,37 – 3,53),
    • suizidale Gedanken im Vorjahr 1,85 (95%-KI 1,39 – 2,46).

Klinische Bedeutung

Erfahrungen, die in Interviews abgefragt werden, sind nur bedingt objektivierbar. Auch ist unklar, inwiefern die Wahrnehmung unterschiedlicher Arten von Gewalt zwischen Männern und Frauen, aber auch bei Angehörigen verschiedener Ethnien divergiert. In einem Kommentar zur Studie wird auf die Schwierigkeit hingewiesen, in derartigen Untersuchungen einen Kausalzusammenhang mit der Suizidalität nachzuweisen. Dessen ungeachtet sind die hier für England berichteten Assoziationen ein Alarmsignal. Der Kommentator folgert deshalb, dass ein Screening auf, und Berichte über innerpartnerschaftliche und andere Formen von häuslicher Gewalt ein wichtiger Bestandteil von Strategien zur Suizidprävention sein könnten.

Finanzierung: UK Prevention Research Partnership.