Im Fokus: IGeL, Screening auf Hepatitis-B, Ernährung und Hilfsmittel-Versorgung
- Dr. med.Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Der von den Krankenkassen finanzierte IGeL-Monitor hat diese Woche mal wieder gemeldet, dass Ärzte ihren Patienten weiterhin so genannte Selbstzahlerleistungen anböten, die nicht nur nutzlos seien, sondern sogar schaden könnten. „Das Geschäft mit diesen Verkaufsangeboten läuft auf hohem Niveau“, heißt es in einer Mitteilung des IGeL-Monitors. Zu den Top-Sellern gehörten IGeL, „die nachweislich mehr schaden als nützen. Patientenrechte werden oft nicht beachtet. Die gestiegene Nachfrage durch junge Patientinnen und Patienten gibt Anlass zur Sorge – viele wissen wenig über Nutzen und Schaden von IGeL“.
In einer repräsentativen Befragung hat der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report 2023 knapp 6000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Die Bekanntheit von IGeL ist unverändert groß: Fast 80 Prozent der Befragten gaben an, Selbstzahlerleistungen zu kennen. Nur gut jeder Vierte (28 Prozent) wisse, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von IGeL in der Praxis gebe. Dazu gehört, dass Patientinnen und Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden durch die Leistung aufzuklären seien. Über den Nutzen seien 78 Prozent informiert, über mögliche Schäden dagegen nur 56 Prozent, heißt es in einer Mitteilung. Fast jeder Fünfte (18 Prozent) habe sogar angeben, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht werde.
Die Top 10 der am meisten verkauften Selbstzahlerleistungen sind im Vergleich zum IGeL-Report 2020 nahezu unverändert: Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung sowie verschiedene Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen, zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings, zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung und Untersuchungen des Blutbilds.
Laut einer Mitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses wird das Screening auf eine Hepatitis-B-Virusinfektion in der Schwangerenvorsorge vorgezogen. Künftig soll es so früh wie möglich nach Feststellen der Schwangerschaft im Rahmen der ersten serologischen Untersuchungen durchgeführt werden, um schnell - falls erforderlich - mit einer Therapie beginnen zu können. Nicht geimpften Schwangeren mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko soll zudem eine Impfung empfohlen werden. Mit dieser vor wenigen Tagen beschlossenen Änderung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seine Mutterschafts-Richtlinien an die im Jahr 2021 aktualisierte S3-Leitlinie „Hepatitis-B-Virusinfektion – Prophylaxe, Diagnostik und Therapie“ angepasst, die einen frühen Testzeitpunkt empfiehlt.
Bislang wurde ein Test auf Hepatitis B erst in der 32.-40. Schwangerschaftswoche durchgeführt. War er positiv, wurde das Neugeborene sofort nach der Geburt aktiv/passiv immunisiert. Neuere Forschungsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass nicht erst bei der Geburt selbst, sondern bereits im Mutterleib ein Übertragungsrisiko besteht, das bei hoher Viruslast der Mutter steigt. Die Gefahr einer Übertragung auf das Kind kann jedoch signifikant verringert werden, wenn infizierte Mütter schon während der Schwangerschaft mit einer antiviralen Therapie behandelt werden. Deshalb ist es wichtig, eine etwaige Hepatitis-B-Virusinfektion der Mutter möglichst früh in der Schwangerschaft zu entdecken, so dass sofort nach Beendigung des ersten Trimenon und idealerweise vor der 28. Schwangerschaftswoche eine antivirale Therapie durchgeführt werden kann. Die serologische Untersuchung der Mutter zu Beginn der Schwangerschaft entfällt jedoch, wenn Immunität, zum Beispiel nach einer Impfung, nachgewiesen werden kann. Der Beschluss des G-BA ist noch nicht in Kraft. Dies erfolgt erst nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
„Modern und bedarfsgerecht“ soll die Krankenhausversorgung der Zukunft sein – so das Credo der Regierungskommission, die derzeit Vorschläge für eine Umstrukturierung des deutschen Klinikwesens erarbeitet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss auch die Ernährungskompetenz in den Kliniken gestärkt werden. Dies fordert ein Bündnis aus 24 medizinischen Fachgesellschaften. In einer Stellungnahme, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) erarbeitet wurde, wenden sie sich mit konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Ernährungsversorgung in deutschen Krankenhäusern an das Bundesministerium für Gesundheit. Denn noch immer ist es in Deutschland keine Selbstverständlichkeit, dass sich die ernährungsmedizinische Versorgung kranker Menschen tatsächlich an ihrem Ernährungszustand und am individuellen Nährstoffbedarf orientiert. Die Fachgesellschaften fordern deshalb ein verpflichtendes Ernährungsscreening sowie den Einsatz interprofessioneller Ernährungsteams.
Welche gravierenden gesundheitlichen Folgen ein schlechter Ernährungszustand haben kann, wurde lange Zeit unterschätzt. „Heute weiß man, dass bei mangelernährten Patientinnen und Patienten der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst und Heilungsprozesse verzögert werden. Die Prognose der Betroffenen verschlechtert sich, die Komplikationsrate und sogar das Sterberisiko steigen, ebenso die Behandlungsdauer und -kosten“, so Professor Dr. med. Matthias Pirlich, Internist und Ernährungsmediziner in Berlin sowie Präsident der DGEM. Diesen Risiken ließe sich wirksam begegnen, wenn Patienten bei der Aufnahme in die Klinik gezielt auf Anzeichen einer Mangelernährung untersucht und bei Bedarf ernährungsmedizinisch behandelt würden.
Ein Ernährungsscreening fordert die DGEM bereits seit Jahren. „Im Rahmen der Reform sollte es nun als Mindeststrukturvoraussetzung festgeschrieben werden“, sagt Pirlich. Diese Forderung beziehe sich auf die Krankenhäuser aller drei Versorgungsstufen (Levels). Ebenso fordert das Positionspapier ein Ernährungsassessment bei festgestelltem Mangelernährungsrisiko, die Erstellung individueller Therapiepläne sowie einer evidenzbasierten Ernährungstherapie. Kliniken der Versorgungsstufen II und III sollten zudem dazu verpflichtet werden, interprofessionelle Ernährungsteams unter fachärztlicher Leitung einzurichten, heißt es in der Stellungnahme weiter. Diese Präventions- und Therapiekonzepte müssten adäquat im DRG-System abgebildet und vergütet werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat auf Antrag der Patientenvertretung beschlossen, Beratungen zur Überprüfung der Hilfsmittel-Richtlinie aufzunehmen. Der Hintergrund: Menschen mit schweren, komplexen oder mehrfachen Behinderungen sind oft auf viele unterschiedliche und individuell angepasste Hilfsmittel angewiesen: wie beispielsweise Sitzhilfen, Orthesen, Gehhilfen oder Kommunikationshilfen. Das Feststellen des Bedarfs, die ärztliche Verordnung und der Genehmigungsprozess sind hier sehr anspruchsvoll und zeitintensiv. Vor allem für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern können damit verbundene Verzögerungen eine erhebliche Belastung darstellen. Denn gerade bei Heranwachsenden können sich die Bedarfe schnell ändern, was wiederum eine häufige Antragstellung auslöst. Der Bundesausschuss hat sich nun zum Ziel gesetzt, die Versorgungsprozesse im Sinne der Betroffenen zu optimieren.
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