Im Fokus Anti Aging: das Geschäft mit Eitelkeit und Angst
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Der Traum von ewiger Jugend ist uralt. Uralt sind auch die Versprechen geschäftstüchtiger Mitmenschen, dass ihr Wässerchen oder Kraut wahre Wunder im Kampf gegen Krähenfüße und schwindende Lendenkräfte zu leisten vermag.
Älter. Härter. Besser?
Weise Köpfe behaupten zwar, dass auch das Altern seine positiven Seiten habe. Selbst Hollywood hat sich schon für Damen und Herren im Pensionsalter in die Bresche geworfen. So bemühen sich zum Beispiel in der Komödie R.E.D. – Älter. Härter. Besser. (Originaltitel: RED – Retired Extremely Dangerous) die in die Jahre gekommenen Agenten Bruce Willis, Morgan Freeman, John Malkovich und ihre taffe Kollegin Helen Mirren zwar mit Witz, Charme und Prügeleien davon zu überzeugen, dass man trotz lichtem Haar und dritten Zähnen sogar im harten Agenten-Alltag noch noch seinen Mann und seine Frau stehen kann.
Dennoch sollte sich niemand etwas vormachen. In der wirklichen Welt unterscheiden sich die meisten alten Männer phänotypisch erheblich von Sean Connery alias Bond. Außerdem haben alte Männer nicht den allerbesten Ruf. Denn so mancher verfällt dem Starrsinn, wenn nicht sogar dem Irrsinn wie König Lear. Manche machen auch schmutzige Geschäfte - etwa mit dem Teufel wie der berühmte Herr Faust – und fallen dann durch irgendein Kraut des Gehörnten verjüngt als Schwängerer übel auf. Auch das weibliche Geschlecht verliert in den Augen vieler meist männlicher Betrachter im Laufe der Zeit an Attraktivität, zu Unrecht zwar. Aber so ist das nunmal mit den Gesetzen der Natur und dem wahrnehmungsgestörten männlichen Geschlecht.
Da tröstet leider auch nicht die Altersweisheit, dass die Jugend so manche Blödheit noch vor sich hat, welche die Alten schon hinreichend abbüßen. Weil das so ist, greift selbst der aufgeklärte Bürger zur Anti-Aging-Power-Infusion, um das Unabwendbare doch noch abzuwenden. Und wenn Gurkenmaske oder teure Wässerchen nicht mehr helfen, dann wird halt zu Härterem gegriffen, zu Botox etwa oder sogar zum Skalpell.
Ein paar Beispiele für „gehypte" Mittelchen
Privatdozent Dr. Thomas Münzer (Geriatrische Klinik St. Gallen AG) hat sich kürzlich die Mühe gemacht, die wissenschaftliche Basis von einigen Anti-Aging-Mittelchen genauer unter die Lupe zu nehmen, die derzeit besonders „en vogue“ sind.
Erstaunlicherweise noch immer nicht völlig „out“ als Anti-Aging-Substanzen sind laut Münzer Wachstumshormon (GH), Androgene und Dehydroepiandrosteron (DHEA). Dafür gibt es durchaus Gründe: So steigert Wachstumshormon die Muskelmasse und senkt die Körperfettmasse. Allerdings habe sich über die Jahre gezeigt, dass GH ein sehr ungünstiges Nebenwirkungsprofil habe. Testosteron wiederum wirke zwar anabol, aber positive Effekte auf die Förderung oder Erhaltung der Funktionalität bei älteren Männern seien kaum ausreichend belegt.
Zu den „moderneren“ und derzeit „geradezu gehypten“ Anti-Aging-Mittelchen gehören dem Geriater zufolge Substanzen zur„Manipulation der Telomerase“. Die Erklärung dafür: In vitro teilen sich somatische Zellen mit einer relativ konstanten Rate von rund 50–60 Replikationen. Dieses Phänomen ist unter anderem bedingt durch eine Verkürzung der Telomere mit jeder Replikation. Das Enzym Telomerase verlängert die Telomere, was die Lebensdauer einer Zelle erhöht. Nach dem Motto „langes Telomer = langes Leben“ werde deshalb versucht, mit oralen Präparaten die Telomerlänge zu beeinflussen. Die Basis hierfür seien die Ergebnisse von Tierexperimenten. Die wichtigste, die Länge der Telomere angeblich beeinflussende Substanz sei TA-65. Es handelt sich dabei um einen Extrakt des aus der traditionellen chinesischen Medizin bekannten Astragalus membranoceus (Tragant). Knapp 120 ml TA-65 für die Anwendung auf der Haut kosten übrigens 640 Euro; 90 Kapseln mit je 250 Einheiten Wirkstoff 540 Euro.
Die Schattenseite langer Telomere
Immerhin, so Münzer, habe eine neuere Studie mit TA-65 bei genmodifizierten Mäusen zeigen können, dass oral verabreichtes TA-65 in einer Dosis von 25 mg/kg Körpergewicht „zu einer signifikanten Zunahme der Telomerlänge führte“. Die maximale Lebensspanne der 20 Versuchstiere sei jedoch unverändert geblieben, verglichen mit der Lebensspanne von Tieren der Placebogruppe. Zudem habe die Regulation der Telomerlänge eine Schattenseite. Sie spielt bei der Tumorgenese eine zentrale Rolle. Hier gebe es, erklärt Münzer, beim Menschen eher abschreckende Assoziationen: Lange Telomere sind mit einer Häufung von verschiedenen malignen Tumoren, darunter Melanome, Basalzellkarzinome, Lungentumoren und Lymphome, assoziiert.
Eine weitere Substanz, die seit einigen Jahren als Inhaltsstoff unterschiedlicher Anti-Aging-Produkte verwendet wird, ist Ubichinon 10 (Q10). Dabei handelt es sich um ein strukturell mit den Vitaminen K und E verwandtes Coenzym der mitochondrialen Atmungskette. Stoffwechselaktive Organe wie Herz, Niere oder Leber enthalten daher relativ viel Q10. Da die Q10-Konzentration in diesen Organen mit dem Alter abnimmt, wird die Substanz von der Kosmetikindustrie als Mittel gegen die Hautalterung beworben; ein wissenschaftlicher Beleg liegt laut Münzer nicht vor. Q10 werde außerdem als Nahrungsmittelsupplement bei kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Nierenerkrankungen, chronischen entzündlichen Erkrankungen und neurodegenerativen Krankheiten eingesetzt. Die Belege für einen klinisch relevanten Nutzen sind jedoch auch hier recht „überschaubar“. Zur Ehrenrettung muss allerdings erwähnt werden: Q10 wurde, wie Münzer weiter erklärt, auch als Mittel gegen Alterung bei Fadenwürmern, Mäusen und Ratten untersucht. Je nach Spezies führte die Substanz zu einer Verlängerung der Lebensspanne zwischen 0 und 25 Prozent. Bekanntlich sind aber Menschen und Nager nicht identisch, so dass solche Befunde nicht als Beleg für eine ähnliche gute Wirkung bei Menschen interpretiert werden sollten.
Keine wissenschaftlich ausreichenden Belege für eine positiven Effekt gegen das Altern gibt es laut dem Geriater auch für die Substanz Adrenochrom, die Gerüchten zufolge von einer superreichen Elite als Mittel gegen das Altern eingesetzt und angeblich aus den Nebennieren von Kindern oder deren Blut gewonnen werde. Bei Adrenochrom handelt es sich um Adrenalinoxyd, das durch Oxidation eine rotbraune Farbe erhält. In den 1950er-Jahren habe Adrenochrom als möglicher Auslöser für die Schizophrenie gegolten.Vermutet worden sei auch, dass es direkt halluzinogen wirke. Alle in diesem Zusammenhang durchgeführten Studien seien allerdings ohne Kontrollgruppe durchgeführt worden.
Und was nützen Diäten oder spezielle Ernährungsweisen? Die Effekte von Ernährungsinterventionen auf das Altern sind, wie der Geriater erklärt, sehr schwer abzuschätzen. Ob man mit einer bestimmten Ernährungsform älter werde, sei bei Menschen immer noch nicht eindeutig geklärt. Neueren Studien zufolge könne zwar vermutet werden, dass eine Kalorienrestriktion von 25% über eine Periode von zwei Jahren die Fettverteilung verändere und somit theoretisch das Leben verlängere. Ausreichend bei Menschen belegt sei dies allerdings nicht. Eindeutiger sei die Evidenz zur Beeinflussung der Gesamtmortalität durch die „mediterrane Diät“. Der Konsum von pflanzlichen Proteinen sowie von Früchten und Gemüse senke die Gesamtmortalität um bis zu 16 Prozent.
Statt Pillen: Bewegung, geistige Aktivitäten, Sozialkontakte
Fazit von Thomas Münzer: Gesundes Altern wird von weit mehr und anderen Faktoren beeinflusst als durch die Einnahme von Tabletten, das Auftragen von Salben oder Nahrungsmittelergänzungen. Wesentliche Beiträge für gesundes Altern seien körperliche Aktivität, geistige Herausforderungen und die Pflege von sozialen Beziehungen.
Und nicht weniger wichtig sind wohl auch ein „positiver Blick auf das Älterwerden sowie eine aktive Gestaltung dieser Lebensphase, wie Forscherinnen der Universität Greifswald in einer aktuellen Studie herausgefunden haben („Journal of Personality and Social Psychology“). Ihre Befunde geben, wie Professorin Dr. Susanne Wurm schlussfolgert, „gute Hinweise darauf, dass wir Menschen vor allem darin unterstützen sollten, ihr Älterwerden aktiv zu gestalten. Als Erzfeind des gesunden Alterns entpuppt sich die Einstellung, sich selbst zu beschränken, weil es für diesen Plan oder jene Aktivität vermeintlich schon zu spät sei. Menschen lernen ihr ganzes Leben lang negative Bilder vom Alter und neigen deshalb dazu, diese auf sich selbst anzuwenden, wenn sie dann alt sind. Diese Altersselbstdiskriminierung gilt es zu durchbrechen“.
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