HIV-Prävention: Hohe Wirksamkeit von PrEP auch bei Frauen
- Andrea Hertlein
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
In Ländern mit hoher HIV-Prävalenz könnte die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) das HIV-Infektionsrisiko bei Frauen um mehr als 90 Prozent reduzieren. Das ist das Ergebnis einer Modellierung, die kürzlich in Nature Medicine veröffentlicht wurde. Demnach gebe es keinerlei statistische und biologische Anhaltspunkte, dass die PrEP bei heterosexuellen Frauen weniger wirksam ist als bei homosexuellen Männern.
Die meisten HIV-Infektionen bei jungen Frauen treten in ärmeren Ländern der Welt auf, mit HIV-Prävalenzen von bis zu 25 Prozent. Die Präexpositionsprophylaxe mit den Wirkstoffen Emtricitabin/Tenofovir ist für heterosexuelle Frauen eine der wenigen Möglichkeiten, sich selbst vor HIV zu schützen. Darüber hinaus ist es ein sehr günstiges Mittel, das auch in Ressourcen-ärmeren Ländern verfügbar ist.
Klinische Studien bei Frauen wenig aussagekräftig
Während PrEP bei homosexuellen Männern bereits seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt wird, ergaben klinische Studien ein uneinheitliches Bild bezüglich der Wirksamkeit der PrEP bei Frauen. Die Ergebnisse dieser klinischen Studien führten daraufhin zur Verunsicherung bezüglich der Bewertung der PrEP, was direkte Auswirkungen auf die entsprechenden WHO-Empfehlungen hatte, sowie auf die generelle Akzeptanz der PrEP bei Frauen.
Ein internationales Forscherteam um Max von Kleist von der Freien Universität Berlin hat auf Basis der verfügbaren klinischen Studien zunächst die Wirksamkeit der PrEP bei Frauen geschätzt. In ihrer Modellierung integrierten sie dann alle zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Datenquellen, um verschiedene Hypothesen zur Wirksamkeit der PrEP bei Männern und Frauen zu überprüfen.
HIV-Infektionsrisiko um mehr als 90% reduziert
Die Untersuchung ergab, dass PrEP bei Frauen sehr wohl das HIV-Infektionsrisiko mit mehr als 90 Prozent äußerst effektiv reduziert und dass es derzeit keinen Anhaltspunkt gibt, warum der Schutz vor HIV-Ansteckung mit PrEP bei heterosexuellen Frauen weniger effektiv sein sollte als bei homosexuellen Männern. "Wir fanden heraus, dass Hypothesen über vermeintliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen entweder nicht aussagekräftig waren oder statistisch nicht mit klinischen Daten übereinstimmten", schreiben die Wissenschaftler.
Gründe für unterschiedliche Wirksamkeit
Allerdings müsse eine regelmäßige Einnahme erfolgen. Im Gegensatz zu einer Impfung müsse das PrEP-Medikament regelmäßig aktiv selbst eingenommen werden. Die Analyse konnte zeigen, dass ein Teil der Frauen in klinischen Studien die Medikamente gar nicht einnahm, und damit auch keine Schutzwirkung erzielen konnten. Die PrEP-Wirksamkeit war hoch (>90%), wenn FTC/TDF drei- bis viermal pro Woche eingenommen wurde.
Unterschiedliche klinische Ergebnisse seien möglicherweise eher auf das PrEP-Einnahmeverhalten sowie auf die Akzeptanz zurückzuführen, als auf biologische Faktoren, die spezifische Adhärenzanforderungen bei Cisgender-Frauen bestimmen. „Unsere Ergebnisse könnten für cisgender Frauen eine große Veränderung hinsichtlich der Wahrnehmung, und der Möglichkeiten des selbstbestimmten Schutzes vor HIV-Infektionen bedeuten“, so die Wissenschaftler.
Anpassung der WHO-Empfehlungen
Die Wissenschaftler räumen ein, dass die WHO möglicherweise aufgrund der Studienergebnisse künftig ihre Empfehlungen bezüglich der PrEP-Einnahme bei Frauen an diejenigen für Männer anpassen werde. Wie es bereits seit langem bei homosexuellen Männern der Fall ist, könnten weitere Studien auch die Effektivität von PrEP bei einer „on-demand“ Einnahme untersuchen. Dieser Ansatz wäre im Alltag erheblich praktikabler als die bisherige Empfehlung der täglichen PrEP-Pilleneinnahme.
„Nachdem es keine soliden Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Wirksamkeit von PrEP bei Männern vs. Frauen gibt, wäre es deshalb folgerichtig, die Wirksamkeit von PrEP auch bei Frauen bei der „on-demand“ Dosierung zu erforschen, langfristig mehr Optionen des HIV-Selbstschutzes für Frauen zu schaffen, und somit einen stärkeren Rückgang von HIV in ärmeren Regionen zu bewirken“, resümiert von Kleist.
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