HIV-Infektion: Pitavastatin reduziert das kardiovaskuläre Risiko um mehr als ein Drittel

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Bei Menschen mit HIV und einem niedrigen bis moderaten kardiovaskulären Risiko senkt Pitavastatin die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen bereits innerhalb von 5 Jahren um 35 %. Entsprechende Daten der Phase-3-Studie REPRIEVE sind beim 12. Meeting der International Aids Society (IAS) in Brisbane, Australien, vorgestellt und zeitgleich vollpubliziert worden (N Engl J Med DOI: 10.1056/NEJMoa2304146).

Hintergrund 

Menschen mit HIV haben ein circa doppelt so hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Menschen ohne HIV (1). Dies lässt sich nicht mit klassischen Risikofaktoren allein erklären, und selbst bei erfolgreicher Virussuppression und Adjustierung um kardiovaskulär relevante Einflussfaktoren bleibt ein erhöhtes Risiko bei HIV-Infizierten gegenüber Nicht-infizierten bestehen (2). Die Ursachen sind nicht geklärt. Aber vermutet wird, dass erhöhte LDL-Cholesterol-Werte (LDL-C) und eine infektionsinduzierte systemische Inflammation daran mitwirken. Statine senken das LDL-C und haben entzündungshemmende Effekte. Wegen dieses Zusammenhangs ist in einer prospektiv randomisierten Phase-3-Studie das Medikament Pitavastatin, ein international und auch in Deutschland zugelassenes Statin, auf potenziell risikosenkende, präventive Wirkungen bei Menschen mit HIV untersucht worden (3).

Design

  • Studienform: internationale, prospektiv randomisierte Untersuchung auf Initiative der National Institutes of Health in den USA
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Probanden mit HIV-Infektion im Alter zwischen 40 und 75 Jahren (Durchschnittsalter: 50 Jahre) unter kontinuierlicher antiretroviraler Therapie (ART) mit niedrigem bis moderatem kardiovaskulären Risiko
  • Merkmale der Probanden: 
    • zu 31,1 % weiblich
    • medianer LDL-C-Wert bei Studienbeginn: 108 mg/dL
    • mediane Zahl der CD4-positiven Zellen: 621/mm3
    • HI-Viruslast bei 87,5 unterhalb der Quantifizierbarkeit gängiger Tests (Nachweisgrenzen zwischen < 20 Kopien/mL bis < 400 Kopien/mL)
  • Randomisierung: im Verhältnis 1:1 in eine Gruppe, die oral Pitavastatin-Kalzium 4 mg täglich erhielt oder ein Placebo
  • Primärer Endpunkt: schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) wie Tod kardiovaskulärer Ursache, Myokardinfarkt, stationäre Aufnahme wegen instabiler Angina pectoris, Schlaganfall, transiente ischämische Attacken, periphere arterielle Ischämie, Revaskularisation oder Tod unklarer Ursache

Hauptergebnisse

  • 7.769 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden eingeschlossen.
  • Die Studie wurde wegen eines klaren Vorteils von Verum in Bezug auf den primären Endpunkt nach median 5,1 Jahren gestoppt (Range: 4,3-5,9 Jahre).
  • Die Inzidenz für MACE betrug 4,81/1.000 Personenjahre in der Pitavastatingruppe und 7,32/1.000 Personenjahre in der Placebogruppe (Hazard Ratio: 0,65; 95-%-Konfidenzintervall: 0,48-0,90; p = 0,002).
  • Statinassoziierte Myopathien traten bei 2,3 % der Verumbehandelten auf und bei 1,4 % der Placebotherapierten.
  • Diabetes mellitus wurde bei 5,3 % unter der Statintherapie diagnostiziert und bei 4,0 % in der Placebogruppe.

Klinische Bedeutung

Eine primärpräventive Behandlung mit dem Statin Pitavastatin reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse von Menschen mit HIV, die eine stabile effektive ART erhalten und ein geringes bis moderates kardiovaskuläres Risiko haben. Der präventive Effekt ist bereits nach median 5 Jahren mit 35 % Risikoreduktion deutlich erkennbar und statistisch signifikant.

Dies sei eine gute Nachricht für die Patienten, zumal es derzeit an standardisierten primärpräventiven Therapien zur Verhinderung kardiovaskulärer Erkrankungen bei dieser Patientengruppe fehle, heißt es im Kommentar zur Publikation (4).

Ein großes Plus der Studie sei, dass der Anteil weiblicher Probanden mit fast einem Drittel im Vergleich zu anderen Studien hoch sei und Subgruppen wie Patienten mit chronischer Hepatitis C oder mit Substanzmissbrauch eingeschlossen worden waren.

Zu den offenen Fragen gehöre, ob Pitavastatin langfristig sicher sei bei den üblichen ART-Kombinationstherapien. Schließlich seien Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin kontraindiziert, wenn Proteaseinhibitoren eingenommen werden.

Finanzierung: National Institutes of Health in den USA