HIV bei Kindern und Jugendlichen: Was die aktualisierten Leitlinien jenseits der ART empfehlen

  • Dr. Stefanie Reinberger
  • Medizinische Nachrichten
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Kernaussagen

  • HIV-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen stellen in vielen medizinischen und sozialen Bereichen eine Herauforderung dar.
  • Die Aufklärung der betroffenen Kinder und Jugendlichen über ihre Diagnose sollte altersgemäß und individuell erfolgen. Spätestens in der Pubertät sollten die Jugendlichen vollständig über ihre Infektion im Bilde sein.
  • Adhärenz stellt eine besondere Herausforderung dar – insbesondere in der Asoleszenz.
  • Der Übergang in die Erwachsenenmedizin muss gut vorbereitet werden, um eine nahtlose medizinische Versorgung zu gewährleisten.

HIV-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen stellen nicht nur im Zusammenhang mit Diagnose und Antiretroviraler Therapie (ART) eine Besonderheit dar (aktualisierte Leitlinien ART bei Kindern und Jugendlichen). Auch die Frage, wann und wie die betroffenen Kinder aufgeklärt werden sollen, sowie Adhärenz, Langzeittoxizitäten, HIV-Resistenzen, die reproduktive Gesundheit, die eigene Familienplanung und schließlich die Transition der Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin sind eine große Herausforderungen. Die aktualisierten Leitlinien zur ART bei Kindern und Jugendlichen gehen auch auf diese Themen ein (1,2).

 

Aufklärung ja, aber wann?

Die WHO-Guidelines von 2011 empfehlen eine altersgerechte Aufklärung für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Jüngere Kinder sollten schrittweise auf die Bekanntgabe der Diagnose vorbereitet werden. Ist ein Kind über seine HIV-Infektion informiert, kann dies möglicherweise die regelmäßige Medikamenteneinnahme unterstützen. Bei der Diagnosemitteilung gilt es allerdings auch abzuwägen, ob beispielsweise eine unkontrollierte Diagnoseoffenbarung durch das Kind in seinem sozialen Umfeld zu Ablehnung führen könnte. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, mit der Aufklärung zu warten. Die Diagnose sollte den minderjährigen Patienten jedoch spätestens in der Pubertät bekannt sein – nicht zuletzt, um ungeschützte sexuelle Kontakte zu vermeiden. Ab einem Alter von 14 Jahren dürfen Ärzte die Diagnose den Betroffenen auf deren konkrete Nachfrage nicht mehr verschweigen.

 

Adhärenz als A und O der erfolgreichen Therapie

Die regelmäßige und verlässliche Medikamenteneinnahme stellt bei Jugendlichen weltweit eine besondere Herausforderung dar. Entsprechend gibt es einen sehr hohen Bedarf an Strategien, um die Adhärenz zu steigern.

  • Die selbstberichtete Adhärenz gilt, obwohl es sich um ein subjektives Maß handelt, als einfach anzuwendende Methode, die mit objektivierbaren Messgrößen, wie der Anzahl der eingenommenen Tabletten und Viruslast korreliert.

  • Um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, bedarf es neben einem guten Vertrauensverhältnis medizinisches Personal, das in der pädiatrischen HIV-Medizin erfahrenen ist sowie versierte psychosoziale Betreuung.

  • Gruppenarbeit zu Themen wie Stigmatisierung, Offenlegung oder Geheimhaltung der Diagnose, gesunde Partnerschaft, Drogen und Zukunfts- und Familienplanung vermögen sich positiv auf die Adhärenz auszuwirken.

  • Eine Studie aus 2018 hat ergeben, dass der Einsatz von mobiler Kommunikation in Form von Textnachrichten die Adhärenz steigern kann, was sich durch eine messbare Senkung der Viruslast dokumentieren ließ (3).

  • Entscheidend für die Adhärenz ist auch, bereits zu Beginn der Therapie einen individualisierten Plan für die Medikation aufzustellen, der die regelmäßige Einnahme altersgemäß erleichtert.

 

Übergang zur Erwachsenenmedizin

Die meisten HIV-positiven Kinder und Jugendliche erreichen heute das Erwachsenenalter. Dies ist insbesonderen den Fortschritten im Bereich der ART, der geringen Zahl der Mutter-Kind-Übertragungen und der besseren Versorgung perinatal exponierter Neugeborener zu verdanken. Dieser medizinische Fortschritt bringt neue Herausforderungen mit sich, wie den Übergang in die Erwachsenenmedizin. Für einen möglichst reibungslosen Übergang ist es wichtig, diesen rechtzeitig zu planen. So lässt sich eine nahtlose Versorgung nach Verlassen der pädiatrischen Einrichtungen erreichen.

  • Dazu sollten die Jugendlichen zunächst vollständig über ihre Infektion aufgeklärt werden.

  • Der Transitionsprozess soll entsprechend der Reife und Fähigkeiten des Jugendlichen graduell und multidisziplinär erfolgen.

  • Bei vorliegendem Einverständnis des erwachsen werdenden Jugendlichen ist es sinnvoll, vor der Transition mit den weiterbehandelnden Kollegen Kontakt aufzunehmen.

  • Zusätzlich spielen Familienverhältnisse, die Kommunikation und Austausch mit ebenfalls infizierten Gleichaltrigen (Peer Support) eine zentrale Rolle.