Hitzeschäden und Dehydrierung: Wie erkennen, wie vorbeugen?

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Deutschland war eines der europäischen Länder mit der höchsten hitzebedingten Sterblichkeit während der Sommersaison 2022, wie eine neue Analyse im Fachjournal „Nature Medicine“ zeigt. Die Studie schätzt, dass zwischen dem 30. Mai und dem 4. September 2022 in Europa fast 62.000 Menschen aufgrund von hitzebedingten Erkrankungen starben, 8173 Menschen allein in Deutschland. Die meisten hitzebedingten Todesfälle hatten der Studie zufolge Italien (18.010) und Spanien (11.324). Das "Problem" ist nicht neu: Bereits 2008 erschien eine Studie französischer Wissenschaftler, nach der die Übersterblichkeit im „Jahrhundert-Sommer“ 2003  in Europa sogar bei über 70000 Toten und in Deutschland bei über 9000 Toten gelegen habe.

Außer Säuglingen und Kleinkindern brauchen bekanntlich vor allem alte Menschen Schutz vor großer Hitze; gerade während der heißen Tage werden jedoch alte Menschen immer wieder notfallmäßig in ein Krankenhaus eingeliefert, weil sie mangels ausreichender Flüssigkeitszufuhr lebensbedrohlich dehydriert sind. „Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Dehydratation weiterhin zu den zehn häufigsten Gründen für eine Krankenhauseinweisung bei alten Menschen zählt. Je nach Ausprägung ist sie mit einer Letalität von über 50 % verknüpft“, betont etwa Dr. Rolf Schaefer (Bergisch Gladbach) in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“.

Die Genese der Dehydrierung ist vielfältig. Aufgrund der geänderten Körperzusammensetzung haben bei alten Menschen kleinere Flüssigkeitsdefizite eine wesentlich größere Auswirkung als beim jungen Menschen. Menschen reagieren laut Schaefer umso empfindlicher auf einen Wasserverlust, je niedriger der BMI ist. Dies gelte umso mehr für alte Menschen, deren Wasseranteil, bedingt durch den im Alter erhöhten Fettanteil, nochmals geringer sei.

„Bereits ein leichter Wasserverlust von 1 – 3 % führt zu einer Steigerung des Durstgefühls sowie einer Verminderung der Speichel- und der Harnproduktion“, erklärt Schaefer. Bei einem Verlust von 4 – 6 % reduzierten sich unter anderem die kognitiven Fähigkeiten um ca. 20 %, und es träten Symptome wie Müdigkeit und Übelkeit auf. Ein langsamer Flüssigkeitsverlust von über 20 % sei tödlich, bei rascher Entwicklung sei bereits ein Verlust von 15 % lebensbedrohlich.

Problem Trinkschwäche

Außer großer Hitze ist eine Trinkschwäche eine häufige und bekannte Ursache dafür, dass gerade alte Menschen von lebensbedrohlicher Dehydrierung betroffen sind. So trinken Schaefer zufolge 27 Prozent der über 85-Jährigen täglich weniger als 1000 ml, bei den über 65-Jährigen betrage der Anteil dagegen 14 Prozent.

Gefördert wird eine Trinkschwäche unter anderem durch Demenz-Erkrankungen und auch durch die „Angst vor Inkontinenz oder nächtlichen Toilettengängen“. Darüber hinaus nimmt das Durstgefühl ab, bedingt durch eine veränderte Sekretion von ADH (antidiuretisches Hormon) und ANP (atriales natriuretisches Peptid). Bildung und Ausschüttung von ADH könnten zudem von Sulfonylharnstoffen und Diuretika beeinflusst werden, außerdem von ischämischen Ereignissen, entzündlichen Veränderungen oder paraneoplastischen Vorgängen. Darüber hinaus könnten Medikamente eine Exsikkose provozieren, außer Diuretika auch ACE-Hemmer und Laxantien.

Das Problem „Dehydrierung“ bei alten Menschen ist zwar bekannt, doch den Flüssigkeitsmangel rechtzeitig zu erkennen, ist laut Schaefer gar nicht so leicht: „Die Diagnose der milden bis mittelschweren Dehydratation, welche bereits u. a. mit einer Einschränkung der kognitiven Funktion und den daraus sich ableitenden Folgen verbunden ist, kann schwierig sein. Hier versagen alle klassischen Zeichen bzw. Symptome, die beispielsweise bei Kleinkindern die Dehydratation belegen. Unter anderem haben Laborveränderungen eine sehr geringe Aussagekraft. Die stehende Hautfalte auf dem Handrücken ist aufgrund des verminderten Kollagen-Gehaltes der Haut beim alten Menschen ohne Aussage.“

Was im klinischen Alltag bleibe und zumindest einen gewissen Hinweis liefere, sei die trockene Axilla (mit einer hohen Sensitivität, aber nur einer moderaten Spezifität sowie einer großen Abhängigkeit vom Feuchtigkeitsgrad).

Prävention hitzebedingter Gesundheitsstörungen 

Wie hitzebedingten Gesundheitsstörungen vorzubeugen sind, hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in ihren S1-Empfehlungen „Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis“  dargestellt: 

  • Anstrengungen in Hitze meiden
  • kühle Orte aufsuchen (Schatten)
  • keine älteren Menschen und Kinder bei Hitze in Autos lassen bzw. in die Sonne stellen (Rollstuhl, Kinderwagen)
  • Kopfbedeckungen und helle, luftige Kleidung
  • ausreichende Trinkmenge
  • Medikamenten-Monitoring (v. a. Diuretika, Anticholinergika, Antihistaminika, SSRI, Benzodiazepine, Beta-Blocker, Calcium-Antagonisten, Neuroleptika, Phenothiazine, Schilddrüsenhormone, Sympathomimetika, trizyklische Antidepressiva). 

Hitzeerschöpfung/Hitzschlag

Vor allem gravierendere neurologische Symptome wie Bewußtseinsstörungen, Ataxie, Krämpfe und Kerntemperaturerhöhungen über 40°C sprechen laut DEGAM-Empfehlungen für den Hitzschlag. Die Ausprägung des Hitzeschlags kann auch zeitlich verzögert klinisch manifest werden. Zudem ist die mögliche Entwicklung durch kumulative Hitzeeinwirkungen zu bedenken.

Therapie  bei Hitzeerschöpfung/Hitzschlag

Außer allgemeinen Maßnahmen sollten so rasch wie möglich Kühlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Lediglich Reanimationsmaßnahmen dürften den Kühlungsmaßnahmen vorangehen bzw. mit diesen zusammen durchgeführt werden. Diese Maßnahmen seien bis zu einer Körperkerntemperatur von 39-38,5°C durchzuführen. Nach Erreichen dieser Temperatur sollten die Maßnahmen pausiert werden, um keine überschießende Hypothermie zu induzieren.

Kühlungsmaßnahmen sind zum Beispiel:

  • Eintauchen in Wasser (Leitungswasser)
  • Besprühen von Personen mit Wasser und das Einsetzen eines Luftstroms zur Kühlung
  • Applikation von Kühlpacks (klassisch: Nacken, Leisten, Achsel).
  • Kombinationen dieser Methoden zeigen eine gesteigerte Kühlungswirkung.

Eiswasserkühlung ist insbesondere bei Älteren trotz Effektivität in der Temperatursenkung eher nicht in der ambulanten Primärversorgung indiziert.

Nach einem belastungsinduzierten Hitzschlag sollten laut DEGAM mindestens eine Woche Schonung und dann eine langsame Akklimatisation an neue Belastungen über 2-4 Wochen erfolgen.