Hirnatrophie nimmt unter Wirkstoffen gegen die Alzheimer-Krankheit noch zu
- Dr. med.Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Die Entwicklung neuer Medikamente für Patienten mit Alzheimer-Erkrankung steht auch weiterhin unter keinem nur hell leuchtenden Stern. Nach kaum zu zählenden Rückschlägen gibt es zwar mit dem monoklonalen Antikörper Lecanemab etwa einen so genannten „Hoffnungsträger“. Aber wo Licht ist, da ist bekanntlich auch Schatten: Anti-Amyloid-Wirkstoffe wie unter anderen dieser Antikörper führen offenbar zu einer weiteren Schrumpfung der ohnehin bereits atrophierten Gehirne. Dieses Phänomen ist nicht ganz neu: Schon 2016 berichteten Wissenschaftler über eine Zunahme des Ventrikel-Volumens unter dem Antikörper Bapineuzumab. Und im November des vergangenen Jahres beschrieb auch der US-Neurologe und Demenz-Spezialist Professor Madhav Thambisetty von der Johns Hopkins University in einem Beitrag für das US-Portal „Stat“ das Phänomen .
Nun zeigt zudem eine systematische Studien-Auswertung, dass pharmakologische Therapien gegen Beta-Amyloid und Amyloid-Plaques mit einer weiteren Schrumpfung des Gehirns der Alzheimer-Kranken einhergehen. Die Ergebnisse der Studienauswertung sind vor wenigen Tagen im Fachmagazin „Neurology“ erschienen.
Auswertung von 31 Studien
Die systematische Überprüfung und Metaanalyse umfasste Erwachsene, die an randomisierten kontrollierten Studien zu Anti-Aβ-Medikamenten teilgenommen hatten (n=8062 bis 10279). Die MRT-Gehirnvolumina wurden als primärer Studienendpunkt verwendet. Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (ARIA) wurden analysiert, wenn sie in den klinischen Studien dokumentiert waren. Von den 145 untersuchten Studien wurden 31 in die endgültige Analyse einbezogen.
Die Auswertung ergab, dass die Therapie mit einer zerebralen Volumen-Minderung einherging. Sekretasehemmer beschleunigten die Atrophie des Hippocampus und des gesamten Gehirns. Auch die ARIA-induzierenden Antikörper Lecanemab und Donanemab beschleunigten den Verlust des gesamten Gehirnvolumens, wobei eine auffällige Korrelation zwischen dem ventrikulären Volumen und der ARIA-Häufigkeit beobachtet wurde. Die Teilnehmer an zwei großen Lecanemab-Studien, die die höchste Dosis des Medikaments erhielten, verzeichneten nach etwa 18 Monaten einen durchschnittlichen Hirnvolumenverlust von 28 % im Vergleich zu Placebo. Dies entsprach einem Verlust von zusätzlichen 5,2 Millilitern (ml) an Hirnmasse. Die Autoren der aktuellen Studien-Analyse berichteten zudem, dass die Anti-Amyloid-Antikörper - nicht aber die Sekretasehemmer - zu einer Vergrößerung der Hirnventrikel geführt hätten.
„Wir wissen nicht genau, was diese Veränderungen bedeuten könnten", sagt Dr. Jonathan Jackson, Neurowissenschaftler am Massachusetts General Hospital. Aber: „Diese Daten sind äußerst besorgniserregend, und es ist wahrscheinlich, dass diese Veränderungen schädlich sind.“ Ein Sprecher von Eisai wies hingegen erneut darauf hin, dass die Schrumpfung auch ein „gutes“ Zeichen sein könnte. So hätten die Teilnehmer an der Lecanemab-Zulassungsstudie zwar einen „größeren Verlust an kortikalem Volumen unter Lecanemab im Vergleich zu Placebo" gezeigt; diese Volumen-Reduktion könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass der monoklonale Antikörper Beta-Amyloid aus dem Gehirn entferne und entzündliche Prozesse reduziere. Aber das sei reine Spekulation, befürchteten einige Wissenschaftler, heißt es im Wissenschaftsmagazin „Science“. „Wir wissen nicht, was es bedeutet", dass das Gehirn bei den behandelten Teilnehmern stärker schrumpft als bei Menschen, die ein Placebo erhalten, wird Professor Lon Schneider (California Alzheimer's Disease Center, University of Southern California) zitiert. Doch „wenn wir einen Volumenverlust im MRT sehen, denken wir, dass das nicht gut ist", so Schneider weiter.
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