Heilung von HIV-Infektion: Klinische Studie mit „Schock-und-Kill“-Strategie ohne Erfolg

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Die Kombination des Histondeacetylase-Inhibitors Romidepsin mit Breitspektrumantikörpern gegen HIV ist nicht in der Lage, eine Reaktivierung von HIV nach Absetzen einer hochaktiven antitretroviralen Behandlung zu verhindern. Der Ansatz für eine Heilung über diese „Schock-und-Kill-Strategie“ hat sich damit in einer internationalen Phase-2a-Studie als nicht erfolgreich erwiesen. Das Prinzip ist damit aber nicht grundsätzlich vom Tisch.

Hintergrund
Für HIV-infizierte Menschen mit Zugang zu hochaktiven antiretroviralen Therapien (HAART) verläuft die Infektion im Allgemeinen chronisch, aber nicht tödlich. Allerdings führt eine Unterbrechung der Therapie zu einem Wiederanstieg der Viren im Blut. Der Grund: ein meist kleines, aber dauerhaft persistierendes Virus-Reservoir in CD4-positiven T-Zellen, die Proviren als komplementäre DNA ins Genom integrieren. Ein solches Virusreservoir bildet sich nach derzeitigem Kenntnisstand schon in den ersten Tagen der akuten HIV-Infektion aus. Da die Provirustragenden Zellen wenig oder keine virale RNA oder Virusproteine bilden, sind sie der immunologischen Kontrolle nicht zugänglich. Eine klinisch intensiv erforschte Strategie in der Hoffnung, Heilung zu erreichen, ist es, die HIV-Provirus-beherbergenden Wirtszellen zunächst über Histondeacetylase-Inhibitoren wie Romidepsin zu reaktivieren und damit „aus der Reserve zu locken". Sie sollen dann von bereits zirkulierenden, virusspezifischen Antikörpern abgetötet werden.

Design

  • Studienform: randomisierte, offene Phase-2a-Studie an 3 internationalen akademischen Zentren, darunter der Universitätsklinik Köln
  • Studienteilnehmer: erwachsene HIV-infizierte Personen mit HIV-1-RNA-Konzentrationen im Plasma < 50 Kopien/mL in den letzten 12 Monaten und einer Zahl CD4+ T-Zellen > 500/μL unter HAART; Substanzklassen für HAART: Integrase-Inhibitor-basierte Regime (Raltegravir oder Dolutegravir)
  • Studientherapie: für alle Teilnehmer intravenös Romidepsin zu Woche 0, 1 und 2 (1. Zyklus) und dann wieder zu Woche 8, 9 und 10 (2. Zyklus)
  • Randomisierung: 1 : 1 vor Beginn der Romidepsinbehandlung in eine Gruppe, die 2 Tage vor jedem Zyklus HIV-1-neutralisierende Antikörper (3BNC117) erhielt und eine zweite Gruppe ohne Antikörperinfusionen
  • primärer Endpunkt: Zeit bis zum Anstieg der HIV-RNA-Kopien nach Beginn einer monitorierten HAART-Unterbrechung ab Woche 24; es bestand die Möglichkeit, die HAART wiederaufzunehmen, wenn die CD4+-Zellzahlen auf < 350/μL absanken

Hauptergebnisse

  • 22 Patienten wurden eingeschlossen und jeweils mit Romidepsin oder mit Romidepsin plus Antikörpern behandelt.
  • Die mediane Zeit bis zum Wiederanstieg der Viruslast nach Unterbrechung der HAART betrug 18 Tage unter Romidepsin plus Antikörperpräparat und 28 Tage unter Romidepsin allein.
  • Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war klinisch nicht relevant, aber er war statistisch signifikant (p = 0,0016) und für die Forscher kam die Diskrepanz zuungunsten der Kombinationstherapie unerwartet.
  • Es gab 2 schwere, therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse, nämlich Anstiege der Bilirubinwerte in der Gruppe mit Romidepsin alleine.

Klinische Bedeutung
Das Ziel, bei kontrollierter HIV-Infektion auch die Viruslatenz aufzuheben, indem latent infizierte Zellen aktiviert und immunologisch abgetötet werden („Schock und Kill“), lässt sich durch die Kombination des Histon-Deacetylase-Inhibitors Romidepsin mit zwei Mal applizierten breit neutralisierenden Anti-HIV-1-Antikörpern nicht erreichen. Auch der Wiederanstieg der HIV-RNA-Kopien im Plasma verzögert sich durch diese Strategie nicht wesentlich.

Der erhoffte Weg zur Heilung ist dieser Ansatz also nicht. Als potenzielle Ursachen für das negative Ergebnis diskutieren die Autoren, dass eine Reaktivierung des Virusreservoirs nicht ausreichend gewesen sein könnte und eine immunologische Kontrolle möglicherweise eines stärkeren Eigenanteils des Patienten bedürfe.

Finanzierung: amfAR, German Center for Infection Research