Harninkontinenz der Frau: Belastungsinkontinenz und überaktive Blase in einer S2k-Leitlinie
- Andrea Hertlein
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) die erste S2k-Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von Frauen mit Harninkontinenz veröffentlicht. Darin werden erstmals die wesentlichen Formen der Harninkontinenz, Belastungsinkontinenz und überaktive Blase/Dranginkontinenz in einer Leitlinie zusammengefasst, für die es bislang zwei getrennten Leitlinien gab.
Dunkelziffer macht Angaben zur Prävalenz schwierig
Die Harninkontinenz zählt zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Gynäkologie. Jede dritte Frau in Deutschland berichtet über Inkontinenzbeschwerden, wobei Häufigkeit und Ausmaß im Alter deutlich zunehmen. Laut Leitlinie liegt die Inzidenz bei 41- 60-Jährigen bei 11,3 Prozent und steigt bei den über 60-Jährigen auf 27,1 Prozent, wobei die Dunkelziffer nicht unerheblich sei, so die Autoren.
Anamnese effektiv trotz fehlender Evidenz
In der Diagnostik der Harninkontinenz unterstreichen die Autoren trotz fehlender Evidenz die Bedeutung einer gezielten und ausführlichen Anamnese. Dadurch sei in bis zu 80 Prozent eine Kategorisierung in Belastungs-, Drang- oder Mischharninkontinenz möglich. Wenig evident, aber ebenfalls sehr wichtig ist laut Leitlinie die klinische Inspektion mit abdomineller Palpation, vaginaler und rektaler Untersuchung sowie urogynäkologischer Untersuchung.
Je nach Form der Harninkontinenz wird dann die entsprechende Therapie gewählt. Einen besonderen Fokus legt die Leitlinie dabei auf die konservative Therapie. Bei Patientinnen mit Harninkontinenz, bei denen Begleiterkrankungen, etwa eine Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus oder eine Depression vorliegen, sollte immer eine angemessene Behandlung dieser Erkrankung erfolgen, lautet eine „starke Empfehlung“ der Leitlinie. Damit lasse sich möglicherweise auch der Schweregrad der Harninkontinenz bessern, so die Autoren.
Änderungen in puncto Lebensstil
Auch eine gesunde Lebensweise könne laut Leitlinie möglicherweise die Harninkontinenz verbessern. So sollen Übergewichtige oder adipöse Patientinnen motiviert werden, ihr Gewicht zu reduzieren. Epidemiologischen Studien zufolge sei Übergewicht ein wesentlicher Risikofaktor der Harninkontinenz, so die Autoren. Auch zu einer Reduzierung der Koffeinaufnahme raten die Leitlinien. Dies soll den imperativen Harndrang und die Miktionshäufigkeit verringern, nicht aber die Belastungsinkontinenz.
In puncto Lebensstil sei aber vor allem die körperliche Aktivität ein relevanter Faktor. Demnach soll Frauen mit Belastungsinkontinenz und Mischharninkontinenz (inklusive älterer Patientinnen und Frauen nach der Geburt) Beckenbodentraining angeboten werden, lautet eine weitere Empfehlung. Es sei dabei sinnvoll, die Beckenbodenkraft zu kontrollieren und das Training über mindestens drei Monate lang durchzuführen.
„Diese Leitlinie bietet ein breites diagnostisches und therapeutisches Instrumentarium, dessen Anwendung sich am Leidensdruck und an der Therapiemotivation der Patientin orientiert. Eine fachgerechte Diagnostik und eine gut fundierte Beratung kann jeder betroffenen Frau die Chance auf eine individualisierte Behandlung eröffnen“, betonte Gert Naumann, einer der Leitlinienkoordinatoren.
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