Höheres Demenzrisiko von Frauen: ein Erklärungsversuch

  • Kelli Whitlock Burton
  • Medizinische Nachrichten
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Frühere Forschungs-Arbeiten haben ergeben, dass Frauen ein höheres Lebenszeit-Demenzrisiko haben als Männer; als eine Erklärung wurde angeführt, dass Frauen tendenziell länger leben als Männer. Eine neue Analyse der Daten von fast 30.000 Menschen aus 18 Ländern hat jedoch fast keine Hinweise auf Geschlechtsunterschiede bei den meisten bekannten Risikofaktoren für Demenz ergeben, das Alter eingeschlossen. Das Demenzrisiko bei Frauen war hingegen in ärmeren Ländern deutlich höher, was auf wirtschaftliche Nachteile als mögliche Erklärung hindeutet. Die Ergebnisse der Analyse sind kürzlich online im Fachjournal "Alzheimer's and Dementia" veröffentlicht worden.

"Im Allgemeinen stellten wir fest, dass das höhere Demenzrisiko bei Frauen im Vergleich zu Männern in ärmeren Ländern ausgeprägter war, was darauf hindeutet, dass größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in diesen Ländern zu verringern", erklärte die leitende Wissenschaftlerin Jessica Gong, Doktorandin am George Institute for Global Health in Newtown (Australien). "Es ist wahrscheinlich, dass sozioökonomische Faktoren bei der Bewertung des Demenzrisikos möglicherweise wichtiger sind als biologische Faktoren".

Globale Daten

Die meisten früheren Studien, die geschlechtsspezifische Unterschiede beim Demenzrisiko untersuchten, seien in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt worden, bemerkte Gong, sodass eine Lücke in der Literatur über das Risiko in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bestehe.

Um dieses Problem anzugehen, führten Wissenschaftler eine Metaanalyse von 21 Studien aus dem "Cohort Studies of Memory in an International Consortium" mit einzelnen Teilnehmern durch. Die Datenanalyse umfasste Informationen über 29.850 Personen aus 18 Ländern auf sechs Kontinenten. Keiner der Teilnehmer hatte zu Beginn der Studie eine Demenz, und das Durchschnittsalter betrug 71,6 Jahre. Im Laufe eines Medians von 4,6 Jahren wurde bei 2.089 Personen eine Demenz festgestellt, 66 % davon waren Frauen.

Insgesamt hatten Frauen ein höheres Demenzrisiko (HR, 1,12; 95 % CI, 1,02 - 1,23) als Männer, aber die Raten waren in Regionen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen am höchsten (HR, 1,73; P = 0,03).

In 14 Ländern war das Demenzrisiko bei Frauen höher als bei Männern. Am höchsten war das Risiko in Nigeria, wo das Demenzrisiko bei Frauen mehr als doppelt so hoch war (aHR, 2,11; 95% CI, 1,46 - 3,04), und am niedrigsten in Brasilien, wo das Risiko bei Frauen 46% niedriger war als bei Männern (aHR, 0,54; 95% CI, 0,29 - 1,00).

In den USA war das Demenzrisiko bei Frauen sieben Prozent höher als bei Männern (aHR, 1,07; 0,73 -1,57).

Ähnliche Risikofaktoren

Sowohl bei Frauen als auch bei Männern waren ein höheres Alter, Diabetes, Depressionen, Hörstörungen und ein APOE ε4-Trägerschaft mit einem höheren Demenzrisiko verbunden, während ein höherer Bildungsgrad, ein größerer Hüftumfang, aktueller Alkoholkonsum (im Vergleich zu nie) und eine hohe körperliche Aktivität (im Vergleich zu keiner oder minimaler körperlicher Aktivität) mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden waren.

Von all diesen Risikofaktoren waren die Geschlechtsunterschiede nur bei längerer Schulbildung und früherem Alkoholkonsum signifikant, wobei beide bei Männern einen stärkeren Zusammenhang aufwiesen als bei Frauen.

Es wird erwartet, dass sich die Demenzraten in den nächsten 25 Jahren weltweit verdreifachen werden, wenn keine Maßnahmen zur Reduktion der Risikofaktoren ergriffen werden. In einem Bericht für das Jahr 2020 wurde festgestellt, dass das Demenzrisiko durch erfolgreiche Maßnahmen gegen 12 veränderbare Risikofaktoren gesenkt werden könnte, darunter Fettleibigkeit, Luftverschmutzung, Diabetes, soziale Isolation und arterielle Hypertonie. Alle diese Risikofaktoren sind in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen häufiger anzutreffen, so Gong.

"Diese Ergebnisse rechtfertigen die laufenden Bemühungen zur Unterstützung von Programmen zur Verbesserung der Geschlechter-Gerechtigkeit bei der zerebralen Gesundheit, insbesondere in unterrepräsentierten und unterversorgten Bevölkerungsgruppen, um so die Unterschiede innerhalb und zwischen den Ländern zu verringern", sagte Gong.

Das Rätsel verstehen

Dr. Heather Snyder, Vizepräsidentin der Alzheimer's Association für medizinische und wissenschaftliche Beziehungen, kommentierte die Ergebnisse so: "Dies ist eine interessante Studie, die sich mit den Risikofaktoren für Demenz befasst und darauf hindeutet, dass einige Risikofaktoren bei Männern zwar ausgeprägter sind als bei Frauen, Frauen jedoch einem höheren Risiko ausgesetzt sein könnten, eine Demenz zu entwickeln", so Snyder. "Die Ergebnisse verdeutlichen, die Bedeutung des Verständnisses der zugrunde liegenden Biologie, insbesondere der Biologie, die sich bei Männern und Frauen unterscheidet, für das Risiko."

Die Daten zu den in der Studie hervorgehobenen länderspezifischen und geografischen Unterschieden weisen ebenfalls auf einen potenziellen Risikofaktor hin, sagte sie.

"Die Untersuchung geografischer Risikofaktoren ist wichtig, weil sie uns hilft, das 'Warum' hinter geografischen Unterschieden im Demenzrisiko zu verstehen", sagte Snyder. "Diese Art der Zusammenarbeit zwischen Ländern und Wissenschaftlern ist unerlässlich, damit wir diese Puzzlestücke verstehen können."

Die Studie wurde u. a. vom britischen Medical Research Council Skills Development Fellowship, dem australischen National Health and Medical Research Council Investigator Grant und dem National Institute on Aging finanziert. 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.