Hämophilie: Meilensteine zur Blutungsprophylaxe bei schweren und moderaten Verläufen
- Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Bei Patienten mit schwerer Hämophilie A hat sich ein neuer, sehr lang wirksamer Faktor VIII als hoch effektiv und sicher erwiesen zur Blutungsprophylaxe. Efanesoctocog Alpha hat eine durchschnittliche Halbwertszeit von 43,3 Stunden und ist damit deutlich länger wirksam als bisherige Gerinnungsfaktorprodukte. Bei milder bis moderater Hämophilie A ist Emicizumab eine neue Option. Der Antikörper war bislang zur Prophylaxe von Blutungen bei schwerer Hämophilie A als Alternative zur Faktor-VIII-Gabe zugelassen sowie bei Hemmkörperhämophilie. Die Indikation wurde nun erweitert auf eine milde oder moderate Hämophilie A bei Patienten, für die eine Blutungsprophylaxe klinisch indiziert ist.
Hintergrund
Eine Blutungsprophylaxe bei Hämophilie A erfolgt vorwiegend bei Patienten mit schwerer Erkrankung. Im Wesentlichen ist dies eine regelmäßige Substitution von Faktor VIII oder Faktor IX, um einen Faktorspiegel von >1 % aufrechtzuerhalten. Außer den aus Blutplasma produzierten Präparaten stehen zunehmend gentechnisch hergestellte (rekombinante) Faktorenkonzentrate für Hämophilie A (Faktor VIII) und Hämophilie B (Faktor IX) zur Verfügung. Einige haben durch Herstellungsmodifikationen wie Pegylierungen deutlich verlängerte Halbwertszeiten mit bis zu 15,4 Stunden (zit. n. [1]). Bei dem neuen Medikament Efanesoctocog Alpha, das ebenfalls ein rekombinantes Faktor-VIII-Protein enthält, wird eine noch längere Halbwertszeit von durchschnittlich 43,3 Stunden über mehrere gentechnische Modifikationen erreicht. Die wichtigste ist eine Blockade der Bindung an den Von-Willebrand-Faktor. Diese bestimmt die Geschwindigkeit der Proteolyse von Faktor VIII.
Emicizumab ist ein bispezifischer monoklonaler Antikörper und verbindet den aktivierten Faktor IX mit Faktor X. Auf diese Weise ersetzt er die Funktion von Faktor VIII.
Zwei internationale, fast zeitgleich publizierte Phase-3-Studien liefern für beide Substanzen neue, praxisrelevante Daten (1, 2).
Design
- Studienformen: die Studien zu Efanesoctocog Alpha (1) und Emicizumab (2) sind internationale, offene Phase-3-Studien mit einer Beteiligung deutscher Zentren
- Teilnehmer in der Studie zu Efanesoctocog Alpha: 159 Patienten mit schwerer Hämophilie A, von denen 133 (Gruppe A) das Medikament für 52 Wochen ein Mal pro Woche s.c. erhielten und 26 Patienten (Gruppe B) in den ersten 26 Wochen nur bei Bedarf und in 26 weiteren Wochen ein Mal pro Woche
- Teilnehmer in der Studie zu Emicizumab: 72 Frauen und Männer mit mittelschwerer bis milder Hämophilie A, die auf Anraten der behandelnden Ärzte wegen Blutungsereignissen in der Vergangenheit eine Prophylaxe erhalten sollten: zunächst mit Emicizumab ein Mal wöchentlich s.c. für 4 Wochen und anschließend optional als Erhaltungstherapie in verschiedenen Zeitabständen (alle 1 bis 4 Wochen)
Hauptergebnisse
- Die Daten zu Efanesoctocog Alpha (1) belegen, dass die Blutgerinnung über 4 Tage fast normalisiert ist und über 7 Tage ein sehr guter Schutz vor Blutungen vermittelt wird.
- In Gruppe A verringerte sich die annualisierte Blutungsrate von ursprünglich 3 Blutungen (durchschnittlich 2,96) auf 0,69 unter der Therapie. Das entsprach 1 Blutung in 18 Monaten.
- In Gruppe B war der Schutz mit einer Kontrolle von 97 % aller Blutungsepisoden ebenfalls gut.
- Die Patienten entwickelten im Beobachtungszeitraum keine Hemmkörper. Schwere, unerwünschte Effekte waren selten und immer kontrollierbar.
- In der Phase-3-Studie zu Emicizumab (2) hatten die Teilnehmer im Durchschnitt nun ebenfalls weniger als eine Blutung im Jahr, bei 67 % traten überhaupt keine Blutungen im Beobachtungszeitraum von median 55,6 Wochen auf.
- Auch hier wird das Sicherheitsprofil als „gut“ beschrieben.
Klinische Bedeutung
„Efanesoctocog Alpha mit seiner verlängerten Wirkdauer und Emicizumab für die Patienten mit mittelschwerer Verlaufsform stellen wichtige Meilensteine in der Behandlung von Hämophilie A-Patienten dar“, kommentiert Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am UK Bonn, das an beiden Studien beteiligt war (3). „Dadurch werden Blutungen und deren Folgen, vor allem Gelenkschäden und starke Schmerzen, verhindert, so dass Patienten mit einer Hämophilie A auch im Erwachsenenalter eine gute Lebensqualität haben.“
Finanzierung: Sanofi/Sobi (Efanesoctocog Alfa), Hoffmann-LaRoche (Emicizumab)
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