Gutartiger Lagerungsschwindel ist mit dem Semont-Plus-Manöver am besten zu behandeln
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Eine Studie mit nahezu 200 Patienten mit gutartiger paroxysmaler Positionsvertigo hat die Erfolgsquote der beiden üblichen Manöver Semont-Plus und Epley sowohl bei ärztlicher Anwendung als auch durch die Patienten selbst verglichen. Initial waren beide in ca. 65 % aller Fälle erfolgreich, doch kam es mit dem Semont-Plus in der Heimanwendung seltener zu Rückfällen, sodass die Gesamtzeit bis zur Auflösung mit 2,0 gegenüber 3,3 Tagen unter Semont-Plus signifikant kürzer war.
Hintergrund
Der gutartige Lagerungsschwindel, auch als benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS) oder gutartiger paroxysmaler Positionsvertigo (BPPV) bezeichnet, ist eine häufige Erkrankung des Gleichgewichtssystems im Innenohr. Er wird durch mineralisierte Gebilde (Otokonien) im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs ausgelöst, die sich aus ihrer normalen Position lösen und in einem der drei Bogengänge im Innenohr feststecken. Mit speziellen Reihenfolgen von Kopf- und Körperbewegungen wie dem Epley-Manöver oder dem Semont-Manöver, die von einem Arzt oder Physiotherapeuten durchgeführt werden können, gelingt es meistens, die dislozierten Kristalle wieder in die richtige Position zu bringen und die Beschwerden zu beseitigen.
Eine Fortentwicklung des Semont-Manövers (SM-Plus) erfolgte vor einigen Jahren an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München durch eine Arbeitsgruppe um Prof. Michael Strupp, wobei die exakten Drehwinkel der Bogengänge bzw. des Kopfes ermittelt wurden, um die „Wanderung“ der Otolithen zu optimieren. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte dabei gezeigt werden, dass SM-Plus dem normalen SM überlegen ist. Ob SM-Plus auch besser ist als das Epley-Manöver (EM) wurde bislang noch nicht abschließend geklärt.
Design
Prospektive, randomisierte klinische Studie in 3 nationalen Referenzzentren (München, Sienna und Brügge) zum Vergleich der Wirksamkeit des SM-Plus gegenüber EM, bei der über einen Zeitraum von 2 Jahren 195 Patienten eingeschlossen wurden. Das Durchschnittsalter betrug 62,6 Jahre, der Frauenanteil 64,1 % und die Nachverfolgungszeit nach der Eingangsuntersuchung 4 Wochen. Die Manöver wurden zunächst 1-mal vom Arzt durchgeführt, danach mit schriftlicher und bildlicher Anleitung von den Patienten selbst zuhause jeweils 3-mal morgens, mittags und abends.
Ergebnisse
- Primärer Endpunkt der Studie war der Zeitraum, bis zu dem Patienten im Selbstbericht den Lagerungsschwindel nicht mehr auslösen konnten. Dies waren mit den wiederholten SM-plus durchschnittlich 2 Tage (95%-Konfidenzintervall 1,64 – 2,28) und in der EM-Gruppe 3,3 (2,62 – 4,06) Tage. Die Differenz von 1,3 Tagen zugunsten des SM-plus war statistisch signifikant (P = 0,01).
- Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse gab es nicht, jedoch berichteten in der SM-plus-Gruppe 24,5 % der Patienten über Übelkeit während der Selbstmanöver; in der EM-Gruppe waren es 19,6 %.
- Der zweite Endpunkt war die Wirkung des ersten, vom Arzt durchgeführten Manövers. Dies war mit SM-plus in 68,4 % aller Fälle erfolgreich, mit EM in 62,9 %, was keinen signifikanten Unterschied darstellte (P = 0,42). Am Morgen danach war der Anteil dieser zunächst beschwerdefreien Patienten, die wieder unter einem Lagerschwindel litten, mit ca. 25 % in beiden Gruppen fast gleich gewesen.
Klinische Bedeutung
„Die relativ hohe Rezidivquote nach einmaliger ärztlicher Behandlung zeigt, dass es sinnvoll ist, den Betroffenen ein Selbstmanöver beizubringen“, konstatiert in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Prof. Strupp, Erstautor der Studie. „Nach unseren Studienergebnissen sollte sowohl für das erste ärztliche Manöver als auch für die Selbstmanöver das SM-plus verwendet werden, wenn medizinisch nichts dagegenspricht.“.
Finanzierung: Bundesforschungsministerium.
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