Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ösophaguskarzinomen und Schlafgewohnheiten?
- Helen Leask
- Medizinische Nachrichten
Zu viel oder zu wenig Schlaf, Mittagsschlaf und andere Schlafgewohnheiten können das Risiko erhöhen, an einem Ösophagus-Adenokarzinom ("esophageal adenocarcinoma", EAC) oder einem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre ("esophageal squamous cell carcinoma", ESCC) zu erkranken, vermuten Wissenschaftler der Washington University School of Medicine in St. Louis, Missouri.
In einer prospektiven Studie fand das Team heraus, dass Personen, die mehr als 9 Stunden pro Nacht schliefen, ein doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung eines EAC nach 2 oder mehr Jahren hatten (Hazard Ratio 2,06) wie Personen mit einer "normalen" Schlafdauer von 7 Stunden pro Nacht.
Umgekehrt hatten Personen, die weniger als 6 Stunden schliefen, ein um 21% höheres Risiko, nach 2 Jahren die Diagnose EAC zu erhalten, und ein um 63% höheres Risiko, innerhalb von 2 Jahren an ESCC zu erkranken.
Das Forscherteam unter der Leitung von Dr. Yin Cao, einem außerordentlichen Professor für Chirurgie, wertete die Daten der UK Biobank aus den Jahren 2006-2016 aus, um die Schlafgewohnheiten von 393.114 Personen zu ermitteln und sie dann bis zu 10 Jahre lang zu beobachten, um festzustellen, wie viele von ihnen Ösophaguskarzinome entwickelten. In dieser Zeit erkrankten 294 Personen an EAC, und bei 95 wurde ESCC diagnostiziert.
Die Studie wurde am 16. Mai in Cancer, Epidemiology Biomarkers and Prevention veröffentlicht.
Kürzerer Schlaf und höheres Risiko?
Cao sagte, dass sie und ihr Team sich zur Durchführung der Studie entschlossen, weil sie von Hinweisen auf einen Zusammenhang zwischen kürzerer Schlafdauer mit ESCC und Barrett-Ösophagus, der Vorstufe von EAC, fasziniert waren. "Andere Schlafmuster waren jedoch nicht umfassend untersucht worden", sagte Cao.
Das Team untersuchte auch das Tagesschlafverhalten. Sie fanden heraus, dass ein Nickerchen am Tag oder Schläfrigkeit je nach Art des Krebses keine guten Anzeichen im Hinblick auf Ösophaguskarzinome sind. Personen, die "manchmal" ein Tagesschläfchen hielten, hatten ein um 39% erhöhtes Risiko für EAC, und diejenigen, die " gewöhnlich" tagsüber schläfrig waren, hatten nach zwei Jahren ein doppelt so hohes Risiko für ESCC.
Auch der Chronotyp, also der natürliche Rhythmus der Tagesschläfrigkeit einer Person, schien eine Rolle zu spielen. Wer beispielsweise ein "Abendmensch" ist, hat ein um 32% höheres Risiko für EAC und ein fast dreifach höheres Risiko für ESCC als ein "Morgenmensch".
Weder Schnarchen noch Schlaflosigkeit beeinflussten das Risiko für eine der beiden Arten von Ösophaguskarzinomen.
Cao war überrascht, dass sich sowohl kurze als auch lange Schlafdauer, Mittagsschlaf und Tagesmüdigkeit als Risikofaktoren für Ösophaguskarzinome erwiesen.
Die für diesen Zusammenhang verantwortlichen Mechanismen sind "wahrscheinlich komplex", sagte sie und fügte hinzu, dass verschiedene Aspekte des Schlafverhaltens auf unterschiedlichen Wegen zu Krebs führen könnten.
Schlafstörungen als Risikofaktor
"Eine Störung der zirkadianen Physiologie könnte zu einer gastroösophagealen Refluxkrankheit ("gastroesophageal reflux disease", GERD), dem wichtigsten Risikofaktor für Speiseröhrenkrebs, führen, indem sie die Expression von Genen der zirkadianen Uhr im Ösophagusgewebe verändert oder die Expression von Melatonin verringert", sagte Cao. "Sowohl ein Übermaß an Schlaf als auch Schlafentzug könnten mit einer Dysfunktion des Immunsystems zusammenhängen, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Ösophaguskarzinome führen könnte."
In einem Interview räumte Cao auf die Frage nach anderen, einfacheren Erklärungen ein, dass andere Assoziationen eine mögliche Quelle für Verwirrung seien. So ist beispielsweise bekannt, dass Adipositas sowohl die Qualität des Schlafs als auch das Krebsrisiko beeinflusst. Cao sagte, dass das Team bei seinen Analysen zusätzlich zum Body-Mass-Index und dem Townsend Deprivation Index, einem Maß für die Armut, eine Vielzahl von möglichen Störfaktoren wie Geschlecht, Raucherstatus und Schichtarbeit berücksichtigt hat.
Ein weiterer Faktor, der die Ergebnisse hätte verfälschen können, war die reverse Kausalität. Darunter versteht man die Möglichkeit, dass ein bereits vorhandenes Ösophaguskarzinom zu Müdigkeit und schlechtem Schlafverhalten führt und nicht umgekehrt. Aus diesem Grund führte das Team um Cao eine separate Analyse durch, bei der Patienten ausgeschlossen wurden, bei denen in den ersten zwei Jahren der Nachbeobachtung ein Ösophaguskarzinom diagnostiziert wurde. (Die Daten aus dieser separaten Analyse sind in den ergänzenden Tabellen aufgeführt und wurden für den aktuellen Artikel verwendet).
Cao kam zu dem Schluss, dass die Daten ihres Teams "als modifizierende Risikofaktoren für Ösophagus-Adenom-Karzinome gelten können", dass aber "zusätzliche Validierungs- und Mechanismusstudien erforderlich sind."
Dieser Beitrag erschien im Original bei Medscape und wurde von Dr. Petra Kittner übersetzt.
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