Geschlecht des Blutspenders hat keinen Einfluss auf das Überleben des Empfängers

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Ob es sich bei einer Bluttransfusion um einen weiblichen oder männlichen Spender handelt, hat keine Auswirkung auf das Überleben des Empfängers. Das geht aus einer randomisierten Studie der Universität Montreal, Kanada, mit mehr als 87000 Patienten hervor, die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. 

"Einige Beobachtungsstudien ließen vermuten, dass weibliches Spenderblut im Vergleich zu männlichem Spenderblut mit einem höheren Sterberisiko bei den Empfängern verbunden sein könnte. Aber unsere klinische Studie ergab, dass dies nicht der Fall ist", wird Mitautor Dean Fergusson, leitender Wissenschaftler am Ottawa Hospital in einer Pressemitteilung des Krankenhauses zitiert.

Grundsätzlich weist das Spenderblut je nach Geschlecht unterschiedliche Charakteristika auf. Dazu gehören Unterschiede in der Hämolyse von gelagerten Blutspenden, in der Verformbarkeit der Erythrozyten sowie in ihrer Sauerstofftransportkapazität und immunmodulatorischen Aktivität. 

Widersprüchliche Ergebnisse in Beobachtungsstudien

Die mögliche Auswirkung des Geschlechts eines Blutspenders auf das Überleben des Empfängers ist seit 2015 eine unbeantwortete Frage in der Transfusionsmedizin, was das Nationale Herz-, Lungen- und Blutinstitut der USA dazu veranlasste diese Frage als Forschungsschwerpunkt zu wählen. Allerdings kamen die Beobachtungsstudien zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen. Entweder hatten Männer, die Blutspenden von Frauen erhalten haben, ein deutlich erhöhtes Risiko nach der Transfusion zu sterben, oder aber ihr Gesundheitszustand war besser als nach einer männlichen Blutspende. 

"Um diese Frage endgültig zu beantworten, brauchten wir eine große, randomisierte klinische Studie, aber solche Studien sind unglaublich teuer", sagte Erstautor Michaël Chassé. Durch die Einbettung der randomisierten, doppelblinden Studie iTADS (innovative Trial Assessing Donor Sex on Recipient Mortality) in die reale Praxis verursachte die Studie nur einen Bruchteil der eigentlichen Kosten. 

Pragmatisches Vorgehen, geringere Kosten 

Der Ansatz der Studie bestand darin, alle erwachsenen Patienten des Ottawa Hospitals, die eine Transfusion benötigen könnten (8.719 weibliche und männliche Patienten) zu erfassen, sie auf den Erhalt einer Bluttransfusion eines männlichen bzw. weiblichen Spenders zu randomisieren und dann Daten aus bestehenden Krankenhausdatenbanken und Provinzregistern zu sammeln. Da es mehr Blutspenden von männlichen als von weiblichen Spendern gab, wurde die Randomisierung im Verhältnis 60 zu 40 vorgenommen. 

80 Prozent der Patienten erhielten ihre erste Transfusion während ihres stationären Aufenthalts, 42 Prozent davon während einer Operation. Nicht in die Studie aufgenommen wurden Patienten mit starken Blutungen, die sofort Blut benötigten und Patienten mit einem komplexen Antikörperprofil, welches die Zuordnung von Blutkonserven erschwerte.

Kein Unterschied in der Sterblichkeit

Anders als in einigen Beobachtungsstudien zuvor fanden die Wissenschaftler keinen Unterschied in der Sterberate der Blutempfänger beider Gruppen. Das galt sowohl für den Zeitraum bis 30 Tage nach Bluttransfusion als auch für den gesamten Beobachtungszeitrum von 2 Jahren. So starben von den 5190 Patienten, die das Blut eines männlichen Spenders erhalten hatten 1712 und von den 3529 Empfängern, die das Blut einer Frau bekamen 1141. Die Hazard Ratio lag bei 0,98 (für Frauen gegenüber Männern) und bei 0,92 (für Männer gegenüber Frauen).

Auch Hinweise darauf, dass es für den Gesundheitszustand des Empfängers nachteilig ist, wenn der Spender ein anderes Geschlecht hat als er selbst, konnten durch die Studie entkräftet werden. Hier zeigte sich vielmehr, dass die Sterblichkeit des Empfängers in einem solchen Fall sogar geringer ausfiel. Allerdings müsse dieses Ergebnis in weiteren Studien geprüft werden, räumen die Wissenschaftler ein.