"Gehirnalterung" das Bindeglied zwischen KHK und Demenz?
- Steve Stiles
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Das fortgeschrittene "Gehirnalter" könnte ein weiterer nützlicher Prädiktor für das Demenzrisiko sein, der mit Patienten mit ischämischer Herzkrankheit (KHK) besprochen werden kann - insbesondere mit jenen, die bereits mit dem Zusammenhang zwischen KHK und kognitiver Beeinträchtigung vertraut sind, aber noch mehr Überzeugungsarbeit für das Ergreifen präventiver Verhaltensmaßnahmen benötigen, sagen Wissenschaftler.
Patienten mit KHK, insbesondere solche mit Diabetes oder Adipositas, zeigen in der Bildgebung häufiger als andere Anzeichen für eine beschleunigte Hirnalterung, die wiederum das künftige Risiko für kognitive Beeinträchtigungen oder Demenz erhöht, so die Analyse auf der Grundlage von UK Biobank-Daten. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit zahlreichen anderen Forschungsergebnissen, die IHK als Ursache für den kognitiven Verfall unterstützen, allerdings mit einem Unterschied: Die beschleunigte Hirnalterung scheint durch mehr als nur eine Gefäßerkrankung verursacht zu werden.
Bei der Untersuchung möglicher Mechanismen hinter der Assoziation von KHK und Hirnalterung ergab sich nur ein geringer Zusammenhang zwischen dieser Alterung und der MRT-Hyperintensität der weißen Substanz ("white matter hyperintensities", WMH), die als Ausdruck für eine zerebrale Mikroangiopathie gilt, so Dr. Elisa Rauseo. Der Mechanismus scheint also "nicht vollständig durch mikrovaskuläre Verletzungen vermittelt zu sein", so Rauseo (Queen Mary University und St. Bartholomew's Hospital in London). "Es muss also noch etwas anderes geben, das mit der Ischämie zusammenhängt und eine Rolle bei der Beschleunigung der Gehirnalterung spielt", sagte sie. Rauseo ist die Hauptautorin der Analyse, die kürzlich veröffentlicht wurde.
Die Studie liefert möglicherweise Hinweise auf die Identität dieses anderen Faktors. Die beschleunigte Hirnalterung der Patienten mit KHK korrelierte auch mit Diabetes, dem Body-Mass-Index (BMI) und vor allem dem Taille-Hüfte-Verhältnis, einem Indikator für die zentrale Adipositas. Bei den Patienten ohne KHK gab es jedoch keine solche signifikante Korrelation mit dem BMI oder dem Taille-Hüfte-Verhältnis.
"Dies deutet darauf hin, dass die zentrale Adipositas als Indikator für viszerales Fett die Komponente sein könnte, die hauptsächlich zur Beschleunigung der Hirnalterung bei Vorliegen einer KHK beiträgt", heißt es in dem veröffentlichten Bericht. Außerdem fördert Adipositas systemische Entzündungen, die daher teilweise für die beschleunigte Hirnalterung und Demenz im Zusammenhang mit KHK verantwortlich sein könnten.
Derartige Spekulationen würden den Rahmen der aktuellen Studie sprengen, so Rauseo. Andere Studien, sagte sie, untersuchen jedoch mögliche Zusammenhänge zwischen Entzündungsmarkern bei KHK und der späteren Entwicklung der Alzheimer-Krankheit oder anderer Formen von Demenz.
Die aktuelle Analyse untersuchte 36.578 Teilnehmer der UK Biobank mit geeigneten Ausgangs-MRT-Scans und ohne "Vorgeschichte von psychischen Erkrankungen, neurologischen Störungen oder Demenz, die sich direkt auf die kognitiven Funktionen auswirken könnten", heißt es in der Publikation. Davon hatten 1.341 Teilnehmer IHK- definiert als Angina pectoris, Herzinfarkt oder "jegliche Manifestation einer KHK, die nicht zu einem Infarkt führte" - und 35.237 Teilnehmer waren ohne KHK.
Die beschleunigte Hirnalterung wurde bei den KHK-Probanden mit Hilfe validierter Verfahren ermittelt. Als Maß diente die Differenz zwischen den im MRT gemessenen Volumina von 25 Hirnstrukturen und den altersgemäßen Volumina dieser Strukturen, die von einer Untergruppe der Probanden ohne KHK abgeleitet wurden.
Bei den verbleibenden Probanden ohne KHK betrug die Differenz zwischen dem chronologischen Hirnalter und dem mittels MRT vorhergesagten Hirnalter ("Hirnalter-Delta ") durchschnittlich 4,69 Jahre. Bei den Teilnehmern mit KHK betrug der mittlere Unterschied 6,96 Jahre (P < 0,001), was "auf ein älter erscheinendes Gehirn" im Vergleich zur Gruppe ohne KHK hinweist.
Der Zusammenhang zwischen KHK und Hirnalter-Delta kann eine direkte Wirkung, eine indirekte Wirkung, die durch die WMH als Zeichen einer zerebralen mikrovaskulären Erkrankung vermittelt wird, oder eine Kombination aus beidem sein, heißt es weiter. Eine weitere Analyse deutete auf einen kombinierten Effekt hin, allerdings mit einem überwältigenden direkten Beitrag der KHK, schreiben die Autoren. In der adjustierten Analyse war die KHK-Komponente - nicht aber der Beitrag der WMH - mit P < 0,0001 hochsignifikant.
Bei der Nachbeobachtung der Teilnehmer entsprach jeder 1-Jahres-Zuwachs im Hirnalter-Delta unabhängig von der Ursache einem 13%igen Anstieg des Risikos für das Auftreten einer Demenz (P = 0,002). Bei KHK-Patienten war das Hirnalter-Delta signifikant mit Diabetes (P < 0,001), BMI (P = 0,003) und Taillen-Hüft-Verhältnis (P < 0,001) verbunden, nicht aber mit Rauchen, Bluthochdruck oder Hypercholesterinämie. In der Gruppe ohne KHK zeigte unter den gemessenen Risikofaktoren nur Diabetes einen signifikanten Zusammenhang (P = 0,001).
Laut Rauseo wollte die Gruppe nicht nachweisen, dass eine beschleunigte Hirnalterung bei KHK-Patienten zu einer Risikostratifizierung für das Auftreten einer Demenz führen kann. Vielmehr ging es um die Frage, ob die Ergebnisse zu Gesprächen mit Patienten über ein solches Risiko beitragen können.
"Unser Ziel war es vor allem, ein Instrument zu finden, das einige frühe Anzeichen einer zukünftigen kognitiven Verschlechterung erkennen kann", sagte sie. Die Studie deutet darauf hin, dass das MRT-gestützte Hirnalter ein solches potenzielles Instrument für die Erörterung des Demenzrisikos bei Patienten mit KHK sein könnte.
Dies gilt insbesondere für "junge Menschen", bei denen die Wahrscheinlichkeit eines kognitiven Rückgangs oder einer Demenz in der Zukunft geringer ist als bei älteren Patienten. Rauseo zufolge könnten Patienten eher risikomindernde Lebensstiländerungen vornehmen, wenn ihnen MRT-Scans von ihrem Gehirn gezeigt werden, das aufgrund ihrer IHK "älter aussieht, als es für ihr Alter sein sollte".
Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.
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