Fruchtbarkeitshormon GnRH verbessert Kognition bei Patienten mit Down-Syndrom
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Eine neuartige Therapie, die auf der gepulsten Abgabe des Gonadotropin-Releasing Hormone beruht, hat in einer offenen Pilotstudie von 6 Monaten Dauer die Kognition bei 6 von 7 erwachsenen männlichen Patienten mit Down-Syndrom signifikant verbessert.
Hintergrund und Design
Das Gonadotropin-Releasing Hormone (GnRH, Gonadoliberin) wird von spezialisierten Neuronen im Hypothalamus schubweise freigesetzt und spielt bei allen Säugetieren eine zentrale Rolle bei der Fortpflanzung. Eine veränderte Freisetzung führt bei Menschen zum Kallman-Syndrom, das sich unter anderem in olfaktorischen Defiziten, Unreife der Keimzellen und Unfruchtbarkeit äußert – Symptome, die auch für die Trisomie 21 (Down-Syndrom) charakteristisch sind. Die Autoren haben nun zunächst an einem Mausmodell des Down-Syndroms überprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der gestörten Reifung des GnRH-System und den Defiziten, auch bei intellektuellen Leistungen, gibt. Nachdem sich dies bestätigt hat, entwickelten sie eine gepulste GnRH-Therapie in der Hoffnung, die Veränderungen rückgängig zu machen, und testeten dies in einer Pilotstudie an 7 männlichen Patienten.
Ergebnisse
- Im Mausmodell konnten Maria Manfredi-Lozano und ihre Kollegen die Dysfunktion der GnRH-Neuronen auf eine gestörte Balance in einem komplexen Netzwerk aus spezifischen Mikro-RNA-Molekülen und Regulationsfaktoren zurückführen. Dies macht sich bereits in der Minipubertät bemerkbar, also jener Phase, in der neugeborene Jungs große Mengen an Testosteron bilden.
- Bei den Mäusen gelang es den Forschern, olfaktorische und kognitive Defizite infolge des gestörten GnRH-Netzwerkes sowohl durch genetische und pharmakologische Eingriffe als auch durch die Verpflanzung normaler hypothalamischer Neuronen rückgängig zu machen. Dabei führte die Wiedereinführung der Mikro-RNA 200b noch im Erwachsenenalter – also lange nach dem „Umwerfen“ des GnRH-Schalters – zum Neuwachstum GnRH-bildender Neuronen im Hypothalamus.
- Mittels implantierter Minipumpen, die das klinisch genutzte GnRH-Peptid Lutrelef alle 3 Stunden abgaben, gelang es sowohl in einem Maus-Modell des Down-Syndroms, als auch bei „Alzheimer-Mäusen“, kognitive und olfaktorische Defizite wiederherzustellen, wie sich Anhand der Zeiten zur Geruchserkennung von Objekten zeigte.
- Die gepulste GnRH-Therapie wurde schließlich in einer offenen Pilotstudie bei 7 männlichen Down-Syndrom-Patienten im durchschnittlichen Alter von 26,4 Jahren in einer Dosis von 75 ng Lutrelef / kg und Puls alle 2 Stunden über einen Zeitraum von 6 Monaten erprobt. Metabolische Parameter normaliserten sich teilweise über diesen Zeitraum (Testosteron, FSH, hsCRP) oder blieben unverändert (LH, Inhibin-B, Glucose).
- Die kognitiven Funktionen wurden wegen der bei Down-Syndrom-Patienten erschwerten Bedingungen mit dem Montreal Cognitive Assessment-Wert (MoCa) gemessen. Er verbesserte sich signifikant (P < 0,01) bei 6 der 7 Patienten von durchschnittlich etwa 12 auf 17 Punkte. Ausschlaggebend dafür waren insbesondere Verbesserungen der räumlich-visuellen Funktion, von Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit und im Trend auch beim episodischen Gedächtnis.
- Mittels fMRI-Bildgebung des Ruhenetzwerkes des Gehirns fand sich eine Zunahme der funktionalen Konnektivität zwischen visuellen und sensorisch-motorischen Arealen, wohingegen die Verbindungen zwischen Hippocampus und Amygdala schwächer wurden.
Klinische Bedeutung
Die Kombination aus Grundlagen- und angewandter klinischer Forschung hat eine überraschende Rolle von GnRH bei der olfaktorischen und kognitiven Leistung aufgedeckt und einen Weg aufgezeigt, dies klinisch nutzbar zu machen. Die Autoren sehen damit die Grundlage etabliert, auf der eine randomisierte, multizentrische Studie sowohl mit Down-Syndrom-Patienten als auch bei anderen Störungen wie der Alzheimer-Demenz erfolgen könnte.
Finanzierung: Europäischer Forschungsrat, Agence Nationale de la Recherche, Schweizer Nationalfonds und weitere öffentliche Gelder. Fünf der Autoren sind Inhaber eines Patents zur Anwendung von GnRH bei kognitiven Störungen und Demenz.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise