Fluorchinolone: Welche Anwendungsempfehlungen gelten nach Einschränkung durch die EMA?

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaft

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat empfohlen, den Gebrauch von Antibiotika, die Wirkstoffe aus der Gruppe der Fluorchinolone oder Chinolone enthalten, einzuschränken. Grund dafür sind sehr seltene aber schwere und langanhaltende Nebenwirkungen im Bereich von Muskeln, Gelenken und Nervensystem.

Hintergrund

Patienten, die mit Fluorchinolonen oder Chinolonen behandelt wurden, haben zwar sehr selten aber dann schwerwiegende Nebenwirkungen, die ihre Lebensqualität stark einschränken, berichtet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer aktuellen Pressemitteilung. Beobachtet wurden unter anderem Sehnenrupturen, neuropsychiatrische Nebenwirkungen und Neuropathien, Sehstörungen, Photosensitivität sowie schwere Überempfindlichkeitsreaktionen.

Trotz dieser Risiken wurden Fluorchinolone häufig zur Behandlung intraabdomineller Infektionen, chronischer Bronchitis, Sinusitis, ambulant erworbener Pneumonie sowie komplizierter und unkomplizierter Harnwegsinfektionen eingesetzt. In Deutschland waren Fluorchinolone 2016 sogar mit rund 32 Millionen definierten Tagesdosen unter den Antibiotika die viertstärkste Verordnungsgruppe.

Klinische Bedeutung

Nach den aktuellen Empfehlungen der PRAC sollen die weiterhin zugelassenen Fluorchinolone nicht angewendet werden:

  • bei Infektionen, die auch ohne Behandlung abklingen oder die nicht schwer sind, wie z.B. Entzündungen des Halses.

  • zur Vorbeugung der Reisediarrhöe oder wiederkehrender Infektionen der unteren Harnwege. 

  • zur Behandlung von Patienten, bei denen vormals schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Fluorchinolonen oder Chinolonen aufgetreten sind.

  • um leichte bis mittelschwere Infektionen - inklusive unkomplizierte Zystitis, akute Exazerbation der chronischen Bronchitis, und chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD), akute bakterielle Rhinosinusitis und akute Mittelohrentzündung - zu behandeln, es sei denn, andere Antibiotika, die üblicherweise zur Behandlung dieser Infektionen empfohlen werden, können nicht angewendet werden.

Vorsicht sei außerdem geboten bei älteren Menschen, Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, Organtransplantierten oder bei Patienten, die mit systemisch anzuwendenden Kortikosteroiden behandelt werden. Hier bestehe laut PRAC ein höheres Risiko für durch fluorchinolon- oder chinolonhaltige Antibiotika verursachte Schäden an den Sehnen auf.

Die Behandlung mit einem fluorchinolonhaltigen Antibiotikum sei außerdem sofort zu beenden, wenn erste Anzeichen von Nebenwirkungen auftreten, die Muskeln, Sehnen und Knochen betreffen. Dazu gehören Entzündungen oder Risse der Sehnen, Muskelschmerzen oder -Schlaffheit sowie Gelenkschmerzen oder -schwellungen. Gleiches gilt bei neurologischen Symptomen wie Kribbeln, Müdigkeit, Depression, Verwirrtheit, Suizidgedanken, Schlafstörungen, Probleme beim Sehen oder Hören sowie ein veränderter Geschmacks- oder Geruchssinn.