Fettleber-Therapie: Ohne Pharma wird's kaum klappen

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Im Diskurs
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Leber-Spezialisten klagen seit Jahren über die zunehmende Häufigkeit insbesondere der nicht-alkoholischen Fettleber; im Zusammenhang mit der hohen Adipositas-Prävalenz in wohlhabenden Industriestaaten gebe es sogar schon Kinder und Jugendliche, deren Leber verfettet sei. In Deutschland etwa soll nach Schätzungen bereits jedes zehnte Kind eine nicht-alkoholische Fettleber-Erkrankung haben. 

Die nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) sei die am stärksten zunehmende Lebererkrankung weltweit, berichten auch Dr. Yvonne Huber und ihre Kollegen Professor Peter R. Galle und Privatdozent Dr. Jörn M. Schattenberg von der Universitätsklinik in Mainz. Schätzungen zufolge seien 64 Millionen Menschen in den USA und 52 Millionen Menschen in Europa von der NAFLD betroffen, deren Spektrum von der einfachen Leberverfettung über die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) bis hin zur Leberzirrhose und deren Komplikationen - etwa Leberzell-Karzinomen und Ösophagusvarizen - reiche.

Leidet die Leber, leidet auch das Herz

Ein Problem bei NAFLD-Patienten ist auch ihr erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Eine Steatose gehe mit einem um 10 bis 35 Prozent erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, das bei nicht-alkoholischer Steatohepatitis und Zirrhose noch weiter steige, heißt es in einem aktuellen Beitrag im „European Journal of Preventive Cardiology“Eine Auswertung von Daten aus der Grundversorgung in Deutschland ergab bei knapp 13 Prozent der Patienten mit nicht-alkoholischer Fettleber innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren eine KHK, in der Kontrollgruppe (keine Lebererkrankung) betrug der Anteil zehn Prozent. Darüber hinaus war die Infarkt-Häufigkeit bei NAFLD signifikant höher (2,9% versus 2,3%, p <0,001), ebenso die Inzidenz von Vorhofflimmern. Beteiligt an dem erhöhten kardiovaskulären Risiko können mehrere Mechanismen sein, etwa systemische Entzündungen, endotheliale Dysfunktion, Insulin-Resistenz, oxidativer Stress und Fettstoffwechsel-Störungen; genetische Faktoren spielen wahrscheinlich auch eine Rolle.

Die Therapie: wirksam, verträglich, unbeliebt

Was hilft, ist bekannt: schweißtreibende Tätigkeiten, also Sport, und kulinarische Genügsamkeit. Denn das Hauptziel der Therapie ist zunächst die Gewichtsreduktion, um so zugleich die Insulinresistenz zu reduzieren. Dabei ist es den Mainzer Autoren zufolge „interessanterweise nicht die Kalorienaufnahme der typischen drei Hauptmahlzeiten des Tages, die das abdominelle Fettgewebe und den hepatischen Triglyzeridgehalt vermehrt, sondern bei gleicher Gesamtkalorienzahl die Aufnahme süßer und fettreicher Zwischenmahlzeiten und Snacks“. Daher sollte insbesondere der Konsum solcher süßen Verlockungen und gesüßter Limonaden und Softdrinks reduziert werden. Außerdem wird eine mediterrane Kost empfohlen. So sieht das auch Helena Cortez-Pinto von der Europäischen Fachgesellschaft für Leberforschung (European Association for the Study of the Liver,EASL). „In der gesamten europäischen Region der WHO sind Kinder regelmäßig Werbung ausgesetzt, die unausgewogene Lebensmittel und Getränke mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren, Transfettsäuren, Zuckerzusatz oder Salz anpreisen. Es ist erwiesen, dass Lebensmittel- und Getränkewerbung und insbesondere solche während Fernsehprogrammen für Kinder sowie in den digitalen und sozialen Medien den Konsum von stark kalorienhaltigen und nährstoffarmen Getränken und Lebensmitteln in die Höhe treiben. Der EASL zufolge müssen gesundheitspolitische Maßnahmen auch Einschränkungen von Werbung und Marketing für zuckerhaltige Getränke und Lebensmittel aus industrieller Produktion umfassen, deren Gehalt an gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz hoch ist." Eine wichtige unterstützende Maßnahme sei zudem eine mediterrane Ernährung, so die Professorin der medizinischen Fakultät in Lissabon.

Bei morbider Adipositas und Fettleber sind allerdings konservative Maßnahmen allein nicht ausreichend. In diesem Fall kann auch eine bariatrische Operation erwogen werden. Das Problem dabei ist jedoch, wie Yvonne Huber und ihre Kollegen erläutern, dass bariatrische Eingriffe aufgrund einer NASH vor allem bei zugrunde liegender Leberzirrhose eine erhöhte perioperative Mortalität aufweisen. Aber auch neurokognitive und psychiatrische Nebenwirkungen schränkten diese operative Therapie ein. 

Vermutlich unumgänglich: medikamentöse Unterstützung

Das Hauptproblem bei der nicht-alkoholischen Fettleber dürfte jedoch die bekannte Tatsache sein, dass viele Menschen ihre Lebensweise nicht wesentlich ändern wollen oder können. Wie bei anderen bei chronischen Erkrankungen gibt es auch hier kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem gemäß der Redewendung, dass der Geist willig sei, das Fleisch jedoch schwach. Wobei allerdings das große Übel  - unsere dickmachende Umwelt - nicht vergessen werden sollte. 

Daher ist es vermutlich so gut wie unumgänglich, auch medikamentöse Therapien einzusetzen. Dazu gibt es bereits einige Optionen auf dem Markt, etwa Glukagon-like-Peptid-1(GLP-1)-Analoga; dazu zählt zum Beispiel Liraglutid, mit dem außer dem Blutzucker auch das Körpergewicht gesenkt werden kann. Zudem gibt es den Mainzer Hepatologen zufolge zu Hinweise aus einer Phase-2-Studie auf eine „signifikante histologische Verbesserung der NASH ohne Fibroseprogress“. Auch für das bereits verfügbare Gliflozin Empagliflozin gebe es erste Hinweise, dass es möglicherweise histologische Parameter bei NASH verbessere. Einige positive Daten sind in den vergangenen Jahren für das Glitazon Pioglitazon veröffentlicht worden. So seien in einer monozentrischen Studie bei Patienten mit Diabetes und Prädiabetes durch den PPAR-γ-Agonisten Insulinresistenz, NASH und auch Fibrose reduziert worden. Allerdings sei das Glitazon in Europa nur zweite Wahl.

Ein paar Hoffnungsträger

Hoffnungen beruhen zudem auf einigen Wirkstoffen, die sich in unterschiedlichen Phasen der präklinischen und klinischen Entwicklung befinden. Beispiele sind: 

Der duale PPAR-α- und δ-Agonist Elafibranor, der derzeit in der Phase-3-Studie RESOLVE-IT geprüft wird; Ergebnisse werden im Dezember 2021 erwartet. 

Der leberspezifische und selektive Thyroid-β-Rezeptor-Agonist MGL-3196 (Resmetirom). In einer Phase-2-Studie hätten nach 36 Monaten Therapiedauer bei NAFLD-Patienten eine signifikante Reduktion des Leberfetts und eine Verbesserung von nicht-invasiven Fibrosemarkern (Enhanced Liver Fibrosis (ELFTM) und PRO-C3) nachgewiesen werden können. 

Positive präklinische und Phase-2-Daten liegen auch zu der synthetisch hergestellten Gallensäure Norursodesoxycholsäure vor. Eine Phase-3-Studie wurde kürzlich begonnen.

In der Phase 3 befindet sich den Mainzer Leberpezialisten zufolge derzeit auch Cenicriviroc, ein Antagonist der Chemokinrezeptoren CCR2 und CCR5, der die Infiltration von Makrophagen in die Leber hemme. In präklinischen Studien hätten antiinflammatorische und antifibrotische Eigenschaften gezeigt werden können.

Zu zwei experimentellen Wirkstoffen liegen bereits erste Phase-3-Daten vor, und zwar zu Selonsertib und Obeticholsäure. Selonsertib ist ein ASK1-Hemmstoff (Apoptose-Signal regulierende Kinase 1), der ebenfalls antiinflammatorisch und antifibrotisch wirke. In den zwei Phase-3-Studien STELLAR-3 (Patienten mit F3-Fibrose) und STELLAR-4 (Patienten mit kompensierter Zirrhose) wurden laut Yvonne Huber Sicherheit und Effektivität von Selonsertib untersucht. Allerdings sei in einer vorläufigen Publikation berichtet worden dass beide Studien nach 48 Wochen Therapiedauer den primären Endpunkt (histologische Verbesserung der Fibrose um ≥ 1 Stadium ohne Verschlechterung der NASH) nicht erreicht hätten.

Obeticholsäure wirkt als Agonist des Farnesoid-X-Rezeptors und ist zur Behandlung der primären biliären Cholangitis in Deutschland zugelassen. Zu der Obeticholsäure-Phase-3-Studie REGENERATE  wurden kürzlich Ergebnisse einer Zwischenanalyse nach 18 Monaten Therapie publiziert. Für bedeutsam halten die Forscher vor allem den antifibrotischen Effekt der Substanz. Wie jedes wirksame Medikament hat jedoch auch die Obeticholsäure Nebenwirkungen, etwa Pruritus und Zunahme des LDL-Cholesterins. 

Hoffnungen beruhen insbesondere auf Kombinationstherapien, etwa auf der kombinierten Behandlung mit den antifibrotischen und antiinflammatorischen Substanzen Tropifexor und Cenicriviroc. Erste Ergebnisse einer Phase-2-Studie soll es Mitte dieses Jahres geben.

Fazit: Bis die neuen antientzündlichen und antifibrotischen Therapien verfügbar sind, wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin - und darüber hinaus - werden daher körperliche Bewegung und kulinarische Genügsamkeit die einzigen wirksamen und zugleich verträglichen präventiven und therapeutischen Maßnahmen bei nicht-alkoholischen Fettleber-Erkrankungen bleiben.