Europa vernachlässigt Thema Hörverlust

  • Deepa Varma
  • Medizinische Nachrichten
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Das Thema des diesjährigen Welttags des Hörens „Hörversorgung für alle“ ist besonders für Europa relevant, wo der Zugang zu Hörversorgung in unterschiedlichen Ländern und Regionen stark variiert. Schätzungsweise 197 Millionen Menschen leiden in Europa an irgendeiner Form von Hörverlust. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Hören aus dem Jahr 2021 wird diese Zahl bis 2050 voraussichtlich auf 236 Millionen ansteigen. Die Nichtbehandlung eines Hörverlusts kann zu sozialer Isolation, Demenz, Arbeitslosigkeit und schlechterer Lebensqualität führen und sich negativ auf die psychosoziale und kognitive Gesundheit auswirken. 

Trotz seines weit verbreiteten Auftretens stehen Menschen mit Hörverlust hinsichtlich des Zugangs zur Hörversorgung vor erheblichen Hindernissen – einschließlich langer Wartezeiten, eingeschränkter Verfügbarkeit von Dienstleistungen und hoher Kosten. „Derzeit verfügt kein EU-Mitgliedsstaat über nationale Hörprogramme für Erwachsene“, sagte Patrick D’Haese, Corporate Director of Awareness and Public Affairs bei der European Hearing Instrument Manufacturers Association. Er sprach am 1. März 2023 bei einer Mittagsdebatte des Europäischen Parlaments.

Eine zentrale Herausforderung ist ein Mangel an Spezialisten für Hörversorgung. In vielen europäischen Ländern gibt es einfach nicht genug Audiologen und Hörgeräteakustiker, um die wachsende Nachfrage nach Dienstleistungen zur Hörversorgung zu decken. Daher hat die WHO einen neuen praktischen Leitfaden zur Prävention, Identifizierung und Behandlung von Hörverlust für medizinische Fachkräfte und Ärzte in der Primärversorgung veröffentlicht. „Über 60 % des Bedarfs an Dienstleistungen zur Hörversorgung können auf der Primärversorgungsebene adressiert werden“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Die Kosten für Hörgeräte stellen eine weitere Herausforderung dar. Hörgeräte sind zwar für viele Menschen mit Hörverlust unverzichtbar, können jedoch mit Preisen von mehreren hundert bis mehreren tausend Euro pro Gerät unerschwinglich teuer sein. In vielen Ländern sind Hörgeräte nicht durch die nationalen Krankenversicherungen abgedeckt, sodass Menschen mit Hörverlust die Kosten selbst tragen müssen. 

Beispielsweise gibt es bei Hörgeräten für Erwachsene in Spanien keine Kostenerstattung, und selbst Kinder erhalten keine angemessene finanzielle Unterstützung. Italien hat als Mindestkriterium für die Kostenerstattung einen Grenzwert von 55 dB festgelegt. Dies führt dazu, dass viele Menschen, die von einem Zugang zu Hörversorgung profitieren würden, leer ausgehen. Dieses Kriterium steht im Gegensatz zu den WHO-Graden für Hörverlust und dem damit verbundenen Hörerlebnis. Hierbei werden Menschen mit leichtem Hörverlust (20 bis 35 dB) als Personen kategorisiert, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, unter Lärmbedingungen ein normales Gespräch zu verfolgen. Menschen mit mäßigem Hörverlust (mehr als 35 dB) haben mit Sicherheit Schwierigkeiten, ein unter Lärmbedingungen stattfindendes Gespräch zu hören und daran teilzunehmen.

Die positive Nachricht ist, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum Alter von 26 Jahren in den meisten Ländern eine volle Kostenerstattung erhalten.

EU-weit kosten Arbeitslosigkeit, Produktivitätseinbußen und Frühverrentung aufgrund unbehandelter Hörverluste die Union schätzungsweise 185 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Zahl steigt auf jährlich 213 Milliarden Euro, wenn auch die Kosten für nichtmedizinische Ausgaben und andere durch Hörverlust bedingte Komorbiditäten berücksichtigt werden. 

Um diese Herausforderungen zu adressieren, ist es wichtig, das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Hörgesundheit zu schärfen und einen besseren Zugang zur Hörversorgung zu fördern. Dazu gehört auch, dass politische Maßnahmen durchgesetzt werden, die den Zugang zu Hörversorgung verbessern, wie z. B. die Aufstockung der Mittel für das Leistungsangebot zur Hörversorgung und höhere Investitionen in Ausbildungsprogramme für Hörgeräteakustiker. Laut dem Bericht der European Federation of Hard of Hearing People erhalten EU-Regierungen 10 Euro Gegenleistung für jeden Euro, der für die Hörversorgung ausgegebenen wird. In dem Bericht werden die europäischen Regierungen dazu aufgefordert, nationale Maßnahmenpläne und von Experten geleitete Strategien zu entwickeln und zu verabschieden, um Gleichberechtigung, Vorbeugung und Rehabilitation sicherzustellen und schwerhörigen Menschen Chancengleichheit zu bieten.