ESC-Kongress: weitere Hinweise auf die Schädlichkeit der Luftverschmutzung für’s Herz

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Neue Studien-Daten zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Herzinfarkten. Die Daten werden auf dem kommenden Kongress der Europäischen Kardiologen-Gesellschaft in Barcelona vorgestellt. Studienautorin Dr. Insa de Buhr-Stockburger vom Berlin-Brandenburgischen Herzinfarkt-Register (B2HIR): „Der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Herzinfarkt war in unserer Studie bei Rauchern nicht vorhanden. Dies könnte darauf hindeuten, dass schlechte Luft tatsächlich Herzinfarkte verursachen kann, da Raucher, die sich ständig mit Luftschadstoffen selbst vergiften, von zusätzlichen externen Schadstoffen weniger betroffen zu sein scheinen."

Register-Daten von fast 18.000 Infarkt-Patienten

Die Studie untersuchte die Zusammenhänge zwischen Stickstoffmonoxid, Feinstaub (PM 10: Durchmesser unter 10 µm) und dem Wetter mit der Häufigkeit von Herzinfarkten in Berlin. Ausgewertet wurden die Register-Daten von fast 18.000 Patienten, die zwischen 2008 und 2014 einen Herzinfarkt erlitten hatten. Die Auswertung ergab, dass Myokardinfarkte signifikant häufiger an Tagen mit hohen Stickoxidkonzentrationen auftraten, wobei die Inzidenz um ein Prozent pro 10 µg/m3 zunahm Myokardinfarkte traten auch häufiger auf, wenn die durchschnittliche PM10-Konzentration an den drei vorangegangenen Tagen hoch war; die Inzidenz stieg hier um vier Prozent pro 10 µg/m3 Anstieg.  Bei Rauchern wurden solche Zusammenhänge nicht festgestellt.Einen signifikanten Zusammenhang stellten die Studienautoren auch zwischen den Höchsttemperaturen und Infarkten fest.

Außer Infarkten auch Herzrhythmusstörungen

Außer Myokardinfarkten fördert Luftverschmutzung womöglich auch lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Dies lässt eine Studie vermuten, die kürzlich beim „Heart-Failure-Kongress“ der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie vorgestellt wurde.

„Unsere Studie legt nahe, dass Menschen mit einem hohen Risiko für ventrikuläre Arrhythmien, zum Beispiel Patienten mit einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD), die tägliche Schadstoffbelastung überprüfen sollten", sagte Studienautorin Dr. Alessia Zanni (Maggiore-Krankenhaus in Bologna). „Wenn die Konzentrationen von Feinstaub (PM) 2,5 und PM 10 hoch sind (über 35 μg/m3 bzw. 50 μg/m3), wäre es sinnvoll, so viel wie möglich in geschlossenen Räumen zu bleiben und draußen eine N95-Maske zu tragen, insbesondere in Gebieten mit starkem Verkehr."

In der Studie wurde der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und ventrikulären Herzrhythmusstörungen in Piacenza in Norditalien untersucht. Die Europäische Umweltagentur stufte die Stadt mit einem Wert von 20,8 μg/m3 für die Jahresmittelwerte der PM2,5-Konzentration in den Jahren 2019 und 2020 als eine der schlechtesten von 323 Städten ein.Anlass der Studie war die Beobachtung, dass sich Besuche in der Notaufnahme wegen Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit ICDs an Tagen mit besonders hoher Luftverschmutzung häuften. Wir beschlossen daher, die Luftschadstoff-Konzentration an Tagen, an denen die Patienten eine Arrhythmie hatten, mit der Luftverschmutzung an Tagen ohne Arrhythmie zu vergleichen“.

An der Studie nahmen 146 Patienten teil, die zwischen Januar 2013 und Dezember 2017 einen ICD erhalten hatten, 93 aufgrund einer Herzinsuffizienz nach einem Herzinfarkt, 53 aufgrund einer genetischen oder entzündlichen Herzerkrankung. Etwas mehr als die Hälfte (79 Patienten) hatte noch nie eine ventrikuläre Arrhythmie erlebt, bei 67 Patienten war zuvor bereits eine ventrikuläre Arrhythmie aufgetreten.. 

Während des Studienzeitraums wurden insgesamt 440 ventrikuläre Arrhythmien registriert; bei 322 bestand die ICD-Intervention mit einer antitachykarden Stimulation und bei 118 mit einem Schock. Die Berechnungen der Forscher ergaben einen signifikanten Zusammenhang zwischen der PM2,5-Konzentration und den mit Schocks behandelten ventrikulären Arrhythmien: Jede Zunahme der PM2,5-Konzentration um 1 μg/m3 war mit einem 1,5 % erhöhten Risiko verbunden.

Zudem ergaben die Berechnungen,  dass bei einer Erhöhung der PM2,5-Konzentration um 1 μg/m3 während einer ganzen Woche im Vergleich zu den Durchschnittswerten die Wahrscheinlichkeit von Herzrhythmusstörungen unabhängig von der Temperatur um 2,4 % erhöht war.  Wenn die PM10-Konzentration eine Woche lang um 1 μg/m3 über dem Durchschnitt lag, war das Risiko für Herzrhythmusstörungen um 2,1 % erhöht.

Bodenverschmutzung ebenfalls ein "Sorgenkind"

Außer der Luftverschmutzung bereitet auch die Bodenverschmutzung Kardiologen zunehmend Sorgen. Die möglichen gesundheitsschädlichen Folgen von Klimawandel und Umweltverschmutzung seien eine existenzielle Bedrohung für die menschliche Gesellschaft, so kürzlich ein Autorenteam um den Mainzer Kardiologen Professor Thomas Münzel im Fachmagazin „Cardiovascular Research“ .

Boden- und Wasserverschmutzung, Entwaldung, übermäßige Düngung und der Einsatz von Pestiziden sowie anderen giftigen Chemikalien beeinträchtigen nach Angaben der Wissenschaftler die reiche biologische Vielfalt der Böden in der ganzen Welt, mindern die Nachhaltigkeit der Ökosysteme, verringern die Nahrungsmittelproduktion und bedrohen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. So erhöhten die vielen Schadstoffe, die den Boden verunreinigten, zum Beispiel das Risiko von Herz-Gefäßkrankheiten.

„Bodenverunreinigungen sind eine weniger sichtbare Gefahr für die menschliche Gesundheit als verschmutzte Luft", sagte Thomas Münzel. „Es gibt aber immer mehr Hinweise darauf, dass Schadstoffe im Boden die kardiovaskuläre Gesundheit durch eine Reihe von Mechanismen schädigen können, darunter Entzündungen und die Störung der biologischen Uhr."

Die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden ist den Wissenschaftlern zufolge „jedes Jahr für mindestens neun Millionen Todesfälle verantwortlich“. Mehr als 60 Prozent der „verschmutzungsbedingten Krankheiten und Todesfälle“ seien auf Herz-Gefäß-Erkrankungen wie chronisch ischämische Herzkrankheiten, Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzrhythmusstörungen zurückzuführen. Zu den Schadstoffen im Boden, die für die menschliche Gesundheit relevant sind, gehören Schwermetalle wie Cadmium und Blei, außerdem Pestizide und Kunststoffe.