Erste S3-Leitlinie für Borderline-Persönlichkeitsstörung

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Erstmals liegt eine evidenzbasierte Behandlungsleitlinie für die Borderline-Persönlichkeitsstörung vor, wie die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mitgeteilt hat. Darin werden Empfehlungen für spezielle, an die Besonderheiten der Borderline-Persönlichkeitsstörung angepasste Psychotherapien ausgesprochen, die auch das soziale Umfeld einbeziehen. Mit der Therapie soll bei Bedarf schon im frühen Jugendalter begonnen werden.

Beziehungsgestaltung und selbstschädigendes Verhalten im Fokus

Borderline-Persönlichkeitsstörungen sollen mit Hilfe spezifischer, strukturierter Psychotherapien von speziell weitergebildeten Therapeutinnen und Therapeuten behandelt werden, so die zentrale Behandlungsempfehlung der neuen Leitlinie. Dabei sollen Programme eingesetzt werden, die auf klassische therapeutische Verfahren aufbauen, aber die Besonderheiten der Borderline-Persönlichkeitsstörung insbesondere in Bezug auf Beziehungsgestaltung und selbstschädigendes Verhalten in den Fokus stellen. Speziell für die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) und die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) liegen laut DGGPN gute Nachweise der Wirksamkeit vor, wenn Symptome wie selbstverletzendes Verhalten oder Suizidalität im Vordergrund stehen.

Eine medikamentöse Behandlung wird von den Leitlinienautoren ausdrücklich nicht als primäre Therapie empfohlen. Sofern sie sich in akuten Krisen als nötig erweist, solle sie nach deren Abklingen möglichst schnell wieder beendet werden. Auch stationäre Aufenthalte sollten, wenn überhaupt, nur im akuten Krisenfall zum Einsatz kommen und dann möglichst kurzgehalten werden, so die Leitlinie.

Verbesserung des Krankheitsverständnisses

Während man früher annahm, es sei besser, das ohnehin leicht erschütterbare Selbstbild der Borderline-Betroffenen nicht noch mit einer psychiatrischen Diagnose zu belasten, rät die neue Leitlinie zu Offenheit den Betroffenen gegenüber, teilt die DGPPN mit. Eine starke Empfehlung geht dahin, die Diagnose den Betroffenen und Angehörigen mitzuteilen, sobald sie feststeht. Wie bei anderen Erkrankungen auch, sollen Aufklärung über die Diagnose und Psychoedukation das Krankheitsverständnis der Patienten verbessern und Behandlungen effektiver machen. Die neue Leitlinie gibt zudem erstmals Empfehlungen für die Arbeit mit Angehörigen und thematisiert auch explizit die Situation von Betroffenen mit Kindern.

Diagnostik bereits ab 12 Jahren

Zwar wird die Borderline-Störung meist erstmalig im frühen Erwachsenenalter diagnostiziert, erste BPS-Symptome können jedoch bereits in der Kindheit oder im frühen Jugendalter auftreten (z. B. Selbstverletzungen). Wartet man mit der Behandlung ab, könne es sein, dass sich Probleme verfestigen, so die DGPPN. Die Leitliniengruppe ist sich deshalb einig, dass die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung nach einer fachgerechten Diagnostik bereits ab einem Alter von 12 Jahren vergeben werden soll, und zwar, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

• Wiederholtes suizidales oder selbstverletzendes/selbstschädigendes Verhalten

• Erhebliche emotionale Instabilität

• Gleichzeitiges Vorliegen mehrerer psychischer Störungsbilder

• Kein befriedigender Behandlungserfolg hinsichtlich vorliegender psychischer Symptome durch bisher durchgeführte Therapien

• Stark beeinträchtigtes psychosoziales Funktionsniveau

Denn nur durch eine frühzeitige Diagnose können die Betroffenen frühzeitig Unterstützung und borderlinespezifische Behandlungsangebote in Anspruch nehmen, betonen die Leitlinienautoren.