ERS 2022 – Phänotypisierung von Asthma: Eine medizinische Notwendigkeit oder Luxus?
- Univadis
- Conference Report
In dieser interessanten und hochrelevanten Diskussionsrunde auf der Tagung der European Respiratory Society (ERS 2022) haben die Spezialisten für Asthma, Celeste Michala Porsbjerg (Dänemark) und Marco Idzko (Österreich) ihre widersprüchlichen Ansichten zur Bedeutung und Machbarkeit der Phänotypisierung von Asthma geäußert.
Celeste Michala Porsbjerg (Dänemark)
Dr. Porsbjerg spricht sich dafür aus, vor Beginn einer Asthmabehandlung eine Phänotypisierung durchzuführen und erklärt, dass Asthma eine heterogene Erkrankung ist und es möglicherweise nicht logisch ist, alle Patienten unabhängig von ihrem Phänotyp auf die gleiche Art und Weise zu behandeln. Gemäß den Leitlinien der Global Initiative for Asthma sollte leichtes bis mittelschweres Asthma ähnlich behandelt werden, und eine Phänotypisierung wird nur bei schwerem Asthma empfohlen. Doch „Passt eine Größe wirklich allen?“, fragt sie.
Die zwei wichtigsten klinischen Phänotypen von Asthma sind die Atemwegsallergie/allergische Rhinitis und die Typ-2(T2)-Entzündung. Es ist weitreichend bekannt, dass die Behandlung einer allergischen Rhinitis mit einem nasalen Steroid die Asthmakontrolle verbessert. Im Jahr 2022 zeigte die REACT-Studie, dass die Allergen-Immuntherapie (AIT) den Bedarf an Asthmabehandlung verringerte. Daher ist die AIT ein wichtiger Aspekt der Behandlung dieses asthmatischen Phänotyps, unabhängig vom Allergiestatus des Patienten. Auch noch 9 Jahre nach einer AIT ist das Risiko für eine Asthmaprogression um 30 % verringert.
Die klinischen Biomarker der T2-Entzündung sind eine erhöhte Eosinophilenzahl und ein erhöhter Anteil des ausgeatmeten Stickstoffmonoxids (FeNO). Diese T2-Biomarker helfen bei der Unterscheidung zwischen eosinophilem und nicht-eosinophilem Asthma. Durch sie kann zudem das Risiko für einen Verlust der Lungenfunktion und für Exazerbationen sowie das Ansprechen auf die Behandlung prognostiziert werden. Eine Metaanalyse von Petsky H. et al. aus dem Jahr 2018 zeigte eine Verringerung der Asthma-Exazerbation, wenn die Behandlung auf die FeNO-Werte des Patienten zugeschnitten wurde. Im Falle schweren Asthmas ist eine Phänotypisierung notwendig, um die richtige zielgerichtete biologische Therapie zu wählen.
Während orale Kortikosteroide (OCS) einfach die Eosinophilenzahlen im Blut senken, senken inhalative Kortikosteroide (ICS) die FeNO-Werte schnell und können bei hohen Dosierungen die Eosinophilenzahl im Blut senken. Infolgedessen zeigen beide Therapien die Tendenz, die mit Asthma verbundene T2-Entzündung zu verschleiern. Dr. Porsbjerg betont daher die Notwendigkeit, Patienten vor Beginn der Behandlung zu phänotypisieren, anstatt darauf zu warten, dass sie über schweres Asthma berichten.
Marco Idzko (Österreich)
Dr. Idzko spricht sich gegen diese Vorgehensweise aus und sagt, dass diese bei 95 % der Patienten, die eine Behandlung beginnen, nicht notwendig ist. Die Phänotypen des T2-Asthmas und deren Biomarker wurden bereits von Dr. Porsbjerg erläutert. Dr. Idzko klassifizierte diese jedoch weiter in „schweres T2-high allergisches Asthma“ und „schweres T2 nicht-allergisches eosinophiles Asthma“, und er wies auf einen weiteren Phänotyp hin, das „T2-low neutrophile Asthma“.
Der T2-low neutrophile Phänotyp wird von vielen Experten, darunter Dr. Idzko, als „Mythos“ angesehen. Als für sein Argument sprechend zitiert er eine Studie aus dem Jahr 2021, die zeigte, dass das Abzielen einer Behandlung auf Neutrophile das Asthma tatsächlich verschlechtert. Die NAVIGATOR-Studie zeigte, dass Tezepelumab dem Placebo bei der Asthmakontrolle überlegen war, selbst in einer Population mit niedriger Eosinophilenzahl und niedrigem FeNO-Wert, was auf einen T2-low-Phänotyp hinweist. Allerdings erhielten 75 % und 10 % der gesamten Patientenkohorte hohe Dosen von ICS und OCS, was es unmöglich machte, die Eosinophilenzahl und die FeNO-Werte genau zu bestimmen. Daher besteht laut Dr. Idzko keine Notwendigkeit, das „nicht existierende“ T2-low-Asthma zu Phänotypisieren. Stattdessen sollten Ärzte auf andere Erkrankungen prüfen und sich auf die korrekte Diagnose von Asthma konzentrieren.
Die Eosinophilenzahl und die FeNO-Werte unterliegen bei T2-high-Asthma einem starken Einfluss durch jegliche Allergenexposition, das Vorhandensein von Begleiterkrankungen und durch inhalative Wirkstoffe, mit Ausnahme der Verabreichung von ICS oder OCS. Daher ist die Phänotypisierung von normalem Asthma in der Realität eine Herkulesaufgabe. Wie bereits erörtert sollte schweres Asthma jedoch phänotypisiert werden. Außerdem ist es bei der Diagnose von schwerem T2-high-Asthma für Ärzte praktikabler, eine klinische Komorbiditäten-gesteuerte Therapie zu befolgen, anstatt nur die Biomarkerwerte einzukalkulieren. Sie müssen bei allergischem Asthma die Allergenquelle oder bei nicht allergischem Asthma die Eosinophilenzahl (150/μl) bestimmen und dementsprechend Standardmedikamente verordnen. In seiner Schlussfolgerung wiederholt Dr. Idzko, dass er die Phänotypisierung bei Patienten mit normalem Asthma niemals empfehlen würde – auch wenn dies für die Forschung von Bedeutung ist – da wiederholte Bestimmungen notwendig sind und die aktuellen Biomarker von einer Vielzahl von Umständen beeinflusst werden, was die Phänotypisierung in der Praxis weniger praktisch macht.
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