Erhoffter Effekt ausgeblieben: Brillentragen schützt nicht vor COVID-19-Infektion
- Studien – kurz & knapp
Von Dr. Nicola Siegmund-Schultze
Kernbotschaften
Das Tragen einer Brille bei engeren Kontakten im öffentlichen Raum wie Einkaufen oder Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel schützt nicht vor einer SARS-CoV-2-Infektion. Das ergibt eine prospektiv randomisierte Studie aus Norwegen (1).
Hintergrund
Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie gehen Forscher der Frage nach, ob das Tragen einer Brille vor einer Infektion mit dem Virus schützen könnte. Mehrere Beobachtungsstudien hatten einen Schutzeffekt festgestellt: in Größenordnungen zwischen 40 bis 96 % Risikoreduktion (systematischer Review in [2]). Methodisch waren die Studien erwartungsmäß heterogen, und in keiner von ihnen wurden potenzielle Einflussfaktoren berücksichtigt. Für frühere Ausbrüche mit anderen Coronaviren wie MERS oder SARS war durchaus ein Infektionsschutz durch Brillentragen im öffentlichen Raum nachgewiesen worden mit Effektstärken von 78 % Risikoreduktion (3). Auch hier aber mangelte es an statistischer Signifikanz. Dennoch schien eine Schutzwirkung durch Brillen plausibel, denn in der Augenflüssigkeit von COVID-19-Kranken werden teilweise hohe Viruskonzentrationen gefunden (4), so dass das Auge auch als potenzieller Infektionsweg gilt. Deshalb startete ein norwegisches Forscherteam eine randomisierte Studie.
Design
- Studienform: prospektiv randomisierte klinische Studie
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 3717 erwachsene Bürger, die regulär keine Sehhilfen benötigten und keine COVID-19-Symptome oder -infektionen in den vergangenen 6 Wochen hatten
- Randomisierung: 1 : 1 in eine Gruppe, die in der Öffentlichkeit bei erwartbaren engeren Personenkontakten eine Brille trug (Internvetionsgruppe) und in eine 2. Gruppe ohne Brille (Kontrollgruppe). Das zusätzliche Tragen einer Maske war möglich.
- Beobachtungsdauer: 14 Tage im Zeitraum zwischen Februar und April 2022
Hauptergebnisse
- 3,7 % der Interventionsgruppe infizierten sich nachweislich (positiver PCR-Test) und 3,5 % in der Kontrollgruppe. Die absolute Differenz betrug damit 0,2 %, das relative Risiko 1,10.
- Der Anteil der Teilnehmer, die über einen positiven COVID-19-Heimtest berichteten, lag bei 9,6 % in der Interventionsgruppe und bei 11,5 % in der Kontrollgruppe (relatives Risiko: 0,83; n.s.).
- Der Prozentsatz mit respiratorischer Infektion nach Selbsteinschätzung auf Basis von Symptomen betrug 30,8 % in der Interventionsgruppe und 34,1 % bei den Kontrollen (relatives Risiko: 0,90).
Klinische Bedeutung
In dieser – nach Angaben der Autoren - ersten prospektiv randomisierten Studie zur Frage eines Schutzeffektes vor SARS-CoV-2-Infektion durch Tragen einer Brille findet sich keine protektive Wirkung von Augengläsern.
Völlige Klarheit aber schaffe die Studie nicht, so die Autoren: Es seien randomisierte Studien mit mehr Teilnehmern erforderlich, die eigene Probandendgruppe sei mit 3700 vergleichsweise klein gewesen. Auch habe die Interventionsdauer nur 14 Tage betragen und die Inzidenz von SARS-CoV-2-Infektionen habe im Beobachtungszeitraum abgenommen. Diese Faktoren könnten das Ergebnis beeinflusst haben.
Finanzierung: öffentliche Mittel
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