Einsamkeit: Weder für Herz noch Hirn eine Wohltat
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Einsamkeit ist zwei zwei aktuellen Studien zufolge mit zerebralen und kardiovaskulären Erkrankungen verbunden. So geht laut der einen, in „Neurology“ publizierten Studie Einsamkeit mit einem erhöhten Demenz-Risiko einher.
Erhöhtes Demenz-Risiko
Für diese Studie analysierten die Autoren retrospektiv die prospektiv erhobene Daten aus den bevölkerungsbasierten Kohorten der Framingham-Studie (09.09.1948 - 31.12.2018). Die Einsamkeit wurde definiert als das Gefühl der Einsamkeit an ≥3 Tagen in der vergangenen Woche.
Ergebnisse: Von 2308 Teilnehmern (mittleres Alter 73 Jahre; 56 % Frauen), die zu Beginn der Studie keine Demenz hatten, entwickelten innerhalb von zehn Jahren 14 Prozent (329/2308) eine Demenz; sechs Prozent (144/2308) erfüllten das Kriterium für Einsamkeit. Die Berechnungen ergaben für einsame Erwachsene im Vergleich zu nicht einsamen ein um mehr als 50 Prozent höheres 10-Jahres-Demenzrisiko (alters-, geschlechts- und bildungsbereinigte Hazard Ratio, 1,54; 95% CI, 1,06-2,24).
Bei einsamen Teilnehmern unter 80 Jahren ohne den Alzheimer-Risikofaktor APOE-ε4-Allele ergaben die Berechnungen sogar ein höheres Risiko (bereinigte Hazard Ratio, 3,03; 95% CI, 1,63-5,62). Weiteren Analysen zufolge ging Einsamkeit einher mit einer schlechteren Exekutivfunktion, einem geringeren Gesamtzerebralvolumen und einer größeren Schädigung der weißen Substanz.
Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung
In der zweiten Studie kam heraus, dass soziale Isolation und Einsamkeit bei älteren Frauen in den USA mit einem um 27 Prozent erhöhten Risiko für eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung verbunden waren. um bis zu 27%. An der Studie nahmen, wie „Medscape“ berichtet hat, fast 60.000 Frauen im Alter zwischen 65 und 99 Jahren teil. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese weit verbreiteten psychosozialen Probleme bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen älterer Frauen mehr Aufmerksamkeit verdienen – insbesondere in der Ära von COVID-19“, schreiben die Forscher um Dr. Natalie Golaszewski von der University of California in San Diego.
Golaszewski und ihr Team werteten für ihre Studie Daten der „Women's Health Initiative Extension Study II“ aus, die zwischen 2011 und 2019 erhoben worden waren. Die Teilnehmerinnen, 57.825 Frauen mit einem mittleren Alter von 79 Jahren, hatten zu Beginn der Studie noch keinen Myokardinfarkt oder Schlaganfall gehabt und litten auch nicht an koronarer Herzkrankheit.
Im Laufe von 186.762 Personenjahren traten insgesamt 1599 schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse auf. Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren, insbesondere des Gesundheitsverhaltens und -zustands der Frauen, ermittelten die Forscher, dass das Risiko durch soziale Isolation um 8% und durch Einsamkeit um 5% erhöht war. Wurden Gesundheitsverhalten und -zustand der Teilnehmerinnen nicht in die Analyse einbezogen, lagen die entsprechenden Werte bei 18% und 14%. Probandinnen, die stark sozial isoliert waren und sich zusätzlich sehr einsam fühlten, hatten im Vergleich zu Frauen ohne diese beiden Probleme sogar ein um 13% bis 27% höheres Risiko für das Auftreten schwerer Herz-Kreislauf-Ereignisse.
Einsamkeit - ein Thema für Forscher, Reiche und auch Karl Lauterbach
Einsamkeit ist seit einigen Jahren schon ein Thema für die Wissenschaft. Auch die Schönen und Reichen in Hollywood sollen die Einsamkeit als „Thema“ für sich erkannt haben. Aus allen Medien heulten uns die einsamen Wölfe entgegen, schrieb vor wenigen Jahren der Journalist Michael Allmaier in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Dutzende Hollywoodstars seien abonniert auf die Rolle des mysteriösen Fremden oder auch des quietschfidelen Singles. Lifestyle-Autoren feierten das neue „Lebensgefühl", den „Weg zu innerer Freiheit", die „Kunst, sich auszuhalten". Und viele Leute kauften ihnen das ab. Warum sonst, so Allmaier weiter, „pilgern die Sinnsucher scharenweise auf dem Jakobsweg oder verkrümeln sich ins Schweigekloster? Einsamkeit ist das neue Yoga“. Aber die wirklich Einsamen seien selten glücklich. Sie seien in Wirklichkeit „arme Schweine, die niemand mehr sieht oder hört“. „Ich habe nie gesagt: Ich will allein sein. Ich sagte: Ich will allein gelassen werden - das ist ein Riesenunterschied“, hat es die Schauspielerin Greta Garbo auf den Punkt gebracht. Menschen können alleine leben, sozial isoliert sein, sich aber trotzdem weder einsam noch unglücklich fühlen. Im Gegensatz dazu können andere Menschen sich in einer Großstadt und einem Hochhaus einsam fühlen und daran leiden. Etwas abstrakt formuliert ist mit Einsamkeit das unangenehme oder psychisch schwer belastende Gefühl gemeint, das bei großer Diskrepanz zwischen dem gewünschten Ausmaß an Sozialkontakten und der Realität entsteht.
Es gebe zwar einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und sozialen Interaktionen, aber nicht bei jedem Menschen, sagt die US-Psychiaterin Dr. Nancy J. Donovan (Brigham and Women’s Hospital in Boston). Aber „nur, weil man allein ist, heißt das nicht, dass man einsam ist. Als einsam gilt nur jemand, der das Alleinsein als schmerzhaft empfindet, der sich isoliert oder nirgendwo zugehörig fühlt“, erklärte auch Manfred Beutel, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Mainz in einem Beitrag im „Der Spiegel“.
Doch es gibt nunmal Menschen, die daran leiden. So habe eine Studie von Psychologie-Professorin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum laut Spiegel ergeben, dass sich in Deutschland jeder Fünfte über 85 einsam fühle. Bei den 45- bis 65-Jährigen sei es jeder Siebte. „Es gibt keine Altersgruppe, in der sich Menschen nicht einsam fühlen." Besonders ältere, kranke Menschen, die kaum noch ihr Haus verlassen könnten, seien betroffen, wird die Psychologin zitiert. „Ein Teufelskreis, denn soziale Isolation kann Krankheiten wie Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Betroffen sollen immer mehr Menschen sein. Sogar von einer tödlichen „Epidemie“ war schon die Rede.
Laut der Einsamkeits-Forscherin Julianne Holt-Lunstad, Professorin an der „Brigham Young University“, sind Einsamkeit und soziale Isolation sogar ein größeres Gesundheitsproblem als Adipositas. So hätten zwei große Metaanalysen gezeigt, dass soziale Isolation und Einsamkeit mit einem erhöhten Risiko für einen vorzeitigen Tod einhergingen, berichtete sie bei einem Kongress der „American Psychological Association“ in Washington und auch auf einer Veranstaltung in Aspen in Colorado.
Viele Belege für Gesundheitsschäden
Wissenschaftliche Belege dafür, dass Menschen, die unter Einsamkeit leiden, besonders gefährdet sind, krank zu werden, gibt es inzwischen viele. Betroffene seien wesentlich häufiger depressiv und hätten einen ungesünderen Lebensstil, ergab zum Beispiel eine 2017 erschienene Studie von Manfred Beutel. Und laut einer 2016 publizierten Metaanalyse gehen Einsamkeit und soziale Isolation mit einem erhöhten Risiko für KHK und Schlaganfall einher. Darüber hinaus gab es schon vor mehreren Jahren Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und vorzeitigem geistigem Abbau. Möglicherweise sei Einsamkeit ein frühes Symptom der Alzheimer-Erkrankung, so eine Studie von Nancy Donovan, in der ein Zusammenhang zwischen Einsamkeit und zerebraler Amyloid-Belastung festgestellt wurde.
Das Thema hat in den vergangenen Jahren auch das Interesse der Politik geweckt. So forderte unter anderen SPD-Politiker Karl Lauterbach wegen der möglichen negativen Folgen der Einsamkeit „mehr Einsatz dagegen“. Mal sehen, ob er als Bundesgesundheitsminister irgendwann sich die Zeit nehmen kann, mehr Einsatz auch gegen dieses „Übel“ zu zeigen.
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