Einem eloquenten Schriftsteller verschlägt es plötzlich die Sprache


  • Dr. Angela Speth
  • Medizinische Nachrichten
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Erst im Grab würde er Ruhe finden, dessen war er sich sicher. Daher grübelte er tagelang, wie er verewigt werden wollte. Schließlich entschied er sich für eine Marmortafel in Form einer Spielkarte, darauf die Inschrift „Arrigo Beyle/Milanese/Visse/Scrisse/Amò“ – er lebte/schrieb/liebte. Tatsächlich betrieb der „Mailänder“ Henri-Marie Beyle diese Tätigkeiten so intensiv, dass ihm eine einzige Identität nicht genügte, er brauchte mehr als hundert Pseudonyme, „Stendhal“ wurde sein bekanntestes. Mit 59 Jahren starb er an einem Schlaganfall. In den Monaten zuvor erlitt er, dem doch stets die Worte - mündlich wie schriftlich – nur so zugeflogen waren, mehrere Episoden von Aphasie, die er in Briefen genau beschrieb. Ein Schweizer Neurologe wertet sie als erste Berichte von transitorischen ischämischen Attacken.[1]

Stendhal, 1783 in Grenoble geboren, erlangte Weltruhm durch die Romane „Rot und Schwarz“ und „Die Kartause von Parma“, so stellt ihn der Neurologe Prof. Dr. Julien Bogousslavsky von der Clinique Valmont Montreux in seiner Abhandlung vor. Allerdings war Stendhal ein „Graphomane“, wie ihn Stefan Zweig in seinem Buch „Drei Dichter ihres Lebens“ charakterisiert.[2] Denn er schrieb weitere - unvollendete - Romane, Essays, Kunst- und Musikkritiken, Reise- und Tagebücher, Aphorismen und vor allem über sich selbst. Siebzehnjährig diente er unter dem verehrten Napoleon, ergatterte später Ämter in der Verwaltung und hielt sich zeitweise als freier Schriftsteller über Wasser. Durch viele Ländern trieb es ihn, aber hauptsächlich pendelte er - Dandy, Abenteurer, Erotomane - zwischen Frankreich und Italien hin und her.[3]

Liebe für die Mutter, Hass für den Vater

Seine erste leidenschaftliche Liebe gilt seiner Mutter, doch sie stirbt, als er sechs Jahre alt ist. Mit umgekehrter Leidenschaft hasst er den Vater, einen Anwalt, so dass er sich geradezu freut, als dem Royalisten nach der Französischen Revolution die Guillotine droht. Von diesem „Bastard“, diesem „Teufel, der auf meine arme Kindheit losgelassen war“ wird er ans Polytechnikum nach Paris geschickt, weil er in Mathematik glänzt, doch er verfasst in seiner Studentenbude lieber Komödien.[2]

Die Protektion seiner Vettern eröffnet ihm einen Ausweg: die Teilnahme an Napoleons siegreichem Feldzug nach Italien. Dort allerdings treibt er eher Unkriegerisches: genießt das Dolce Vita inklusive Mozart-Opern in der Mailänder Scala und umschwärmt die Frauen. Leider fast immer vergeblich, was wohl auch seinem ungefälligen Äußeren geschuldet ist, das Stefan Zweig mit dessen zartbesaitetem Wesen kontrastiert.[2] Darin hadert der Möchtegern-Casanova vor dem Spiegel: „Welch ein unfeines, grobes Bulldoggengesicht, rundlich, rot, feistbürgerlich, ach, wie widerlich dick und knollig lagert die breitgenüsterte Nase quer inmitten dieser Provinzvisage! Zwar die Augen, sie wären so übel nicht, schwarz, funkelnd, voll unruhigen Neugierlichts, aber sie sitzen zu tief und zu klein unter den dicken Brauen der schweren, quadratischen Stirn: als ,le Chinois`, den Chineser, haben sie ihn deswegen im Regiment verspottet ...

Dumpfer, klotziger Leib, komplizierte und reizbare Seele

Und dabei ist der kugelige, in braunem Bart gerahmte Kopf vielleicht noch das Beste an diesem unbequemen Korpus; denn gleich kinnabwärts kröpft sich, zu knapp geraten, der Hals, und tiefer hinab wagt er lieber gar nicht zu schauen, denn er hasst seinen dummen bombastischen Wanst und die zu kurz gestreckten unschönen Beine …

Doch niederträchtigerweise, er weiß es, ist diese derbe, bäurische Figur, diese Rotfülligkeit des Bluts bei ihm nur Attrappe, eine Falschmeldung des Fleisches. Unter diesem Koloss Mann flimmert und vibriert ein Nervenbündel subtilster, ja fast krankhafter Empfindlichkeit, als ein ,monstre de sensibilité` haben ihn alle Ärzte bestaunt. Und eine solche Schmetterlingspsyche – Verhängnis! –, eingenäht in soviel Fülle und Fett: irgendein Nachtmahr muss in der Wiege Leib und Seele vertauscht haben … “

Stefan Zweigs (allzu) blumiger Stil sticht freilich ab von Stendhals sprachlicher Nüchternheit, die wiederum dessen Gefühlsüberschwang zu widersprechen scheint. Doch gerade diese Sachlichkeit macht das Innovative seiner Kunst aus: Er nimmt schon den literarischen Realismus vorweg, während seine Dichterkollegen noch in der Romantik verharren.[2]

Napoleons Gesetzbuch als Stilikone

Um in diesen schnörkellosen Ton hineinzufinden, liest er vor dem Schreiben im „Code civil“. Er weiß, dass er die Leser mit seiner Trockenheit vor den Kopf stößt. Sogar Balzac, obwohl er die „Die Kartause von Parma“ begeistert rezensiert, rügt ihn. Doch Stendhal will sich vom zeitgenössischen Schwulst distanzieren – lieber hart als larmoyant, lieber kunstlos als pathetisch, lieber Logik als Lyrik.[2]

Nicht umsonst enden seine Romane mit der berühmten Widmung „To the happy few“ - nur wenigen Auserwählten möchte er gefallen. Bis heute wirkt die Kälte auf Leser verstörend, zumal die zwiespältig gezeichneten Protagonisten kaum Sympathie erwecken.[5]

Beispiel: Julien Sorel, die Hauptfigur des Klassikers „Le Rouge et Le Noir“. In den Jahren vor der Julirevolution 1830 will er, der intelligente Sohn eines Sägemüllers, um jeden Preis aufsteigen, doch gelingt es ihm weder, in den roten Uniformrock eines Offiziers zu schlüpfen, noch - trotz aller Frömmelei - in die schwarze Soutane eines Priesters. Er avanciert lediglich zum Geliebten einer verheirateten Frau, danach zum Verlobten einer Adeligen – Affären, die in einem Mordversuch kulminieren. Gnadenlos verurteilen ihn die Geschworenen zum Tod auf dem Schafott, empört darüber, wie er in einem Plädoyer die Gesellschaft der Restauration entlarvt: die reaktionären Aristokraten, intriganten Geistlichen und opportunistischen Bourgeois, allesamt Heuchler, gierig auf Geld und gute Posten.[1]

Autobiographische Spuren durchziehen den Roman

In ihnen hat Stendhal auch sich porträtiert: Er selbst ist auf Karriere versessen und lauert auf seinen Vorteil. Zudem hat er keine Hemmungen, seine frühen Arbeiten über Musik und Malerei aus vorhandenem Material zusammenzuklauen. So wie er als Amtsträger Bestechungsgelder einsteckt, ist er auch hinter dem (vermuteten) Vermögen seines Vaters her. Eitel wie er ist, kleidet er sich geckenhaft, versteckt das schüttere Haar unter einem üppigen Toupet, schmückt sich mit dem Titel eines Barons und lernt im Schauspielunterricht, wie man in den Pariser Salons weltläufig auftritt.[6]

Seine Schwächen und Marotten verheimlicht er jedoch keineswegs, im Gegenteil. „Seelennackt“, „ohne seine Empfindungen auf schön oder moralisch zu frisieren“, so Stefan Zweig, habe er Notizen gemacht, deren Edition schließlich auf sechzig oder siebzig Bände Selbstbespiegelung anwachsen dürfte. Für solche „Ich-Menschen“ hat Stendhal eine Bezeichnung erfunden: Egotisten.[2]

Seine Mitmenschen seziert er ähnlich schonungslos. „Ich bin Beobachter des menschlichen Herzens“, antwortet er einmal auf die Frage nach seinem Beruf.[2] Das schlägt sich in seinen Werken nieder: Nicht zufällig lobt Goethe, der „Rot und Schwarz“ einundachtzigjährig 1830 liest, den „psychologischen Tiefblick“.[7] Auch in dieser Hinsicht ist Stendhal seiner Zeit voraus: „Ich werde erst um 1900 verstanden“, hat er prophezeit.[2]

Wichtige Impulse durch die frühen Psychiater

In seine scharfsinnigen Charakterbilder fließen die Theorien der aufkommenden Psychiatrie ein. So liest er eine wegweisende Abhandlung von Philippe Pinel (1745-1828), der diese Wissenschaft begründet und sich für Reformen in den „Irrenanstalten“ eingesetzt hat, etwa die Insassen zumindest gelegentlich von Ketten zu befreien. Weiterhin bewundert er Pierre Cabanis (1757-1808), der die Idee vertritt, psychische Phänomene seien direkt mit biologischen Vorgängen verknüpft.[1]

Auch sonst spielen Krankheiten und Ärzte in Stendhals Leben eine wichtige Rolle. Denn da ihm die Damen der Oberschicht die kalte Schulter zeigen, nimmt er mit der niederen Minne vorlieb, mit Prostituierten, Wäscherinnen, Hausmädchen. Er ist erst siebzehn, als ein Bordellbesuch ausgesprochen unliebsam endet.[2]

Stefan Zweig: „Irgendeine Mailänder Professionelle … gibt dem Franzosen die Krankheit zurück, die angeblich die Leute des Connétable von Bourbon nach Italien gebracht und die seitdem die französische heißt. Und so opfert der Diener des Mars, der den linden Dienst der Venus suchte, noch jahrelang dem strengen Gotte Merkur.“ Und man muss hinzufügen: Noch jahrelang tut der unersättliche Don Juan das Seine, diese französische Krankheit in Europa zu verbreiten.

Syphilis-Therapie zwischen Skylla und Charybdis

Über die Beschwerden führt er genau Buch: Schlaflosigkeit, Schwindel, Ohrensausen, flatternder Puls, Zittern der Hände, das manchmal so stark wird, dass er kaum mit Messer und Gabel essen kann. Da er als Ursache die Therapie mit dem toxischen Quecksilber und Jodkali vermutet, verzichtet er schließlich darauf. Zwar bessern sich die bisherigen Symptome, doch nun macht ihm sein Herz zu schaffen.[4] So illustriert er 1818 in einem Diagramm seine zunehmende „Angina pectoris“. Fast lebenslang klagt er außerdem über „Migräne“. Zusätzlich wird bei ihm Gicht diagnostiziert.[1]

Der Syphilis wegen muss er den Militärdienst quittieren und wird 1806 Verwalter der kaiserlichen Domänen um Braunschweig. Dabei verschlägt es ihn einmal ins gut hundert Kilometer entfernte Stendal, dessen Namen er später durch Einfügen eines „h“ als Pseudonym übernehmen wird – nach kultivierter Lesart eine Reverenz an den berühmten Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann, der von daher stammt, nach weniger tugendhafter Deutung aber deshalb, weil ihm dort eine Verführung glückt.

1812 dann der Russlandfeldzug: Mit der Grande Armée gelangt er bis Moskau und wieder zurück, einer im kläglichen Trüppchen, das von ursprünglich mehreren hunderttausend Mann diesen „Ozean an Brutalität“[7], Hunger und Kälte überlebt. Nach der Verbannung des Imperators auf Elba - „Ich stürzte mit Napoleon im April 1814“ – versucht Stendhal, sich als freier Schriftsteller zu etablieren.

Eine lombardische Schönheit und die Psychologie der Liebe

1818 begegnet er in Mailand Matilde Dembowski, der - unerfüllten - Liebe seines Lebens, die ihn zu dem Essay „De l’amour“ und zu Frauenfiguren seiner Romane inspiriert. Nach unsteten Jahren in London, Italien und Paris wird er (nur) Konsul im Provinznest Civitavecchia, dem Hafen des Kirchenstaates.[2]

Dort diktiert er 1838 in weniger als zwei Monaten „La Chartreuse de Parme“, ein höfisches Spiel um Politik und Liebe. Der junge Marchese Fabrice del Dongo kämpft bei der Schlacht um Waterloo, vergnügt sich mit Damen, ersticht einen Nebenbuhler im Duell, landet im Kerker, verliebt sich in die sittenstrenge Tochter Clélia des Zitadellenwärters, flieht auf spektakuläre Weise, wird durch die Intrigen seiner Tante zum Erzbischof befördert und erobert Clélia dann doch noch, um sich nach ihrem Tod im Kloster zu verkriechen.[2]

Phasenweise fehlen ihm die Worte

Ab 1840 geht es mit Stendhals Gesundheit rapide bergab. Am Neujahrstag stößt ihm ein merkwürdiges Unglück zu: Von plötzlichem Schwindel ergriffen stürzt er in den brennenden Kamin. Im März 1841 erleidet er einen ersten Schlaganfall, danach mehrere Episoden von Sprachverlust. So schreibt er am 5. April 1841 seinem Freund Domenico Fiore: „Vier Anfälle der folgenden Krankheit: Plötzlich vergesse ich alle französischen Wörter. Ich kann nicht mehr sagen: ,Gib mir ein Glas Wasser`. Ich beobachte mich selbst mit Neugier. Es dauert acht bis zehn Minuten; dann kommt langsam die Erinnerung an Worte zurück, und ich bin müde …“[1]

Weiter erwähnt Stendhal, Homöopathen hätten eine Art „Nervenapoplexie“ diagnostiziert und Eisenhut zur Belebung des Kreislaufs sowie Schwefel verordnet.

Am 9. April berichtet er Fiore, dass „diese unangenehme Erscheinung wieder auftrat“, diese „schwere Zunge“. Weiterhin klagt er über Erstickungsanfälle, die ihn in Todesangst versetzen. Am 19. April: „Das unangenehmste Symptom ist die Unbeholfenheit der Zunge, die mich stottern lässt.“

Die letzte seiner komplizierten Liebschaften

Stendhal unterzieht sich weiteren Behandlungen, darunter Venenpunktionen, und erholt sich offenbar rasch, denn im August ist er in eine Liaison mit einer Dame verwickelt, die es anscheinend versäumt, ihn über das Vorhandensein eines Ehemannes und eines weiteren Liebhabers zu informieren.

Ein Arzt, den er Ende Oktober aufsucht, hat keinen guten Eindruck. Am 8. November stellt sein Freund Romain Colomb eine verlangsamte und undeutliche Sprechweise fest.

Diese Defizite interpretiert Bogousslavsky als transitorische ischämische Attacken (TIA). Die Genauigkeit von Stendhals Schilderungen hält er für bemerkenswert, weil damals in der medizinischen Literatur noch kein Konzept von TIA und Aphasien existierte. Paul Broca zum Beispiel sollte sein Referat über die Entdeckung eines spracherzeugenden Hirnareals erst 20 Jahre später halten. Stendhal liefere damit das erste historische Beispiel, dass TIA ein Warnsignal für einen Schlaganfall bedeuten, was erst über hundert 100 Jahre später erkannt wurde.

Stendhal bricht auf der Straße zusammen

Noch am 21. März 1842 schreibt Stendhal 15 Seiten in seinem Manuskript. Stefan Zweig über die letzte Etappe seines Lebenswegs, am folgenden Tag um 19 Uhr in Paris: „Ein schwerleibiger Mann schleppt sich über den geliebten Boulevard. Aber wo ist die gute Zeit, da er hier noch nach Frauen Ausschau hielt, kokett wie ein Dandy den zierlichen Stock in der Hand pirouettierend: jetzt stützt sich der zitternde Arm bei jedem Schritt auf das feste Holz. Wie ist er alt geworden, Stendhal, im letzten Jahre, die früher funkelnden Augen liegen schlaff unter schweren und bläulich verschatteten Lidern, Nervenrisse zucken quer um die Lippen ...

Plötzlich ein Auflauf, neugieriges Gedränge: der dicke Herr ist knapp vor der Börse zusammengebrochen und liegt nun da, die Augen starr vorgequollen, blau das Gesicht: der zweite, der tödliche Schlag hat ihn gerührt. Man reißt dem schwach Röchelnden den würgenden Kragen ab, trägt ihn in die Pharmazie und dann hinauf in sein kleines Hotelzimmer.“[2]

Colomb berichtet: „Er starb am Mittwoch, den 23. März 1842, um 2 Uhr nachts, ohne zu leiden, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben.“ Der Befund lautet Apoplexie. Wie eine seltsame Vorahnung klingt ein Satz Stendhals vom Jahr zuvor: „Ich finde nichts Lächerliches dabei, auf der Straße zu sterben, sofern man es nicht mit Absicht tut.“[1]

Da die Pathologen auf eine Autopsie verzichten, wird er gleich am nächsten Tag auf dem Friedhof Montmartre beigesetzt. Seine „Freunde“ haben zwar sein Grabinschrift abgewandelt, aber einen seiner Lieblingsausdrücke können sie nicht verfälschen: Ce n`est que ça – mehr ist es nicht.[7]

Kasten: Stendhal- und Brulard-Syndrom

1817 erschien Stendhals in zweierlei Hinsicht bemerkenswerter Reisebericht „Rom, Neapel und Florenz“. Es ist nicht nur das erste Werk, das er unter diesem abgewandelten Stadtnamen publiziert, sondern er schildert darin auch seine Erschütterung vor einem wunderschönen Gemälde im Florentiner Dom Santa Croce. Eine Psychiaterin hat daraufhin 1979 für ähnliche Zusammenbrüche bei Touristen den Begriff „Stendhal-Syndrom“ geprägt.[1]

Ein weiteres psychisches Phänomen ist nach Stendhal benannt: das Brulard-Syndrom[9], ein Gedächtnisvorgang, den die Forschung inzwischen als „false memory“ vielfach belegt hat: Erinnerungen werden durch spätere Wahrnehmungen ergänzt, überlagert oder vernichtet. Die Bezeichnung spielt auf Stendhals Autobiografie „Vie de Henry Brulard“ an, worin er das Motiv des trügerischen Gedächtnisses vielfach variiert. Zum Beispiel betont er, „niemals vermesse ich mich, die Realität der Dinge zu schildern, sondern einzig den Eindruck, den sie mir hinterließen.“[2] Das bedeutet, dass er sich an manche großartigen Geschehnisse kaum mehr erinnert, dagegen ganz klar an Kleinigkeiten, etwa die flüchtige Geste einer Frau.

Umgekehrt können bei ihm Gefühlsstürme das Gedächtnis auslöschen. Gerade in den spannendsten Augenblicken wiederholt er die Feststellung: „Ich habe daran keine Erinnerung mehr, die Empfindung war zu vehement.“ So weiß er nicht, ob er sich an die Überquerung des Großen Sankt Bernhard mit Napoleons Heer wirklich erinnert oder bloß einen Kupferstich vor Augen hat. Solche Gedächtnislücken nutzt er sogar, um seinen Schilderungen einen authentischen Anstrich zu geben.[1]