Eine tote Frau und eine unklare Todesursache

  • Dr. med.Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Die Anwendung von Pentobarbital als Schlaf- und Beruhigungsmittel gilt heute in der Humanmedizin in Deutschland als obsolet. Zudem unterliegt das Barbiturat in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. Und: Es existieren keine zugelassenen Fertigarzneimittel zur Anwendung bei Menschen. Trotz dieser Hürden können sich auch in Deutschland Nicht-Mediziner Pentobarbital besorgen, wie die Kasuistik zeigt, die Privatdozentin Dr. rer. nat. Nadine Schäfer und ihre Kollegen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes veröffentlicht haben. 

Die Patientin und ihre Geschichte

Eine 53-jährige Frau wurde, wie die Rechtsmediziner berichten, von ihrem Ehemann leblos auf einem Bett im Wohnzimmer aufgefunden. Bereits seit mehreren Jahren habe die Frau unter einer Schizophrenie sowie Wahn-vorstellungen gelitten und geglaubt, von Würmern zerfressen zu werden. Sie habe, so  Nadine Schäfer und ihre Kollegen weiter, keinen Lebenswillen mehr besessen und versucht, Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation in der Schweiz aufzunehmen. Bei der kriminalistischen Leichenschau seien keine Hinweise auf einen Suizid festgestellt worden. Auch sonst soll es in der Wohnung keine Anzeichen dafür gegeben haben, dass sich die Frau das Leben genommen habe.

Die Befunde

  • 53-jährige tote Frau mit reduziertem Ernährungszustand

  • Im Magen rötlich-bräunliche Flüssigkeit mit weißlich-griesartigen Konkrementen, außerdem flächenhafte sandpapierartige, kristalline Ablagerungen an der Magenschleimhaut

  • Keine innere Erkrankungen oder Verletzungen „von todesursächlicher Wertigkeit“

  • Keine Holzer-Blasen (Hinweis auf eine Intoxikation, insbsondere mit Barbituraten)

  • Drogenvortest: positives Ergebnis für Barbiturate im Urin

  • Weitere Analysen ergaben den Nachweis von Pentobarbital und Metoclopramid in allen untersuchten Körperflüssigkeiten

  • Quantitative Untersuchungen ergaben im Venenblut Pentobarbital-Konzentrationen von ca. 32 mg/l.

Diskussion

Laut den Rechtsmedizinern liegt der therapeutische Bereich von Pentobarbital für Lebende zwischen 1 und 5(10) mg/l, der toxische Bereich zwischen 10 und 19 mg/l und der komatös-letale Bereich zwischen 15 und 25 mg/l. Berücksichtige man zusammengenommen die Vorgeschichte, wonach die Frau aufgrund ihrer schweren psychiatrischen Vorerkrankungen Todessehnsucht geäußert und versucht habe, Kontakt zu Sterbehilfeorganisationen aufzunehmen, seien die Analyse-Ergebnisse mit einem Suizid in Analogie zu den Protokollen von Freitodbegleitungen (z. B. „EXIT“ in der Schweiz) vereinbar.

Eine Frage war nun, wie die Frau an Pentobarbital gelangt war. In der Fachliteratur wird den Rechtsmedizinern zufolge berichtet, dass Suizide durch Pentobarbital oft von Mitarbeitern der Veterinärmedizin begangen würden (Veterinärmediziner verwenden den Wirkstoff zur Euthanasie). Im Fall der 53-Jährigen hätten jedoch keine Informationen dazu vorgelegen, dass die Frau sich auf diesem Weg Pentobarbital besorgt habe.

Seit einiger Zeit gebe es allerdings Internet-Shops, die Pentobarbital rezeptfrei und problemlos, auch nach Deutschland, als „Nembutal“ in Kombination mit einem Antiemetikum als „schmerzfreie Lösung“ oder „Möglichkeit des letzten Weges“ anböten (Preise eines Anbieters für unterschiedliche Mengen und Darreichungsformen von Pentobarbital in Kombination mit einem Antiemetikum zwischen 300–1300 Euro).