Eine starke Raucherin mit einer Zehennekrose

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Wenn bei einer Frau unter 40 Jahren eine Zehennekrose auftritt und ein embolischer Mechanismus vermutet wird, sollte sowohl klinisch als auch radiologisch nach einer bestimmten systemischen Vaskulitis gesucht werden, raten französische Ärzte um Dr. Rémy Hamdan (Le CHU Dijon Bourgogne). Die Krankengeschichte einer Frau in den 30ern macht deutlich, warum sie dies empfehlen.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die Patientin, die seit 15 Jahren rauchte und seit 13 Jahren an Psoriasis-Arthritis litt, entwickelte den Autoren zufolge plötzlich eine Nekrose der rechten fünften Zehe. Sie habe außerdem schon seit mehreren Jahren über Schmerzen im Iliosakralgelenk und in der Wade geklagt, vor einem Monat hätten die Schmerzen plötzlich zugenommen.

Die Befunde

  • Systolischer Blutdruck 146 mmHg,

  • Temperatur 37,4 °C und Herzfrequenz 77 Schläge pro Minute

  • Tastbare Radialpulse, aber keine Fußpulse

  • EKG: unauffällig

  • CRP-Spiegel erhöht (11 mg/L)

  • Hyperleukozytose  (12,3 g/L) mit Neutrophilie (7,95 g/L)

  • Hypercholesterinämie  (7,40 mmol/L)

  • LDL-Cholesterin 5,47 mmol/L und HDL-Cholesterin 1,23 mmol/L

  • Ein umfassendes Stoffwechselpanel, Autoimmuntests und Thrombophilie-Tests waren normal, ebenso Langzeit-Holter-EKG und Echokardiographie.

  • Der Knöchel-Arm-Index (ABI) des rechten Beins lag bei 0,67, der des linken Beins bei 0,59

  • Computertomographie: Verdickung der linken A. subclavia und der A. Carotis communis sowie hochgradige Stenose der aortoiliakalen Bifurkation mit konzentrischer Wandverdickung

  • Der Doppler-Ultraschall bestätigte den Schweregrad der Läsion. Die nachgeschalteten Arterien waren durchgängig, von normalem Kaliber und frei von Atheromen.

  • Fluordesoxyglukose-PET unauffällig

Diagnose, Therapie und Verlauf

Wie die Autoren berichten, stellten sie aufgrund des Geschlechts, des Alters, des klinischen Erscheinungsbildes, der typischen radiologischen Beteiligung und des negativen PET-Befundes die Diagnose einer Takayasu-Arteriitis (TA) in der chronischen Phase. Die isolierte Beteiligung der fünften Zehe war nach ihren Angaben mit einem embolischen Ereignis vereinbar. Die Therapie bestand aus Nikotin-Entwöhnung, Infliximab, Prednisolon ASS, Enoxaparin und Atorvastatin. Zehenläsionen bildeten sich laut Rémy Hamdan und seinen Kollegen zurück, eine CT-Untersuchung habe eine unveränderte aortoiliakale Läsion gezeigt. Bei den Nachuntersuchungen habe die Frau weiter über Schmerzen in den unteren Gliedmaßen, geklagt, so dass eine endovaskuläre Rekonstruktion der Aortenbifurkation durchgeführt worden sei. Der Knöchel-Arm-Index habe sich danach normailisiert, die Schmerzen hätten abgenommen.

Diskussion

Die Takayasu-Arteriitis sei eine systemische Vaskulitis großer Gefäße, die bevorzugt die Aorta und die von der Aorta abgehenden großen Arterien befalle, erklärt Professor Dr. med. Bernhard Hellmich (Vaskulitiszentrum Süd, Medius Kliniken – Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen). Die Vaskulitis führe im Krankheitsverlauf über eine Myofibroblastenproliferation auch zu einem Remodeling der betroffenen Gefäßwände. Als Konsequenz der strukturellen Veränderungen der Gefäßwände entstünden Gefäßstenosen und bei etwa einem Viertel der Betroffenen auch aneurysmatische Gefäßerweiterungen. Die strukturellen Gefäßveränderungen führen laut Hellmich bei den meisten Patienten zu funktionellen Einschränkungen; die Mortalität der TA sei trotz immunsuppressiver Therapie erhöht. Mit einer Inzidenz von ca. 1 Neuerkrankung pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr sei die TA in Europa (anders als in Asien) allerdings eine seltene Erkrankung. Betroffen seien vorwiegend junge Erwachsene, typischerweise in der zweiten und dritten Lebensdekade.

Symptome und klinische Befunde die nach EULAR (European League Against Rheumaism)-Expertenkonsensus auf eine entzündliche Aktivität einer Takayasu-Arteriitis hinweisen, sind laut Hellmich:

  • Neue aufgetretene oder verschlechterte Claudicatio der Extremitäten

  • Konstitutionelle Symptome (etwa Gewichtsverlust >2 kg, leichtes Fieber, Müdigkeit, nächtliches Schwitzen)

  • Myalgien, Arthralgien, Arthritis

  • Starke abdominelle Schmerzen

  • Schlaganfall, Krampfanfälle (nicht Hypertonie-bedingt), Synkope, Schwindelgefühle

  • Parese der Extremitäten

  • Myokardinfarkt, Angina pectoris

  • Akute visuelle Symptome wie Amaurosis fugax oder Diplopie

  • Bluthochdruck (>140/90 mm Hg), neuer Pulsverlust, Pulsdifferenz und Karotidynie.