Eine Frau mit unwillkürlichen „tanzartigen“ Bewegungen und Gewichtsverlust

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Bei Patienten mit Chorea sollte auch an die Möglichkeit gedacht werden, dass sie einen malignen Tumor haben. Eine weiterführende Diagnostik ist in solchen Fällen vor allem dann notwendig, wenn es weitere Symptome gibt, die auf ein Malignom hinweisen, wie die Krankengeschichte einer Frau zeigt, die japanische Ärzte im Fachmagazin „BMJ Case Reports“ schildern.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die 81-jährige Frau kam wegen seit einer Woche bestehenden unwillkürlichen Bewegungen ihrer linken Extremitäten in die Klinik. Außerdem gab sie an, in den letzten Monaten an Gewicht verloren zu haben. Die Familien-Anamnese für Chorea Huntington war negativ.

Die Befunde

  • Starke unwillkürliche Bewegungen der linken oberen und unteren Extremitäten, außerdem unwillkürliche Bewegungen einiger Gesichtsmuskeln
  • Keine weiteren neurologischen oder psychiatrischen Symptome
  • Kraniales MRT mit Kontrastmittel: unauffällig
  • Laboruntersuchungen,einschließlich Blutzucker- und Autoantikörpertests waren mit Ausnahme des deutlich erhöhten CA19-9-Spiegels unauffällig. 
  • Abdomen-CT: Gallenblasen-Tumor mit mehreren Leber-Metastasen
  • Thorax-CT: keine Lungen-Metastasen. 
  • Nadelbiopsie: hepatoides Adenokarzinom
  • Paraneoplastische Antikörper im Serum (Anti-CV2/Collapsin Response Mediated Protein (CRMP)5, Hu, Yo, Ri und Amphiphysin): negativ
  • Antikörper gegen neuronale Zelloberflächenantigene oder synaptische Proteine wurden nicht gemessen. 

Diagnose und Therapie

  • Auf eine Liquor-Untersuchung wurde wegen der Hemichorea der Patientin verzichtet. Gleichwohl stellten die Autoren die Verdachtsdiagnose eines paraneoplastischen neurologischen Syndroms (PNS). 
  • Unter Therapie mit Haloperidol nahmen die Bewegungsstörungen ab, verschwanden aber nicht vollständig. 
  • Nach zweimonatiger Chemotherapie (Gemcitabin-Cisplatin) Abnahme der Tumorgröße und Verschwinden der neurologischen Symptome; die Reduktion der Haloperidol-Dosis hatte keine Wiederkehr der Hemichorea zur Folge.

Diskussion

Die paraneoplastische Chorea ist ein extrem seltenes PNS. Sie tritt den Autoren zufolge in der Regel subakut auf, schreitet schnell voran und ist medikamentenresistent. Die Symptome sind oft asymmetrisch oder einseitig. Die häufigste zugrunde liegende Krebsart sei das kleinzellige Bronchialkarzinom.

Als PNS werden alle Komplikationen von Tumorerkrankungen bezeichnet, die nicht durch den Tumor selbst, Metastasen, vaskuläre, infektiöse, metabolische oder therapiebedingte Ursachen ausgelöst sind.

Das Spektrum der PNS hat sich nach Angaben der Wiener Neurologinnen Dr. Desiree De Simoni und Professor Romana Höftberger in den letzten Jahren durch die Entdeckung der Autoimmun-Enzephalitis assoziiert mit Antikörpern gegen Oberflächen- bzw. synaptische Proteine erweitert; im Gegensatz zu den klassischen PNS sprächen die betroffenen Patienten meist gut auf eine Immuntherapie an.

Klassische PNS seien mit Antikörper gegen intrazelluläre Antigene assoziiert (onkoneuronale Antikörper), erklären die Neurologinnen. Die Antikörper träten in der Regel vor der Diagnose der Tumorerkrankung auf. Betroffene Patienten seien oft älter und hätten eine ungünstige Prognose. 

Beispiele für klassische PNS sind: Dermatomyositis, subakute sensorische Neuronopathie, subakute zerebelläre Degeneration und limbische Enzephalitis.

Patienten mit Antikörpern gegen Oberflächenproteine könnten sich ähnlich wie Patienten mit klassischem PNS präsentieren, aber nicht immer liege ein Tumor zugrunde. Die Prognose sei deutlich besser, da die Patienten meist gut auf eine Immuntherapie ansprächen. Beispiele für nicht-klassische PNS sind Hirnstamm-Enzephalitis und Optikusneuritis.