Eine Frau mit orthostatischen Kopfschmerzen, Hörminderung und kognitiven Störungen

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften 

Das Leitsymptom der spontanen intrakraniellen Hypotension (SIH) ist der orthostatische Kopfschmerz. Das Spektrum der neurologischen Symptome ist jedoch groß. Auch kognitive Störungen können auftreten, wie die Krankheitsgeschichte einer Frau zeigt, die der Neurologe Dr. med. Christian Hagemann und seine Kollegen vom Universitätsklinikum Augsburg schildern.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die 59-jährige Frau kam wegen seit 12 Monaten bestehenden, progredienten, orthostatischen Kopfschmerzen in die Klinik. Zudem seien in den letzten zwei Monaten Orientierungs- und  Kurzzeitgedächtnis-Störungen  sowie Antriebsminderung aufgetreten. Hierdurch habe die Patientin ihren Alltag nicht mehr bewältigen können und den Tag überwiegend im Bett gelegen, berichten die Autoren.

Befunde und Diagnose

  • Zeitlich und örtlich desorientierte Patientin 
  • Defizite im Bereich der Exekutivfunktionen sowie des Gedächtnisses, vereinbar mit einer frontotemporalen Störung. 
  • zentrale Okulomotorikstörung mit sakkadierter Blickfolge und verlangsamten Sakkaden
  • bilaterale Hörminderung sowie posturale Instabilität
  • MRT-Befund passend zu einer intrakraniellen Hypotension: Verschmälerung der äußeren Liquorräume, Verlagerung des Hirnstamms nach rostral, eine Absenkung des Mittelhirns, Tiefstand der Kleinhirntonsillen sowie Kontrastmittelaufnahme der Meningen
  • spinales MRT:  kein Liquorleck 
  • Wegen Herniations-Gefahr Verzicht auf invasive Diagnostik mittels CT-Myelographie oder MR-Myelographie ebenso wie auf eine Liquorpunktion zur Druckmessung
  • Diagnose: spontane intrakranielle Hypotension und frontotemporale Demenz

Therapie und Verlauf

Strenge Bettruhe und die Gabe von Koffein (3 × 200 mg/Tag), nach sieben Tagen Beginn einer sechstägigen Steroid-Therapie (500mg Methylprednisolon/Tag); unter Therapie Besserung der kognitiven Funktionen, der Gang- und Okulomotorikstörung sowie des Hörvermögens. 

Bei Nichteinhalten der strikten Bettruhe verschlechterten sich nach der Steroid-Therapie Orientierung und Gangbildes, nach erneuter 7-tägiger Bettruhe wieder Besserung. Dieser positive Trend habe sich auch unter zunehmender Mobilisierung fortgesetzt; einen Monat nach Ende der Steroid-Therapie hätten noch eine leichte Gangunsicherheit und eine diskrete Okulomotorikstörung bestanden, so Hagemann und seine Kollegen. Aufgrund der anhaltenden klinischen Besserung sei auf eine MRT-Kontrolle verzichtet worden.

Diskussion und Empfehlungen

Das Leitsymptom der spontanen intrakraniellen Hypotension (SIH) ist, wie die Autoren erklären, der orthostatische Kopfschmerz. Allerdings sei das Spektrum der neurologischen Symptome groß. Begleitend könne es zu Übelkeit, Schwindel und Meningismus kommen. In seltenen Fällen seien Hirnnervenausfälle, Hörminderung, Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma sowie Bewegungsstörungen möglich. Ursache sei ein Liquorverlust, meist durch ein spinales Liquorleck. Magnetresonanztomografisch sichtbar seien häufig verdickte, kontrastmittelaufnehmende Meningen, eine kaudale Hirnverlagerung, eine Erweiterung der venösen Strukturen und subdurale Hygrome. Therapeutisch sei vor allem Bettruhe wichtig. Medikamentös könnten Koffein, Gabapentin und Theophyllin eingesetzt werden. Bei ausbleibender Besserung könne eine Therapie mit einen epiduralen Blutpatch oder einer epiduralen Injektion von Fibrinkleber indiziert sein. Zusätzlich bestehe die Möglichkeit eines chirurgischen Verschlusses eines zuvor nachgewiesenen Liquorlecks. 

Der Fallbericht solle deutlich machen, dass ein FBSS (frontotemporales Brain-Sagging-Syndrom) über viele Monate zu progredienten kognitiven Störungen führen könne und es daher in die Differenzialdiagnose einer demenziellen Entwicklung mit einbezogen werden sollte. Als möglicher Pathomechanismus der Erkrankung wird den Autoren zufolge eine direkte mechanische Einwirkung auf frontotemporale Strukturen sowie auf den Hirnstamm durch das FBSS diskutiert, wodurch die Verbindungen zwischen Kortex und Hirnstamm beeinflusst werden könnten. 

Seit 2002 seien 49 Fälle einer frontotemporalen Demenz bei SIH beschrieben worden. Der Begriff „frontotemporal brain sagging syndrome“ (FBSS) als Kombination einer frontotemporalen Demenz vom Verhaltenstyp und eines „brain sagging“ in der Bildgebung sei 2011 vorgeschlagen worden.