Eine Frau mit hohem Brustkrebs-Risiko und einem Zufallsbefund

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Frauen mit einem hohen familiären Risiko für ein Mammakarzinom sollten in einer Tumorrisiko-Sprechstunde vorgestellt werden; gegebenenfalls sei eine genetische Testung zu empfehlen. Dies betonen Dr. med. Selin Gürgan und Privatdozentin Dr. med. Ines Gruber vom „Department für Frauengesundheit“ der Universitätsfrauenklinik Tübingen in einem Beitrag in der Zeitschrift „Die Gynäkologie“.

Die Patientin und ihre Geschichte

Bei der Patientin habe es sich um eine 48-jährige Frau mit nachgewiesener PALB2-Mutation gehandelt, berichten Selin Gürgan und Ines Gruber. Die Mutter sei im Alter von 70 Jahren an einem Mammakarzinom erkrankt, zwei Tanten mütterlicherseits seien 46 bzw. 54 Jahren gewesen, als bei ihnen Brustkrebs diagnostiziert worden sei. Aufgrund der PALB2-Mutation (hoch penetrantes Risikogen für Brustkrebs) habe die insgesamt gesunde Frau regelmäßig an intensivierten Früherkennungs-Untersuchungen teilgenommen. Wegen des hohen Risikos für ein Mammakarzinom habe sie sich zu einer prophylaktischen bilateralen Mastektomie entschlossen und deswegen im Brustzentrum vorgestellt.

Die Befunde

  • Inspektorisch und palpatorisch unauffällige Mammae und Axillae

  • Mammographie beidseits: beidseits einzelne flaue Mikrokalzifikationen, BI-RADS II (Breast Imaging Reporting and Data System) bei einem inhomogen dichten Drüsenparenchym beidseits

  • Mammasonographie beidseits: Brustdichte analog ACR® C; Mammae beidseits BIRADS II bei Mikrozysten, Lymphabflusswege beidseits unauffällig.

  • Mamma-MRT: rechts und links BI-RADS 2

Bei allen drei Untersuchungs-Methoden wurde nach Angaben der Autorinnen eine unabhängige zweifache fachärztliche Begutachtung vorgenommen.

Der Verlauf

Nach Aufklärung und ausreichender Bedenkzeit habe sich die Patientin für eine beidseitige Nipple-Sparing-Mastektomie mit simultaner Implantatrekonstruktion entschieden; drei Monate nach der Vorstellung in der Klinik sei sie operiert worden.

Die histologische Untersuchung des Brustgewebes ergab links keine Malignität, rechts dagegen ein duktales Carcinoma in situ (DCIS), G1, pTis (8mm, unifokal), pNX, L 0, V 0, Pn0, R0, Östrogenrezeptor-positiv, IRS4 („immune reactive score“), 100 %, Progesteronrezeptor-negativ, IRS 0.

In einer Tumorkonferenz wurde beschlossen, bei der Patientin nach der bereits bilateralen Mastektomie und aufgrund des nicht invasiven Tumors von einer adjuvanten endokrinen Therapie abzusehen.

Diskussion

Das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms liege bei Frauen mit BRCA1- und BRCA2-Keimbahnmutationen bei rund 70 Prozent, erklären die Gynäkologinnen. Bei PALB2, das ebenfalls ein hoch penetrantes Risikogen sei, betrage dieses Risiko etwa 50 Prozent.

Laut S3-Leitlinien und AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie) ist bei Frauen mit diesem hohen familiären Risiko eine intensivierte Früherkennung indiziert. Bei PALB2-Mutation bestehe diese aus der halbjährlichen ärztlichen Tastuntersuchung mit halbjährlicher beidseitiger Mammasonographie, der jährlichen Mamma-MRT-Untersuchung (ab 30. Lebensjahr) und der beidseitigen Mammographie (ab 40. Lebensjahr) im 1- bis 2-Jahresintervall.

Die Autorinnen betonen, dass für die intensivierten Früherkennungs-Maßnahmen derzeit keine direkten Belege für eine signifikante Mortalitätsreduktion vorliegen. Allerdings könnten Mammakarzinome durch die intensivierten Früherkennungs-Untersuchungen in früheren Tumorstadien entdeckt werden, wodurch die dann behandelten Patientinnen beste Heilungschancen hätten. Maligne Zufallsbefunde nach prophylaktischer Mastektomie seien mit einer Inzidenz von 5,5–11,3 %  nicht selten.

Eine bilaterale Mastektomie führe bei gesunden Frauen mit den Hochrisikogenen zu einer Reduktion der Mammakarzinom-Inzidenz, erklären Gürgan und Gruber weiter. Sie sollten daher über die möglichen prophylaktischen Eingriffe, die Option einer Rekonstruktion und die möglichen Rekonstruktionsarten (Fremdgewebe und Eigengewebe) ausführlich informiert werden. Vor einer prophylaktischen Operation müsse den Frauen eine angemessene Bedenkzeit gewährleistet werden.