Eine Frau mit einer Schwellung in der Leiste

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Bei unklaren Leistenschmerzen sind eine ausführliche Anamnese, eine klinische Untersuchung und eine Sonographie indiziert. Und bei einer Raumforderung in der Leiste einer Frau sollte differenzialdiagnostisch außer einem Tumor, Abszess oder einer Lymphadenopathie auch eine seltene Zyste erwogen werden, raten die Chirurgen Dr. Robert Oehring (Marienkrankenhaus Berlin, Charité, Klinikum Braunschweig) und Professor Stefan Farke (Marienkrankenhaus Berlin). Anlass ist die Krankengeschichte einer 64-jährigen Frau.

Die Patientin und ihre Geschichte

Wie die Autoren berichten, gab die  Patientin an, eine seit einigen Monaten zunehmende Schwellung in der linken Leiste bemerkt zu haben. Außerdem seien in den letzten Wochen progrediente Schmerzen aufgetreten.

Klinischer Befund 

  • Patientin in altersentsprechendem Allgemein- und normalem Ernährungszustand
  • In der linken Leiste tastbare derbe Raumforderung, bis unter das linke Leistenband reichend, kleine Bruchlücke tastbar
  • keine Fluktuation, keine Rötung oder Überwärmung
  • Lymphknoten nicht auffindbar
  • Rechte Leistenregion unauffällig, ebenso die weitere körperliche Untersuchung und auch die Labor-Befunde
  • Sonographie: in der linken Leiste eine 8 × 3 cm große echoarme, scharf begrenzte Struktur ohne Septen und Blutfluss sowie eine Bruchlücke; 
  • Abdomen-CT: hernienähnliche Zyste (7,5 × 3 cm) im linken Unterbauch mit Ausdehnung bis in die Ansätze der Oberschenkelmuskulatur dorsal der femoralen Gefäßstämme

Verdachtsdiagnose: Leistenhernie mit zystischer Raumforderung innerhalb des Leistenkanals

Therapie und Verlauf

Die Patientin wurde operiert; dabei fanden die Chirurgen zunächst eine kleine Femoralhernie, zudem ein ausgeprägtes Lipom des Lig. teres uteri; nach operativer Eröffnung der getasteten Raumforderung entleerte sich aus dieser klare Flüssigkeit. Die abschließende Diagnose lautete: Nuck-Zyste.

Diskussion

Der niederländischen Anatom Anton Nuck beschrieb nach Angaben der Autoren 1691 als erster den Nuck-Kanal. Der Nuck-Kanal sei das weibliche Pendant zum Processus vaginales des Mannes. Normalerweise bilde sich dieser innerhalb der ersten Lebensjahre zurück. Normalerweise verschließe sich der obere Anteil während oder kurz vor der Geburt und verschwinde innerhalb des ersten Lebensjahres. In seltenen Fällen misslinge diese Obturation, was zu einer Persistenz des Nuck-Kanals führe. Bei teilweisem oder vollständigem Persistieren könne es zur Ansammlung peritonealer Flüssigkeit und der Entstehung einer Hydrozele innerhalb des Nuck-Kanals kommen, der sogenannten Nuck-Zyste.
Möglich sei eine Entwicklung der Nuck-Zyste entlang des Lig. teres uteri in die Labia majora. Dies könne klinisch als eine Schwellung der Labia majora auffallen.